Hirntumor durch Ultra-Feinstaub? Mit Alkoholkonsum steigt gastrointestinales Krebsrisiko; Prostata-Ca und Rezidiv-Angst

Dr. Susanne Heinzl

Interessenkonflikte

24. August 2021

Im Onko-Blog dieser Woche geht es darum, wie Ultra-Feinstaub das Risiko für Hirntumore und Alkohol das Risiko für gastrointestinale Tumore beeinflussen kann. Bei Chemo-Immuntherapie können die Patienten im Gegensatz zur alleinigen Immuntherapie ohne Wirkungsverlust der onkologischen Therapie mit Antibiotika behandelt werden. Und nicht ganz überraschend: Eine unvollständige Resektion von Polypen bei einer Koloskopie erhöht das Neoplasie-Risiko. Außerdem: Nicht wenige Männer leiden nach Prostatakrebs viele Jahre an Rezidivangst.  

  • Hirntumore: Erhöhtes Risiko durch Ultra-Feinstaub an Flughäfen?

  • Gastrointestinale Tumore: Mit dem Alkoholkonsum steigt das Tumorrisiko

  • Prostatakarzinom: Die Angst vor dem Rezidiv bleibt

  • Lungenkrebs: Keine Wirkungsabschwächung der Erstlinien-Chemo-Immuntherapie durch Antibiotika

  • Kolorektal-Karzinom: Unvollständige Polypen-Resektion erhöht Neoplasie-Risiko

Hirntumore: Erhöhtes Risiko durch Ultra-Feinstaub an Flughäfen?

Bei Personen, die in Flughafen-Nähe leben, ist das Risiko für Hirntumoren möglicherweise durch vermehrten Ultra-Feinstaub erhöht. Hiervon sind nach einer großen multiethnischen Kohortenstudie in Los Angeles vor allem Afro-Amerikaner betroffen. Die Studie ist in Cancer Research erschienen.

Ultra-Feinstaub mit einer Partikelgröße ≤ 100 nm kann über den Kreislauf oder die Nase ins Gehirn gelangen. Während Feinstaub-Konzentrationen in der Luft überwacht werden, gilt dies für Ultra-Feinstaub nicht. Vor kurzem konnte erstmals in einer kanadischen Studie eine Assoziation zwischen Ultra-Feinstaub und dem Risiko eines Hirntumors gezeigt werden.

Durch frühere Untersuchungen war bekannt, dass die Ultra-Feinstaub-Konzentration um den Internationalen Flughafen von Los Angeles (LAX) mindestens doppelt so hoch ist wie in weiter entfernten Gebieten. Innerhalb eines Umkreises von 10 km um den LAX waren die Ultra-Feinstaub-Konzentrationen sogar um das 5- bis 6-Fache höher. Möglicherweise spielen hier Flugzeug-Emissionen eine wichtige Rolle.

Im Rahmen der MEC (Multi-Ethnische Kohortenstudie), die Faktoren erforscht, die zur Entwicklung von Krebs und anderen chronischen Erkrankungen beitragen, untersuchten die Forscher bei Bewohnern im Umkreis des LAX in einem komplexen Studiendesign die Assoziation zwischen Ultra-Feinstaub-Exposition und dem Risiko für bösartige Hirntumoren und Meningeomen.

Dabei ergab sich in Abhängigkeit von der Ultra-Feinstaub-Exposition ein Risikoanstieg für bösartige Hirntumoren, der bei Afro-Amerikanern besonders ausgeprägt war. Keine Assoziation ergab sich zwischen Ultra-Feinstaub-Exposition und Meningeom-Risiko. Nach Meinung der Autoren könnten weitere Untersuchungen dazu beitragen, die Rolle der Ultra-Feinstaub-Belastung in der Luft und bösartigen Hirntumoren noch besser zu verstehen.

Gastrointestinale Tumore: Mit dem Alkoholkonsum steigt das Tumorrisiko

Häufiger Alkoholkonsum scheint ein wichtigerer Risikofaktor für gastrointestinale Tumore zu sein als die jeweils konsumierte Alkoholmenge. Dies ergab eine retrospektive Kohortenstudie mit Daten des koreanischen Krankenversicherungssystems, die von einer dortigen Arbeitsgruppe in JAMA Netw. Open publiziert worden ist.

Die Analyse der Daten von über 11 Mio. Personen ergab, dass das Risiko eines Karzinoms im Magen-Darm-Trakt (Speiseröhren-, Magen-, Kolorektal-, Leber-, Gallen und Pankreaskarzinom) im Vergleich zu Nichttrinkern bei leichten Trinkern (adjustierte Hazard-Ratio [aHR] 1,04), moderaten Trinkern (aHR 1,14) und starken Trinkern (aHR, 1,28) erhöht war. Das Risiko für Magen-Darm-Krebs stieg linear mit der Trinkhäufigkeit (aHR 1,39 für Personen, die täglich trinken).

Das Risiko für Magen-Darm-Krebs stieg beim Trinken von 5 bis 7 Einheiten pro Trink-Gelegenheit (aHR 1,15). Bei höheren Mengen pro Trink-Gelegenheit nahm es jedoch nicht weiter zu:

  • 8-14 Einheiten pro Anlass: aHR, 1,11

  • 14 Einheiten pro Anlass: aHR, 1,11

Fazit der Autoren: Bei gleicher pro Woche konsumierter Alkoholmenge nahm das Risiko zu, wenn diese an mehr Tagen konsumiert wurde, und es nahm ab, wenn höhere Mengen an weniger Tagen getrunken wurden.

