Wie unterscheiden sich junge Infarkt-Patienten von gesunden Gleichaltrigen? Forschungsergebnisse, die auf dem Kongress der European Society of Cardiology (ESC) vorgestellt werden, zeigen: Sie sind eher Raucher, eher fettleibig, sie leiden an Bluthochdruck oder Diabetes [1].
Die Bremer Studie, die die ESC vorab in einer Pressemitteilung publiziert hat, liefert Hinweise, dass zwar auch die elterliche Vorbelastung mit einem frühzeitigem Herzinfarkt junge Erwachsene zu Kandidaten macht, ebenfalls früh Herz-Kreislauf-Ereignisse zu erleiden. Doch die Studie zeigt auch, dass dies bei weiten nicht der einzige Faktor ist, der zum erhöhten Risiko beiträgt.
„Die Ergebnisse unterstreichen, wie wichtig es ist, Rauchen und Übergewicht bei Kindern und Jugendlichen zu vermeiden, um die Wahrscheinlichkeit von Herzerkrankungen im späteren Leben zu verringern“, betont Studienautor Prof. Dr. Harm Wienbergen vom Bremer Institut für Herz- und Kreislaufforschung dazu. „Es ist auch aus gesellschaftlicher Sicht wichtig, die Gründe für Herzinfarkte bei jungen Erwachsenen zu verstehen – denn diese Menschen sind berufstätig und haben familiäre Verpflichtungen“, so Wienbergen und fährt fort: „Es gibt jedoch bislang nur wenige Daten über die Prädiktoren für Herzinfarkte in dieser Gruppe.“
In der Bremer Fall-Kontroll-Studie wurden die klinischen Merkmale von konsekutiven Patienten, die im Alter von 45 Jahren oder jünger mit einem akuten Myokardinfarkt ins Krankenhaus eingeliefert wurden, mit zufällig ausgewählten Personen aus der Allgemeinbevölkerung derselben Region in Deutschland verglichen. Infarkt-Patienten und Kontrollen wurden nach Alter und Geschlecht gematcht.
Insgesamt wurden 522 Patienten aus dem Bremer STEMI-Register und 1.191 passende Kontrollen aus der deutschen Nationalen Kohorte (NAKO) ausgewählt.
Die Ergebnisse:
Der Anteil der aktiven Raucher war in der Gruppe der jungen Herzinfarkt-Patienten mehr als dreimal so hoch wie in der Allgemeinbevölkerung (82,4% vs. 24,1%; p<0,01).
Die Patienten hatten im Vergleich zu ihren Altersgenossen häufiger Bluthochdruck (25,1% gegenüber 0,5%; p<0,01),
häufiger Diabetes (11,7% gegenüber 1,7%; p<0,01),
und häufiger trat auch bei den Eltern ein früher Herzinfarkt auf (27,6% gegenüber 8,1%; p<0,01).
Die Infarkt-Patienten waren auch häufiger fettleibig: mit einem mittleren Body-Mass-Index (BMI) von 28,4 kg/m2 im Vergleich zu 25,5 kg/m2 bei den Kontrollpersonen (p<0,01).
Dagegen war der Anteil derjenigen, die mindestens viermal pro Woche Alkohol konsumierten, in der Allgemeinbevölkerung (11,2%) höher als bei den Herzpatienten (7,1%; p<0,01).
Familienanamnese nicht der einzige prädisponierende Faktor
Die Forscher analysierten die unabhängigen Risikofaktoren für das Auftreten eines akuten Myokardinfarkts im Alter von 45 Jahren oder jünger. Die Analyse wurde für Alter, Geschlecht, Bluthochdruck, Diabetes, aktives Rauchen, BMI, Alkoholkonsum, Schulbildung und Geburt in Deutschland angepasst.
Bluthochdruck war mit einem 85-fach erhöhten Risiko für einen Herzinfarkt im Alter von 45 Jahren oder jünger verbunden. Das Risiko eines frühzeitigen Herzinfarkts war in Verbindung mit aktivem Rauchen um das 12-Fache erhöht, in Verbindung mit Diabetes um das 5-Fache, verbunden mit elterlicher Vorgeschichte um das 3-Fache und verdoppelte sich in Verbindung mit Fettleibigkeit. Alkoholkonsum war mit einer Odds Ratio von 0,3 mit einer geringeren Wahrscheinlichkeit eines Herzinfarkts in jungen Jahren verbunden.
Wienbergen sagt: „Unsere Studie zeigt, dass Rauchen und Stoffwechselfaktoren wie Bluthochdruck, Diabetes und Fettleibigkeit stark mit einer erhöhten Wahrscheinlichkeit eines frühzeitigen akuten Myokardinfarkts verbunden sind. Eine schützende Wirkung von mäßigem Alkoholkonsum wurde bereits in anderen Studien beschrieben und wird in der vorliegenden Analyse junger Patienten bestätigt.“
Wienbergen schloss: „Unsere Studie legt nahe, dass die Familienanamnese nicht der einzige prädisponierende Faktor für einen frühen Herzinfarkt ist. Die Ergebnisse untermauern das Argument, dass junge Menschen darüber aufgeklärt werden sollten, warum es wichtig ist, nicht zu rauchen und ein gesundes Körpergewicht zu haben.“
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Diesen Artikel so zitieren: Infarkt im Alter von unter 45 – Bremer Studie deckt auf: Es ist nicht nur die familiäre Vorbelastung - Medscape - 26. Aug 2021.
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