Nutzloses Wissen? Loop-Screening findet 3-mal mehr Fälle von Vorhofflimmern – aber das Schlaganfall-Risiko sinkt nicht

Dr. Susanne Heinzl

Interessenkonflikte

31. August 2021

Die kontinuierliche Überwachung des Herzrhythmus mit einem implantierten Loop-Recorder trägt nicht dazu bei, Schlaganfälle bei Risikopatienten zu verhindern. Zwar führt die kontinuierliche Überwachung „zu einer 3-fachen Erhöhung der Erkennung von Vorhofflimmern und der Einleitung einer Antikoagulation, jedoch verringert sie das Risikos für Schlaganfall oder systemische arterielle Embolie nicht signifikant“. Dies berichtete Prof. Dr. Jesper H. Svendsen, Universitätsklinik Kopenhagen, Dänemark, der diese Ergebnisse der LOOP-Studie beim Europäischen Kardiologenkongress (ESC) vorgestellt und parallel im Lancet publiziert hat [1,2].

 
Diese Ergebnisse könnten bedeuten, dass nicht jedes Vorhofflimmern ein Screening benötigt und dass nicht jedes durch Screening erkannte Vorhofflimmern eine Antikoagulation erfordert. Prof. Dr. Jesper H. Svendsen
 

„Diese Ergebnisse könnten bedeuten, dass nicht jedes Vorhofflimmern ein Screening benötigt und dass nicht jedes durch Screening erkannte Vorhofflimmern eine Antikoagulation erfordert“, so seine Schlussfolgerung.

Ist das Screeningverfahren entscheidend?

Auch die Diskutantin Prof. Dr. Isabelle C. Van Gelder, Universität Groningen, Niederlande, kommentierte beim ESC-Kongress: „Dies ist eine sehr wichtige Studie.“ Sie habe dazu beigetragen, dass eine Wissenslücke zum Screening auf Vorhofflimmern geschlossen worden sei.

Van Gelder stelle die LOOP-Ergebnisse denjenigen der ebenfalls aktuell im Lancet publizierten STROKESTOP-Studie gegenüber. Diese war im April bei der Tagung der European Heart Rhythm Association (EHRA) vorgestellt worden – und hatte ein gegenteiliges Resultat. Denn hier hatten die Teilnehmer einen zwar geringen, aber signifikanten Netto-Benefit von einem systematischen Screening auf Vorhofflimmern.

Es handelte sich aber um ein komplett anderes Screening-Verfahren als in der LOOP-Studie: In STROKESTOP hatten die älteren asymptomatischen schwedischen Teilnehmer 2 Wochen lang 2-mal täglich über 30 Sekunden einen tragbaren Ein-Kanal-EKG-Recorder verwendet und hatten bei Nachweis eines Vorhofflimmerns eine Behandlung mit Antikoagulanzien angeboten bekommen.

Der primäre Endpunkt war in STROKESTOP zudem weiter angelegt. Er umfasste eine Reihe von möglichen positiven und negativen Outcomes: ischämischer oder hämorrhagischer Schlaganfall, systemische Embolie, Tod jeder Ursache und Hospitalisierung wegen Blutungen.

Nach im Median knapp 7 Jahren waren in STROKESTOP in der EKG-Gruppe signifikant weniger Ereignisse des primären Endpunkts (4.456 von 13.979) aufgetreten als in der Kontrollgruppe (4.616 von 13.996) (Hazard Ratio: 0,96; p = 0,045).

Zurück zur LOOP-Studie: In dieser waren die Teilnehmer ja kontinuierlich per implantierten Recorder überwacht worden – und eine Rhythmusstörung wurde schon dann diagnostiziert, wenn ein Vorhofflimmern von 6 Minuten Dauer aufgetreten war. Nach Ansicht von Van Gelder eine sehr enge Definition. Andere Studien hätten gezeigt, dass das Schlaganfallrisiko mit der Dauer des Vorhofflimmerns deutlich steige.

Nach Ansicht von Van Gelder ist das EKG bei Hochrisiko-Patienten die geeignetere Methode, um die Patienten zu identifizieren, die von Antikoagulanzien profitieren können. Die LOOP-Studie zeige wohl, dass kurze Episoden eines Vorhofflimmerns kein Screening benötigten.