Prostatakarzinom: Die Angst vor dem Rezidiv bleibt

Die Angst vor einem Rezidiv eines Prostatakarzinoms bleibt bei einem Teil der Langzeitüberlebenden auch viele Jahre nach Diagnose und Therapie bestehen. Die betreuenden Ärzte sollten auf solche Ängste achten, um eine entsprechende psychosoziale Versorgung zu ermöglichen. Denn solche Ängste können, so eine Autorengruppe aus München in Cancer, die Lebensqualität der Männer und ihr psychisches Wohlbefinden ganz erheblich einschränken.

2.417 Überlebende eines Prostatakarzinom füllten einen Fragebogen (Fear of Progression Questionnaire – Short Form) im Durchschnitt 7 Jahre nach radikaler Prostatektomie sowie erneut nach 9 Jahren aus. Bei der 1. Befragung berichteten 6,5%, bei der 2. sogar 8,4% der Patienten über Ängste vor einem Rezidiv. Patienten, die bei der 1. Erhebung starke Ängste berichtet hatten, waren auch bei der 2. Befragung häufig von Ängsten geplagt.

Weitere Prädiktoren für Ängste bei der 2. Befragung waren ein niedrigerer Ausbildungsstand, längere Zeit nach der Prostatektomie, Symptome eines Rezidivs in den ersten Jahren nach der Therapie, aktuell laufende Therapie sowie Ängstlichkeit.

Die Autoren eines begleitenden Editorials stellen fest, dass dies die bislang größte Registerstudie mit der längsten Longitudinal-Analyse zur Angst vor einem Rezidiv sei. Sie sei jedoch nur in Deutschland durchgeführt worden und die Angaben der Patienten könnten durch das Gesundheitssystem beeinflusst worden sein.

In der Studie seien auch Faktoren wie Sexualfunktionen sowie Harn- und Stuhlinkontinenz nicht berücksichtigt worden, die das Wohlbefinden der Patienten erheblich beeinflussen könnten. Der in der Studie eingesetzte Fragebogen würde eher allgemeine Symptome erfragen. In künftigen Studien müssten zudem die Ängste bei Patienten mit metastasierter Erkrankung und die Rolle des Prostata-spezifischen Antigens bei der Adhärenz an das Screening untersucht werden.

Lungenkrebs: Keine Wirkungsabschwächung der Erstlinien-Chemo-Immuntherapie durch Antibiotika

Eine Antibiotika-Therapie beeinflusst die Wirksamkeit einer Erstlinien-Chemo-Immuntherapie bei Patienten mit fortgeschrittenem nichtkleinzelligem Lungenkarzinom (NSCLC) nicht. Dies berichtet eine internationale Arbeitsgruppe in den Annals of Oncology.

In verschiedenen Studien hatte sich gezeigt, dass die Wirkung einer alleinigen Behandlung mit Immuncheckpoint-Inhibitoren durch vorherige oder gleichzeitige Antibiotika-Gabe beeinträchtigt werden kann. Möglicherweise häng dies mit der Veränderung des Darmmikrobioms durch Antibiotika zusammen. Unklar war bislang, ob Antibiotika auch die Wirkung einer kombinierten Chemo-Immuntherapie verändern.

Forscher aus 8 Zentren analysierten retrospektiv Daten von 302 Patienten mit NSCLC im Stadium IV, die von Dezember 2014 bis Oktober 2020 behandelt worden waren.

Die multivariate Analyse ergab, dass Patienten mit vorheriger Antibiotika-Exposition ein ähnliches Gesamtüberleben (Hazard-Ratio 1,42, p = 0,1207) und progressionsfreies Überleben (HR 1,12, p = 0,5552) aufwiesen wie nicht Antibiotika-behandelte Patienten, und zwar unabhängig vom Performance-Status.

Auch die Gesamtansprechrate zwischen den beiden Gruppen war mit 42,6% vs. 57,4% nicht signifikant unterschiedlich (p = 0,1794).

Dies deutet darauf hin, dass diese Patienten bei einer Chemotherapie-induzierten Neutropenie mit Fieber während der Chemo-Immuntherapie mit Antibiotika behandelt werden können.

Darmkrebs: Unvollständige Polypenresektion erhöht Neoplasie-Risiko

Bei Patienten mit unvollständiger Polypen-Resektion im Kolorektaltrakt ist das Risiko für metachrone und für fortgeschrittene Neoplasien im Vergleich zu Patienten mit vollständiger Polypen-Entfernung erhöht. Dies ergab eine in den Annals of Internal Medicine publizierte Post-hoc-Analyse der CARE-Studie.

Von den 233 Patienten der CARE-Studie (Complete Adenoma Resection) wurden 166 Personen (71%) mindestens ein weiteres Mal untersucht. Bei Patienten mit unvollständiger Polypen-Resektion wurden mehr neoplastische Polypen als bei Patienten mit vollständiger Resektion gefunden (Mittelwert 0,8 vs. 0,3, p = 0,008).

Das Risiko für den Nachweis einer fortgeschrittener Neoplasie (18% vs. 3%, p = 0,034) sowie einer metachronen Neoplasie (52% vs. 23%, p = 0,004) war in Bereichen mit unvollständiger Resektion höher.

Nach Aussage der Autoren sind bis zu 30% der Kolonkarzinome, die nach einer Koloskopie gefunden werden, mit einer unvollständigen Polypen-Resektion assoziiert.

Dies belegt erneut die Wichtigkeit eines sorgfältig durchgeführten koloskopischen Eingriffs.

 

Kommentar

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