„Sieg gegen einen furchtbaren Gegner!“ Kardiologen feiern beim ESC erste positive Studie bei diastolischer Herzinsuffizienz

Sonja Böhm

Interessenkonflikte

27. August 2021

Unzählige negative Studien, unzählige hoffnungsvolle Ansätze, die dann doch „versagten“ – die diastolische Herzinsuffizienz, international inzwischen als HFpEF (Heart Failure with preserved Ejection Fraction) bezeichnet, galt bislang als eines der großen, weit verbreiteten Krankheitsbilder, gegen die es keine schlüssigen Behandlungskonzepte gibt, um die relativ schlechte Prognose der Patienten zu verbessern. Nun sieht es so aus, als ob sich dies mit dem diesjährigen europäischen Kardiologenkongress ändert. Denn mit EMPEROR-preserved ist dort die erste Studie bei HFpEF vorgestellt worden, die tatsächlich ein positives Ergebnis erbracht hat. Die Studie ist zeitgleich im New England Journal of Medicine veröffentlicht worden.

Die Substanz, mit der dies gelungen ist, ist der eigentlich als Antidiabetikum entwickelte SGLT-2-Hemmer Empagliflozin (Jardiance®), der sich auch bei Patienten mit reduzierter Auswurffraktion (HFrEF) in früheren Studien (EMPEROR-Reduced-Studie) bereits als sehr wirksames Herzinsuffizienz-Medikament erwiesen hatte. Und dies vollkommen unabhängig davon, ob die Patienten gleichzeitig unter Typ-2-Diabetes litten oder nicht.

Primärer Endpunkt aus kardiovaskulärer Mortalität und Hospitalisierung wegen Herzinsuffizienz

In der aktuellen EMPEROR-preserved Studie hatten die knapp 6.000 Teilnehmer eine Herzinsuffizienz mit einer erhaltenen (preserved) Ejektionsfraktion über 40%; die meisten, 82%, befanden sich im NYHA-Stadium 2. Randomisiert erhielt eine Hälfte von ihnen – zusätzlich zur Standard-Basistherapie – 10 mg Empagliflozin einmal täglich, die andere Hälfte ein Placebo.

Nach einem medianen Follow-up von etwas mehr als 2 Jahren (26 Monate) hatten signifikant weniger Patienten unter dem SGLT-2-Hemmer den kombinierten primären Endpunkt der Studie aus kardiovaskulärem Tod oder Klinikeinweisung wegen einer Verschlechterung der Herzinsuffizienz erreicht. Um 21% (P=0,0003) war dieser Endpunkt reduziert.

 
Dies ist ein klinisch bedeutsamer Effekt. Prof. Dr. Stefan Anker
 

„Dies ist ein klinisch bedeutsamer Effekt“, betonte der Hauptautor der Studie, Prof. Dr. Stefan Anker, Charité Campus Virchow Klinik, Berlin, bei der Präsentation der Daten vor der Presse. Der Nutzen von Empagliflozin erstrecke sich über alle präspezifizierten Subgruppen, unabhängig von der linksventrikulären Auswurffraktion (LVEF), dem Diabetesstatus oder dem Geschlecht der Patienten.

Kardiovaskuläre Mortalität nur nicht signifikant gesenkt

Allerdings räumte er ein, dass dieses Ergebnis vor allem durch die Reduktion von Hospitalisierungen wegen Herzinsuffizienz zustande kam. Diese waren unter Empagliflozin um 27% (P<0,001) geringer. Die kardiovaskuläre Mortalität sei lediglich um nicht signifikante 9% unter der SGLT-2-Hemmer-Gabe reduziert gewesen, auf die Gesamtmortalität sei der Effekt „neutral“ (Hazard Ratio 1,0), berichtete er auf Nachfrage.

In seinen Augen tut dies dem Erfolg der Studie jedoch keinen Abbruch: „Diese Ergebnisse repräsentieren die allererste Studie, die unmissverständliche Vorteile eines Medikamentes auf wichtige Herzinsuffizienz-Endpunkte bei Patienten mit erhaltener Auswurffraktion zeigt“, betonte er bei der Pressekonferenz.

