Probleme mit pan-resistenten Candida auris-Infektionen in US-Pflegeheimen – Pandemie begünstigt Verbreitung

Dr. Judy Stone

Interessenkonflikte

16. August 2021

Die US-Gesundheitsbehörde Centers for Disease Control and Prevention (CDC) hat 2021 über 2 Cluster von Candida auris-Infektionen in Langzeit-Pflege-Einrichtungen berichtet, die gegen sämtliche Antimykotika resistent sind [1]. Da diese pan-resistenten Infektionen ohne jegliche Exposition gegenüber Antimykotika auftraten, sind diese Fälle umso besorgniserregender. Es ist das erste Mal, dass eine solche nosokomiale Übertragung entdeckt wurde.

Im Regierungsbezirk Columbia wurden bei Untersuchungen auf Haut-Kolonisierungen durch resistente Erreger 3 pan-resistente Isolate in einer Langzeit-Einrichtung festgestellt. In ihr werden schwer kranke Patienten betreut, die oft auch beatmet werden.

In Texas wurden die resistenten Organismen sowohl beim Screening als auch in Proben kranker Patienten in einer Langzeit-Pflegeeinrichtung und in einem Akutkrankenhaus gefunden. Beide Einrichtungen haben gemeinsame Patienten. 2 der Isolate waren pan-resistent, 5 andere waren resistent gegenüber Fluconazol und Echocandinen.

Diese Cluster traten zeitgleich und unabhängig voneinander auf. Es gab keine Verbindung zwischen den beiden Einrichtungen im Distrikt Columbia und in Texas.

Mehrzahl aller C.-auris-Isolate ist zumindest gegen Fluconazol resistent

Die Kolonisierung der Haut mit Candida auris kann bei den Patienten in 5 bis 10% zu invasiven Infektionen führen. Im Allgemeinen werden zur Überwachung keine Hautabstriche gemacht, wenngleich seit Jahren Perirektal-Abstriche auf Vancomycin-resistente Erreger (VRE) und Nasenabstriche auf Methicillin-resistente Staphylococci aurei (MRSA) erfolgen. In manchen Regionen, wie Los Angeles, wurde ein Screening auf C. auris für Hoch-Risiko-Patienten empfohlen. Das bezog sich auf beatmete Patienten und solche mit Tracheostoma, die aus Pflegeeinrichtungen in Los Angeles County, New York, New Jersey oder Illinois aufgenommen wurden.

In der Vergangenheit waren etwa 85% der C. auris-Isolate in den USA resistent gegen Azole (z.B. Fluconazol), 33% gegen Amphotericin B und 1% gegen Echocandine. Wegen des im Allgemeinen guten Ansprechens galten Echocandine, wie Micafungin oder Caspofungin, als Medikamente der Wahl bei invasiven Candida-Infektionen.

Nachweis mitunter schwierig

Der Umgang mit C. auris ist aus verschiedenen Gründen schwierig. Zunächst einmal kann es bis zu 2 Wochen lang in der Umgebung überleben, sowohl auf trockenen als auch auf feuchten Oberflächen. Sowohl über Handkontakt (von Person zu Person) als auch über kontaminierte Oberflächen war es zu Übertragungen mit Ausbrüchen gekommen. Ähnlich besorgniserregend ist, dass Menschen dauerhaft mit dem Hefepilz kolonisiert werden können.

 
Manchmal wird der Nachweis von Candida als Kolonisierung angesehen und dann oft nicht weiter spezifiziert. Dr. Meghan Lyman
 

Dr. Meghan Lyman von der Abteilung für Pilzerkrankungen am National Center for Emerging am Zoonotic Infectious Diseases der CDC berichtete gegenüber Medscape, dass die Einrichtungen mitunter lange brauchen, bis sie das Problem erkennen und den Erreger identifizieren. „Bei nicht-invasiv gewonnen Proben, vor allem im Urin, stoßen wir auf Schwierigkeiten“, sagte Lyman.

