„Warnsignal“: SMART-MI-Studie aus München belegt Nutzen von implantiertem Monitor nach Infarkt bei bestimmten Patienten

Julia Rommelfanger

Interessenkonflikte

30. August 2021

Ein implantierbarer kardialer Monitor (ICM) zur Überwachung des Herzrhythmus mit Home-Monitoring-Funktion kann therapierelevante Herzrhythmusstörungen bei Hochrisikopatienten nach einem Myokardinfarkt zuverlässig erkennen. Dies sei die wichtigste Erkenntnis aus SMART-MI, einer am Deutschen Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung an der Universität München initiierten Diagnostikstudie, berichtete Studienleiter Prof. Dr. Axel Bauer auf dem Kongress der European Society of Cardiology (ESC) [1]. Er ist Direktor der Universitätsklinik Innere Medizin III für Kardiologie und Angiologie an der Medizinischen Universität Innsbruck.

ICM ohne Einfluss auf kardiovaskuläre Ereignisse

„Das Monitoring kann gefährliche Arrhythmien in Patienten mit kardialer autonomer Dysfunktion und mittelgradig reduzierter linksventrikulärer Pumpfunktion frühzeitig anzeigen, funktioniert also als Warnsignal“, präzisierte Bauer bei der Präsentation der Late-Breaking-Studie. Nach einem mittleren Follow-up von 21 Monaten wurden in der Interventionsgruppe mit ICM bei 60 Patienten (29,9%), in der Kontrollgruppe mit Standard-Follow-up nach einem Myokardinfarkt bei nur 12 Patienten (6%) schwere Arrhythmien erkannt und entsprechend therapiert (p<0,0001). Auf die kardiovaskuläre Ereignisrate hatte der Einsatz des ICM jedoch keinen Einfluss. 

 
Das Monitoring kann gefährliche Arrhythmien in Patienten mit kardialer autonomer Dysfunktion und mittelgradig reduzierter linksventrikulärer Pumpfunktion frühzeitig anzeigen, funktioniert also als Warnsignal. Prof. Dr. Axel Bauer
 

„Wir waren weder überrascht von der hohen Erkennungsrate in der ICM-Gruppe noch von den neutralen Ergebnissen hinsichtlich des klinischen Endpunkts“, sagte Bauer. „Ob die ICM-Überwachung zu besseren klinischen Outcomes führt, müssen klinische Endpunkstudien zeigen.“ 

Als diagnostische Studie mit nur 400 Patienten und kurzem Follow-up sei SMART-MI dafür nicht ausgelegt. In eine solche Endpunktstudie, schätzt Bauer, müssten mehr als 6.000 Patienten eingeschlossen werden. „Das ist keine leichte Aufgabe.“   

Hilfe für „vergessene“ Post-MI-Patienten mit hohem Risiko

Bei SMART-MI handelt es sich um eine randomisierte, offene, klinische Studie an 33 Zentren in Deutschland und in Österreich mit insgesamt 400 Patienten. Alle Teilnehmer hatten einen Herzinfarkt überlebt und wiesen eine linksventrikuläre Ejektionsfraktion (LVEF) von 36 bis 50% (Durchschnitt: 45%) sowie eine kardiale autonome Dysfunktion auf. 

Die Studiengruppe hatte anhand von 2 neuen Risikomarkern im EKG (Deceleration Capacity und Periodic Repolarization Dynamics) bei den Teilnehmenden eine Störung des autonomen Nervensystems festgestellt. „Bei diesen Patienten liegt eine umfassende funktionale und strukturelle Schädigung des kardialen Nervensystems vor“, erklärte Bauer. Dadurch habe die neu identifizierte Hochrisikogruppe unabhängig von der EF ein hohes Risiko für Komplikationen, insbesondere Arrhythmien und plötzlichen Herztod, auch mangels Diagnose- und Präventionsmaßnahmen – das mache die Studie deutlich.

„Diese Ereignisse könnten mit einem ICM frühzeitig und effektiv erkannt werden“, so seine Schlussfolgerung. „Unserer Studie zufolge profitieren Post-Infarkt-Patienten mit mittelgradig reduzierter LVEF und kardialer autonomer Dysfunktion von dem Einsatz eines ICM für eine kontinuierliche Risikoermittlung.“

Leitlinien empfehlen ICD-Einsatz bei LVEF von unter 35%

Bei Patienten mit hochgradig eingeschränkter linksventrikulärer Pumpleistung unter 35% raten Leitlinien zur prophylaktischen Implantation eines Defibrillators (ICD). Bei den meisten Post-MI-Patienten sei die Pumpfunktion jedoch besser, sodass sie in den Leilinien ausgenommen seien und üblicherweise keine Präventionsmaßnahme getroffen werde, was jedoch zu einer höheren Komplikations- und Sterberate führe, erklärte Bauer. „Sie sterben nicht nur durch einen plötzlichen Herztod, sondern auch aufgrund von Schlaganfällen, einer Herzinsuffizienz oder anderer kardiovaskulärer Ereignisse. Bei diesen Patienten brauche ich einen diagnostischen Hinweis – ich würde gerne wissen, ob Arrhythmien vorhanden sind“, sagte Bauer. 

