Psychedelika bald „salonfähig“: 2 US-Bundesstaaten treiben die Legalisierung voran, doch was steckt dahinter?

Dr. Jürgen Sartorius

Interessenkonflikte

19. August 2021

Seit den 1970er Jahren ist Besitz und Anwendung von Psychedelika in den USA illegal. In den US-Bundesstaaten Oregon und Kalifornien gehen die Behörden jetzt 2 verschiedene Wege in Richtung der Legalisierung von Psilocybin und anderen Psychedelika. Während Oregon auf eine Freigabe der Anwendung nur unter medizinischer Betreuung setzt, die allerdings auf 2 Jahre beschränkt wird, will Kalifornien Besitz und Anwendung von Psychedelika für Erwachsene nahezu komplett legalisieren.

Ein aktueller Review nimmt im Journal of American Medical Association (JAMA) Bezug auf verschieden Ansätze zur Legalisierung von Psilocybin, einem Psychedelikum, das gegenwärtig in verschiedenen Studien gute Wirkungen bei der Therapie der Depression gezeigt hat [1]. Die Autoren zeigen sich besorgt über eine direkte Legalisierung dieses Wirkstoffes durch die Politik, ohne ausreichend breite Evidenz-basierte Zustimmung aus der klinischen Medizin.

Oregon und Kalifornien treiben die Legalisierung voran

In Oregon gibt es seit Ende 2020 ein Gesetz, dass die Oregon Health Authority (OHA) beauftragt, die klinische Regulierung und Zulassung von Psilocybin bis Ende 2022 umzusetzen. Dazu hat die OHA ein Beratergremium aus Vertretern der Psychologie, der allopathischen und naturopathischen Medizin, der Gesundheitsbehörden und weiterer Berufsgruppen berufen.

Die Autoren des Reviews, Prof. Dr. William R. Smith, Psychiater, Perelman School of Medicine, University Pennsylvania, und Prof. Dr. Paul S. Appelbaum, Direktor der Division of Law, Ethics and Psychiatry, Columbia University, äußern die Vermutung, dass die Regierung von Oregon damit die Entscheidung über die Legalisierung von Psilocybin nicht selber treffen wolle. 

In Kalifornien hat dagegen der Senat im Juni 2021 direkt ein Gesetz erlassen, das den Besitz, die persönliche Anwendung und den nichtkommerziellen Umgang mit Psychedelika von Erwachsenen erlaubt. Sollte dieses im Parlament nicht bestätigt werden, ist ein Vorgehen wie in Oregon vorgesehen. In Kalifornien soll also zunächst versucht werden, die Politik unabhängig von klinischen Gremien über die Zulassung von psychedelischen Wirkstoffe entscheiden zu lassen.

Kleine Studien geben grünes Licht, aber große Studien fehlen noch

Obschon für Psilocybin und andere Psychedelika in kleineren Studien gute Behandlungsergebnisse bei Depression, Suizidgefahr und posttraumatischer Belastungsstörung gezeigt wurden, geben die Autoren zu bedenken, es seien noch viele Fragen nicht ausreichend geklärt.

 
Die Datenlage ist noch dünn. Wesentliche große Studien… laufen erst, sodass die Forderungen nach einer Legalisierung verfrüht erscheinen. Prof. Dr. Gerhard Gründer
 

„Die Datenlage ist noch dünn. Wesentliche große Studien, einschließlich unserer eigenen, laufen erst, sodass die Forderungen nach einer Legalisierung verfrüht erscheinen“, bestätigt auch Prof. Dr. Gerhard Gründer, der Leiter Abteilung Molekulares Neuroimaging im Zentralinstitut für seelische Gesundheit, Mannheim.

Entsprechendes gilt für die Risiken des serotonergen Psilocybins und anderer psychedelisch wirksamen Substanzen wie etwa Methylen-Dioxy-Meth-Amphetamin (MDMA, „Ecstasy“). Da die Risiken besonders für Menschen, die anfällig für psychotische Störungen sind, oft noch unverstanden seien, halten Smith, Appelbaum und Gründer eine Legalisierung für besorgniserregend.

Pro-Argumente: Weniger Kriminalität, mehr Steuereinnahmen

Als Argumente für die Legalisierung der Psychedelika zählen Smith und Appelbaum folgendes auf: In den Publikumsmedien gibt es aufgrund manch guter Ergebnisse überschwänglich positive Berichte über diese Substanzen, die zum Teil von finanzkräftigen Befürwortern gesponsort werden.

Darüber hinaus wird in den USA aktuell über die ständig steigende Kriminalisierungsrate von Teilen der Bevölkerung aufgrund von Besitz illegaler Substanzen diskutiert, die durch deren Legalisierung fortfallen würde.

Ein dritter Grund sei die Aussicht auf Gewinne und Steuereinnahmen durch den offiziellen Verkauf und die Anwendung von Psychedelika, wie beispielweise die Existenz von speziellen Cannabis-Boutiquen in Bundesstaaten zeige, in denen Cannabis legalisiert ist.

In Oregon sei ebenfalls geplant, kommerzielle Anwendungsstätten für Psychedelika als Depressionskliniken ähnlich bereits existierender sogenannter Ketamin-Kliniken aufzubauen. Hier, so befürchten die Experten, könnten dann nicht-evidenzbasierte Praktiken durchgeführt werden oder die Substanzen off-label zum Einsatz kommen, die keiner aussagekräftigen Studiendokumentation entsprächen. In den Ketamin-Kliniken sei dies der Fall, obschon Ketamin lediglich als Anästhetikum zugelassen sei.

Experten fordern, Psychedelika nicht überstürzt zu legalisieren 

Das Beispiel Cannabis liefert dem Review zufolge noch weitere Argumente gegen die Legalisierung von Psychedelika. So sei nach der Legalisierung von Cannabis das Bewusstsein um dessen Risikopotential bei der Bevölkerung weitgehend gesunken, obwohl Probleme wie sozialer Kontrollverlust, Fahruntüchtigkeit und psychiatrische Komorbiditäten im Zusammenhang mit der Droge gleichzeitig deutlich zugenommen hätten.

 
Die Anwendung von Psychedelika sollte derzeit professionellen und geschulten medizinischen Teams vorbehalten bleiben, die ihre Ergebnisse in großen Studien publizieren werden. Prof. Dr. Gerhard Gründer
 

Als Fazit ihres Reviews sprechen die Autoren die Empfehlung aus, die Legalisierung von Psychedelika nicht überstürzt zu gestalten. Die öffentliche Hand solle sich nicht dem Druck von Medien, Wirtschaft und gesellschaftspolitischen Diskussionen beugen, sondern stattdessen die Legalisierung von Psychedelika ohne Zeitdruck und unter Einhaltung bewährter evidenzbasierter Regulatorien voranbringen.

Dem schließt sich auch Gründer an: „Dass Psychedelika die vielzitierte ‚mental health crisis‘ lösen würden, halte ich für Marketing von Investoren. Die Anwendung von Psychedelika sollte derzeit professionellen und geschulten medizinischen Teams vorbehalten bleiben, die ihre Ergebnisse in großen Studien publizieren werden.“
 

Kommentar

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