Dr. Meghan Lyman

„Manchmal wird der Nachweis von Candida als Kolonisierung angesehen und dann oft nicht weiter spezifiziert.“ Sie betonte die Notwendigkeit, dass Einrichtungen, die beatmete Patienten betreuen, ein Screening in Betracht ziehen sollten. „Eine höhere Priorität haben Einrichtungen in Gegenden, wo C. auris häufig übertragen wird und in angrenzenden Regionen, in die es mit hoher Wahrscheinlichkeit eingeschleppt wird.“ Selbst diejenigen, die Proben spezifizieren, könnten Schwierigkeiten haben, C. auris zu identifizieren.

Des Weiteren betonte Lyman „die Bedeutung von Antimykotika-Empfindlichkeits- und -Resistenz-Tests. Weil das auch etwas ist, das nicht überall verfügbar ist, können Sie es zum Labor-Netzwerk für antimikrobielle Resistenzen [am CDC] schicken.“

Pandemie könnte Infektionen mit multiresistenten Erregern begünstigen

COVID-19 hat besondere Herausforderungen mit sich gebracht. Prof. Dr. Rodney E. Rhode, Vorsitzender des Clinical Lab Science Program an der Texas State University in San Marcos, äußerte sich gegenüber Medscape besorgt über all die Steroide und Breitspektrum-Antibiotika, die Patienten erhalten.

 
Es ist der perfekte Sturm, nicht nur für C. auris – ich sorge mich auch wegen resistenter Bakterien. Prof. Dr. Rodney E. Rhode
 

Sie „bekommen medizinische Eingriffe, seien es Beatmungen oder ECMO oder i.v.-Zugänge oder zentrale Venenkatheter oder Katheter bei Harnwegsinfektionen. Und man schafft quasi Autobahnen, wie gemacht für etwas, was vielleicht genau da ist“, sagte Rohde, der nicht an der Untersuchung der CDC beteiligt war. „Es ist der perfekte Sturm, nicht nur für C. auris – ich sorge mich auch wegen resistenter Bakterien, wie MRSA und so weiter. Entsprechende Infektionen könnten im Rahmen von COVID-19 Spitzen haben. Ich denke, es ist im doppelten Sinn eine gefährliche Zeit.“

Prof. Dr. Rodney E. Rhode

Multiresistente Bakterien sind eines der größten Gesundheitsprobleme. In den USA verursachen sie jedes Jahr Krankheiten bei 2,8 Millionen Menschen, und sie verursachen 35.000 Todesfälle.

Personalknappheit verschärft die Probleme

Rohde äußerte eine weitere Sorge, die selten angesprochen wird: „Wir sind im Krisenmodus. Noch nie zuvor haben so viele Menschen unseren Arbeitsbereich verlassen. Das Personal im medizinischen Labor ist dezimiert, weil die Menschen in diesen letzten 14 Monaten ausgebrannt sind. Daher frage ich mich: Wie viel kompetentes medizinisches Laborpersonal wird noch an Bord sein, um diese anderen Krisenarten zu bewältigen, die in Krankenhäusern und Langzeit-Pflegeeinrichtungen auftauchen? Das bereitet mir schlaflose Nächte.“

Rohde und Lyman teilen ihre Sorge, dass COVID-19 dazu führt, dass weniger auf andere Infektionen oder resistente Erreger gescreent wird. Personalknappheit und ein Mangel an persönlichen Schutzausrüstungen hätten die Verbreitung dieser Infektionen sicher auch befeuert.

Bei einem C. auris-Ausbruch in der COVID-Einheit einer Klinik in Florida wurden 2020 insgesamt 35 von 67 Patienten kolonisiert, und 6 wurden krank. Die Epidemiologen, die das untersuchten, glaubten, dass wahrscheinlich kontaminierte Kittel oder Handschuhe, Computer und andere Ausrüstungsgegenstände die Übertragungsquellen waren.

