Angina pectoris und NSTEMI: Systematische FFR-Messung zusätzlich zur Angiographie für jeden bringt keinen Zusatznutzen

Dr. Susanne Heinzl

Interessenkonflikte

2. September 2021

Die systematische Messung der fraktionellen Flussreserve (FFR) zusätzlich zur Koronarangiographie bei Patienten mit stabiler Angina pectoris oder Nicht-ST-Hebungssinfarkt (NSTEMI) trägt nicht dazu bei, die Häufigkeit kardialer Ereignisse oder von Revaskularisationen zu senken. Durch das aufwändigere Verfahren wird die Lebensqualität der Patienten nicht verbessert und auch die Kosten werden nicht reduziert. Die Prozedur mit der FFR-Messung dauert außerdem länger und geht häufiger mit Komplikationen einher.

Dies ist das Ergebnis der multizentrischen randomisierten kontrollierten RIPCORD-2-Studie, deren Ergebnisse Prof. Dr. Nicholas Curzen, Universität Southampton, England, beim europäischen Kardiologenkongress vorgestellt hat [1]. Sein Fazit: „Diese Strategie hat keinen Vorteil im Vergleich zur Angiographie allein und dürfte in der klinischen Praxis ohne Nutzen sein.“

 
Diese Strategie hat keinen Vorteil im Vergleich zur Angiographie allein und dürfte in der klinischen Praxis ohne Nutzen sein. Prof. Dr. Nicholas Curzen
 

Wahrscheinlich habe die Messung der FFR den höchsten Nutzen, wenn sie bei speziellen Patientengruppen, z.B. Patienten mit Mehrgefäßerkrankung, die für eine PCI vorgesehen sind, eingesetzt werde. Eine routinemäßige Anwendung der Methode über alle Gefäße mit leichten Stenosen bei Koronarpatienten habe jedoch keinen Nutzen.

Diskutant Prof. Dr. Robert A. Byrne, Mater Private Hospital, Dublin, Irland, erklärte dieses doch etwas unerwartete Ergebnis der Studie unter anderem damit, dass der Anteil an Patienten mit nur gering gradigen Läsionen oder Eingefäß-Erkrankung mit fast 75% relativ hoch gewesen sei.

Auch die mittlerweile große Erfahrung der Untersucher mit Koronarangiographien habe möglicherweise zum Ergebnis beigetragen.

Messung der FFR – etabliertes Verfahren

Die koronare Druckdrahtmessung der FFR ist bei perkutanen Koronarinterventionen seit Jahren etabliert. In den europäischen Leitlinien wird sie mit einer Ia-Empfehlung bei Patienten mit intermediären Koronarstenosen ohne Nachweis einer Ischämie und mit einer IIa-Empfehlung für Patienten mit Mehrgefäßerkrankung unabhängig vom Nachweis einer Ischämie empfohlen.

Unklar war bislang, ob die Messung der FFR auch bei einem breiteren Patientenspektrum sinnvoll sein kann. Die bereits 2014 publizierte erste RIPCORD-Studie hatte ergeben, dass eine zusätzliche Messung der FFR bei einem Teil der Patienten mit geringgradigen Läsionen das Management verändert hatte.

FFR-Messung verlängert Untersuchungsdauer

In der nun vorgestellten RIPCORD-2-Studie verglichen Curzen und Kollegen daraufhin in 17 Zentren bei Patienten mit stabiler Angina pectoris und NSTEMI randomisiert den Nutzen einer FFR nach Koronarangiographie (n = 584) und einer alleinigen Koronarangiographie (n = 552).

Die FFR wurden in allen Koronargefäßen mit einem Stenosegrad über 30% gemessen. Im Mittel waren dies 4 Gefäße pro Patient, was zu einer entsprechenden Verlängerung der Untersuchungszeit von 42,4 auf 69,0 Minuten führte (p < 0,001) und mit einem signifikant erhöhten Verbrauch von Kontrastmittel (146,3 ml versus 206 ml, p < 0,001) sowie einer erhöhten Strahlendosis (5.029,7 cGy/cm² versus 6.608,7 cGy/cm²) einherging (p < 0,001).

Keine signifikanten Unterschiede bei den Endpunkten

Die Studie hatte 2 primäre Endpunkte, und zwar die Krankenhauskosten und die Lebensqualität der Patienten, gemessen mit dem EuroQoL.EQ-5D-5L, jeweils nach 12 Monaten.

Bei beiden Endpunkten ergaben sich zwischen den beiden Gruppen keine signifikanten Unterschiede: Die Krankenhauskosten waren in der FFR-Gruppe mit 4.510 £ etwas höher als mit 4.136 £ in der Angiographie-Gruppe, der Unterschied war jedoch nicht signifikant (p = 0,137). Auch die Lebensqualität war mit einem Score von 75 in beiden Gruppen ähnlich (p = 0,88).

Darüber hinaus ergaben sich zwischen den beiden Gruppen keine Unterschiede bei klinischen Endpunkten wie Tod, Schlaganfall, Myokardinfarkt oder ungeplante Revaskularisation (insgesamt 9,5% FFR-Gruppe, 8,7% Angiographie-Gruppe). Auch der Anteil der Patienten, die eine bestmögliche Therapie ohne und mit PCI oder ohne und mit Bypassoperation erhielten, war in beiden Gruppen ähnlich.
 

Kommentar

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