„In dieser Studie wurde sich der Vergessenen angenommen“, kommentierte Prof. Dr. Gerhard Hindricks vom Herzzentrum Leipzig. „Ganze 30 Jahre lang gab es keine Strategie, um diese Patienten zu schützen. Dass wir uns ihnen jetzt annehmen, ist lange überfällig.“ 

 
Ganze 30 Jahre lang gab es keine Strategie, um diese Patienten zu schützen. Dass wir uns ihnen jetzt annehmen, ist lange überfällig. Prof. Dr. Gerhard Hindricks
 

Der Hälfte aller in die Studie eingeschlossenen Patienten erhielten subkutan ein ICM (Reveal LINQ / Medtronic), das mit einem Telemonitoring-System gekoppelt war. Dieses System schickte tägliche Berichte an ein Labor, das wiederum die lokalen Zentren über das Auftreten schwerer Arrhythmien informierte.

Primärer Studienendpunkt war die frühzeitige Erkennung schwerer Herzrhythmusstörungen wie Vorhofflimmern, das mehr als 6 Minuten anhält; hochgradiger atrioventrikulärer Block; schnelle nicht-anhaltende ventrikuläre Tachykardien. „Alle diese Arrhythmien gingen in vorherigen Studien mit einer schlechten Prognose einher. Treten sie bei Patienten mit ICD auf, erhalten diese Patienten eine entsprechende Therapie“, sagte Bauer.

Schwere Rhythmusstörungen sind Vorboten eines Ereignisses

Im sekundären Endpunkt wurde untersucht, ob das ICM-Monitoring und die aufgrund neu entdeckter Arrhythmien initiierte Therapie vor kardialen und zerebrovaskulären Ereignissen (MACE) schützen konnten. Zwar wiesen nachgewiesene schwere Arrhythmien eindeutig auf spätere kardiovaskuläre Komplikationen hin, jedoch unabhängig von der Diagnoseart. Somit war die prädiktive Genauigkeit mit 61% (ICM-Gruppe) versus 62% in beiden Gruppen fast identisch.

„Der wichtige Unterschied war aber die Sensitivität bei der Entdeckung von Arrhythmien, die in der ICM-Gruppe dreimal so hoch war wie in der Kontrollgruppe (61% versus 20%; p=0,007)“, sagte Bauer. „Das heißt, dass schwere Komplikationen in der ICM-Gruppe dreimal häufiger frühzeitig erkannt wurden.“ 

 
Das heißt, dass schwere Komplikationen in der ICM-Gruppe dreimal häufiger frühzeitig erkannt wurden. Prof. Dr. Axel Bauer
 

Auf diese Erkennung hin initiierten die Ärzte in lokalen Zentren nach eigenem Ermessen diagnostische und therapeutische Maßnahmen wie die Implantation eines ICD oder eines Schrittmachers, elektrophysiologische Untersuchungen, Katheterablationen oder eine orale Antikoagulation. „Da es sich um eine diagnostische Studie handelt, können keine Aussagen über den Effekt der Präventivmaßnahmen auf klinische Outcomes gemacht werden“, bemerkte Bauer. „Optimale Therapiewege gilt es erst einmal zu etablieren.“

Die Zukunft: Subklinische Ereignisse erfassen – mit Werables

Dass in der ICM-Gruppe mehr subklinische Arrhythmien erkannt wurden als in der Kontrollgruppe, was die Hypothese der Studiengruppe bestätige, sei wenig überraschend, bemerkte Prof. Dr. Carina Blomstrom-Lundqvist vom Institution of Medical Science, Uppsala, Schweden. Sie leitete die Diskussion von SMART-MI während der Hot-Line-Session. „Wir müssen uns fragen, ob es überhaupt adäquat ist, diese beiden Gruppen zu vergleichen.“ 

Adäquat sei in jedem Fall das ausgewählte Patientenkollektiv. „Bei Post-MI-Patienten mit einer Ejektionsfraktion von mehr als 35% ist die Sterberate am höchsten“, erklärte die Spezialistin für Arrhythmien und Device-Therapie. „Für mich die wichtigste Botschaft dieser Studie: Subklinische Ereignisse können MACE ankündigen.“  

 
Für mich die wichtigste Botschaft dieser Studie: Subklinische Ereignisse können MACE ankündigen. Prof. Dr. Carina Blomstrom-Lundqvist
 

Daher habe ein „kontinuierliches Risiko-Assessment“ für diese Hochrisiko-Patienten Priorität. Dieses Monitoring könne heutzutage auch über Wearables erfolgen, bemerkte Bauer abschließend. „Das ist die Zukunft.“ Für eine Hochrisikogruppe wie in SMART-MI können Wearables „wertvolle diagnostische Werkzeuge darstellen, wenn man weiß, wie man auf deren Signale reagieren sollte.“ 

 

Kommentar

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