 
Der beste Weg ist, Fälle zu identifizieren und wirklich eine gute Infektionskontrolle zu gewährleisten, um die Ausbreitung zu verhindern. Dr. Meghan Lyman
 

Schlechte Bezahlung, vor allem in Pflegeheimen, ist ein anderes Problem, das Rohde erwähnt. Ein Zusatzproblem sowohl in der Akut-, als auch in der Langzeitpflege ist, dass „einige der am schlechtesten bezahlten Menschen Arbeitnehmer in umweltrelevanten Dienstleistungen sind, entsprechend gibt es eine Wahnsinns-Fluktuation. Dennoch verlassen wir uns auf sie, alle in Sicherheit zu bewahren.“ Zusätzlich zur Bezahlung versuche er, „ihnen die Wertschätzung und Anerkennung zu geben, die sie wirklich verdienen“, fügte er hinzu.

Es gibt wenig spezifische Schutz-Maßnahmen für Patienten. „Der beste Weg ist, Fälle zu identifizieren und wirklich eine gute Infektionskontrolle zu gewährleisten, um die Ausbreitung zu verhindern“, fasste Lyman zusammen. Das heißt: Zurück zu den Basics: den Einsatz von Breitspektrum-Antibiotika und invasiven Medizinprodukten beschränken, und vor allem gutes Händewaschen und gründliche Reinigung.

Situation in Deutschland und Europa

Auch diesseits des Atlantiks haben Wissenschaftler den Hefepilz C. auris im Blick, der erstmals 2009 in Japan im Gehörgang einer Krankenhauspatientin entdeckt wurde. Epidemiologische Daten dazu hat das European Center for Disease Prevention and Control (ECDC) zuletzt 2020 veröffentlicht. 349 Fälle – Kolonisierungen sowie Infektionen – wurden zwischen Januar 2018 und Mai 2019 aus 9 EU-Ländern gemeldet, vornehmlich aus Spanien und dem Vereinigten Königreich. In Deutschland waren es in dem Zeitraum gerade einmal 3.

92,8% der europäischen Fälle waren lokal akquiriert. Zuvor wurde in Deutschland bereits eine Fallserie mit 7 Patienten veröffentlicht, von denen 6 den Pilz im Ausland erworben hatten.

In der EU-Studie wurde der Hefepilz in 24,1% im Blut nachgewiesen, 2% hatten Infektionen an anderer Stelle, und in 73,6% handelte es sich um Kolonisierungen.

C. auris ist üblicherweise Fluconazol-resistent, und auch im Vorfeld wurden bereits Resistenzen gegen multiple Antimykotika einschließlich Echocandinen und Amphotericin B beschrieben.

Um C. auris zu identifizieren, bedarf es spezieller massenspektrometrischer Labormethoden oder Sequenzierungen. In einem nationalen deutschen Ringversuch 2018 vermochten 85% der teilnehmenden 233 Labore C. auris korrekt zu identifizieren. In 9,4% der Fälle kam es aber zu Fehlidentifizierungen als C. haemulonii oder C. haemulonii-Komplex. Gerade diese Nachweise sollten von Referenzlaboren überprüft werden.

 
Da in Deutschland zurzeit keine systematische epidemiologische Erfassung etabliert ist, bitten wir bis auf weiteres um Einsendungen aller C. auris-Stämme zur anschließenden Analyse. Dr. Alexander Aldejohann
 

„Da in Deutschland zurzeit keine systematische epidemiologische Erfassung etabliert ist, bitten wir bis auf weiteres um Einsendungen aller C. auris-Stämme zur anschließenden Analyse“, so Dr. Alexander Aldejohann vom Institut für Hygiene und Mikrobiologie der Universität Würzburg, dem unter anderem für Candida zuständigen Partnerlabor des Nationalen Referenzzentrums für Invasive Pilzinfektionen gegenüber Medscape. Routinelabore könnten die entsprechenden Isolate weiterleiten. „Direkte Patientenproben nehmen wir nicht oder nur in Ausnahmefällen oder bei besonderen Fragestellungen an.“

Eine allgemeine Meldepflicht für den Nachweise oder für Infektionen mit C. auris gibt es in Deutschland derzeit nicht. Anders sei es bei vermuteten epidemiologischen Zusammenhängen mit mindestens 2 Fällen, etwa bei Verdacht auf nosokomiale Infektionen, so Aldejohann.

Der Artikel wurde von Dr. Bianca Bach aus www.medscape.com übersetzt und adaptiert.

 

Kommentar

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