Auch der Moderator der Pressekonferenz der portugiesische Kardiologe Prof. Dr. Carlos Aguiar, Lissabon, zeigte sich überzeugt: „Diese Ergebnisse werden unsere Praxis verändern.“ Anker betonte, dass die Verhinderung von Krankenhausaufenthalten vor allem auch für die Patienten ein wichtiger klinischer Endpunkt sei, der ihre Lebensqualität entscheidend beeinflusse – und diesen Endpunkt habe man in der Studie durch die Therapie mit Empagliflozin „hochsignifikant“ senken können.

 
Diese Ergebnisse werden unsere Praxis verändern. Prof. Dr. Carlos Aguiar
 

In ein ähnliches Horn stößt Prof. Dr. Mark H. Drazner, vom University of Texas Southwestern Medical Center, Dallas, der die Studie in einem Editorial, ebenfalls im NEJM , kommentiert. „SGLT-2-Inhibition bei Herzinsuffizienz mit erhaltener Auswurffraktion – ein Sieg gegen einen furchtbaren Gegner“, hat der Herzinsuffizienz-Spezialist sein Editorial überschrieben.

Ist Dapagliflozin besser?

Er weist aber darauf hin, dass für die Studie Patienten ab einer Ejektionsfraktion von 40% rekrutiert worden waren – also auch solche mit leicht erniedrigter Auswurffraktion. Ob tatsächlich auch diejenigen in der Gruppe mit der höchsten Ejektionsfraktion ebenso profitiert hätten, gelte es noch genauer auszuwerten, meint er.

Auch verweist er auf die nicht signifikanten Ergebnisse bei der kardiovaskulären Mortalität. Weder in EMPEROR-preserved, noch in der vor einem Jahr publizierten EMPEROR-reduced-Studie sei es mit Empagliflozin gelungen, einen signifikanten Effekt auf die kardiovaskuläre Sterblichkeit zu erreichen. In der DAPA-HF-Studie mit dem SGLT-2-Hemmer Dapagliflozin war dies bei Patienten mit HFrEF jedoch erreicht worden. Daher sei er gespannt auf die Ergebnisse von DELIVER, einer Studie mit Dapagliflozin bei HFpEF-Patienten.

Die Nephroprotektion scheint nicht der Hauptmechanismus zu sein

Bezüglich des Wirkmechanismus der SGLT-2-Hemmer bei Herzinsuffizienz scheint nach wie vor einiges unklar zu sein. Da die Wirkstoffe an der Niere angreifen und hier die Glukoseausscheidung über den Harn erhöhen, war eine Mischung von diuretischen und metabolischen Effekten diskutiert worden.

In den bisherigen Studien zeigten sich auch nephroprotektive Effekte. Diese waren in der aktuellen Studie EMPEROR-preserved jedoch nicht so ausgeprägt wie in den früheren Studien bei Patienten mit reduzierter Auswurffraktion. Da andererseits der Effekt auf die Hospitalisierungsraten bei HFrEF und HFpEF ähnlich war, vermutet Drazner: „Es erscheint wahrscheinlich, dass die renale Protektion nicht der Hauptmechanismus ist, über den Empagliflozin die Hospitalisierungsraten bei Herzinsuffizienz senkt.“

Trotzdem ist auch der US-Kardiologe überzeugt: „Betrachtet man die Knappheit an therapeutischen Optionen für diese Patienten, sollte die EMPEROR-preserved-Studie zu einer Änderung der klinischen Praxis beitragen.“

Bleibt noch zu ergänzen, dass die EMPEROR-preserved-Studienautoren über „keinerlei unerwartete bzw. neue“ unerwünschte Wirkungen der Therapie berichten. Lediglich die Rate an Harnwegs- und Genitalinfektionen sei unter dem Verum erhöht gewesen. Und wie alle diese großen Phase-3-Studien war EMPEROR-preserved natürlich von den Herstellern von Jardiance® – Boehringer  Ingelheim und Eli Lilly – finanziert.
 

Kommentar

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