Prof. Dr. Ben Freedman und Dr. Nicole Lowres, Heart Research Institute, Universität von Sydney, Australien, schreiben im begleitenden Editorial im Lancet ebenfalls, dass „kürzere Episoden eines Vorhofflimmerns, die von Langzeit-Loop-Recordern gefunden werden, möglicherweise nicht das gleiche Schlaganfallrisiko in sich bergen wie Vorhofflimmern, das durch einmalige oder weniger intensive Überwachung erkannt wird“ [3].

Wenn ein Großteil des in LOOP beobachteten paroxysmalen Vorhofflimmerns nicht die eigentliche Ursache für Schlaganfälle, sondern überwiegend ein Risikomarker sei, wären möglicherweise andere Screening-Verfahren und Therapien zur Prophylaxe eines Schlaganfalls sinnvoller.

Loop-Recorder versus telefonische Beratung

Die LOOP-Studie wurde initiiert, weil Patienten mit Vorhofflimmern häufig asymptomatisch sind, somit nicht diagnostiziert werden und unbehandelt bleiben. Die Studie prüfte, ob die kontinuierliche Überwachung mit einem implantierbaren Loop-Recorder und die anschließende Antikoagulation bei erkanntem Vorhofflimmern das Risiko eines Schlaganfalls oder einer systemischen arteriellen Embolie bei Risikopatienten verringern kann.

In die Studie wurden 6.004 Personen ohne Vorhofflimmern mit mindestens einem zusätzlichen Risikofaktor für Schlaganfall (Hypertonie, Diabetes, früherer Schlaganfall oder Herzinsuffizienz) in 4 Zentren in Dänemark eingeschlossen. 1.501 erhielten einen Loop-Recorder implantiert, 4.503 wurden wie üblich kontrolliert.

Der Loop-Recorder zeichnete kontinuierlich die elektrische Aktivität des Herzens auf. Jede Nacht wurden alle Aufzeichnungen, die Herzrhythmusstörungen (wie Vorhofflimmern) anzeigten, zur Auswertung an einen Server übertragen. Zeigte sich ein Vorhofflimmern von mehr als 6 Minuten Dauer, wurde den Patienten geraten, mit einer oralen Antikoagulation zu beginnen. Die Vergleichsgruppe erhielt einmal im Jahr eine telefonische Beratung durch eine Pflegekraft.

Primärer Endpunkt der Studie war die Zeit bis zum kombinierten Endpunkt Schlaganfall oder systemische arterielle Embolie.

Kein signifikanter Vorteil für die Loop-Patienten

Das Durchschnittsalter der Patienten betrug 74,7 Jahre, 47,3% waren Frauen. Die Überwachung dauerte im Median mehr als 4 Jahre (39,3 Monate), die mediane Nachbeobachtungszeit lag bei mehr als 5 Jahren (64,5 Monate).

Bei den Teilnehmern mit implantiertem Loop-Recorder war die Wahrscheinlichkeit, dass ein Vorhofflimmern erkannt und eine orale Antikoagulation begonnen wurden mit 31,8% höher als bei den Teilnehmern der Vergleichsgruppe mit 12,2% (HR: 3,17, p < 0,001). In der Loop-Recorder-Gruppe nahmen schließlich 445 der 1.501 Teilnehmer (29,7%) orale Antikoagulanzien, in der Kontrollgruppe 591 von 4.503 (13,1%) (HR: 2,72; p < 0,001).

Der primäre Endpunkt Schlaganfall oder Embolie trat bei 318 Teilnehmern auf, davon 67 (4,5%) in der Überwachungsgruppe (0,88 Ereignisse pro 100 Personenjahre) und 251 (5,6%) in der Kontrollgruppe (1,09 Ereignisse pro 100 Personenjahre. Dieser Unterschied zwischen den beiden Gruppen war jedoch nicht signifikant (HR: 0,80; p = 0,11).

An einer kardiovaskulären Ursache starben 43 Teilnehmer (2,9%) in der Loop-Gruppe und 157 (3,5%) in der Kontrollgruppe (HR: 0,83; p = 0,27). Die Gesamtsterblichkeit war in beiden Gruppen identisch, sie betrug 11,2% in der Überwachungsgruppe und 11,3% in der Kontrollgruppe (HR: 1,00; p = 1,00).

Zu größeren Blutungen kam es bei mehr Teilnehmern in der Überwachungsgruppe – nämlich bei 4,3% versus 3,5% in der Kontrollgruppe. Der Unterschied war aber nicht signifikant (HR: 1,26, p = 0,11).
 

Kommentar

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