Update vom 23. August 2021
Spahn: „Die 50er-Inzidenz hat ausgedient“
Ab heute gilt bundesweit die „3G-Regel“
Teststrategie: Wie geht es in Schulen weiter?
Wembley: Tausende Infektionen bei Finalrunden-Spielen
USA: Neue Corona-Mutation AY.3 breitet sich aus
WHO: Konflikt in Afghanistan gefährdet die medizinische Versorgung
Heute morgen berichtet das RKI von 3.668 SARS-CoV-2-Infektionen innerhalb der letzten 24 Stunden. Vor 7 Tagen hatten sich 2.126 Menschen neu angesteckt. Weitere 4 Todesfälle werden auf COVID-19 zurückgeführt (Vorwoche: 4).
Die 7-Tage-Inzidenz steigt damit auf 56,4 Fälle pro 100.000 Einwohner (Vorwoche 36,2). Große regionale Unterschiede prägen die Situation. Nordrhein-Westfalen etwa hat mit 103,3 Fällen pro 100.000 Einwohner den bundesweit höchsten Wert. „NRW verliert die Kontrolle“, kritisiert der SPD-Gesundheitsexperte Prof. Dr. Karl Lauterbach dementsprechend auf Twitter.
Spahn: „Die 50er-Inzidenz hat ausgedient“
Auf die Frage, welche Maßnahmen nun im Herbst und Winter erforderlich sind, reagierte Gesundheitsminister Jens Spahn mit einem Vorstoß. Auf Twitter schreibt der Bundesgesundheitsminister: „Die 50er-Inzidenz hat ausgedient. … Sie war der Maßstab bei einer ungeimpften Bevölkerung.“ Und weiter. „Mein Vorschlag ist, sie aus dem Gesetz zu streichen.“
Spahn weiter: „Als neuer Parameter gehört die Zahl der ins Krankenhaus aufgenommen COVID-Patienten ins Gesetz.“ Entscheidend sei, wie stark unser Gesundheitssystem durch Corona belastet werde. Daran seien weitere Maßnahmen auszurichten. „Der neue Parameter ist dann die Hospitalisierung“, so der Minister im ZDF-Morgenmagazin .
Gleichzeitig rät er zu vorsorglichen Drittimpfungen in Alten- und in Pflegeheimen. Ob in einem nächsten Schritt alle Menschen solche Angebote bekämen, hätten Experten noch zu klären. „Aber im Zweifel sage ich: vorsorglich besser geimpft, auch gut geschützt, auch drittgeimpft, in Herbst und Winter gehen“, erklärt Spahn. Denn die entscheidende Botschaft sei: „Wir impfen Deutschland zurück in die Freiheit.“
Ab heute gilt bundesweit die „3G-Regel“
Was Spahn hier meint, zeigt sich schon heute. Denn ab 23. August müssen alle Bundesländer die „3G-Regel“ („genesen, getestet, geimpft“) umsetzen. Genesene oder Getestete haben einige Sonderrechte. Wer nicht zu diesen Gruppen gehört, muss sich regelmäßig untersuchen lassen. PCR-Tests gelten dabei 48 Stunden lang; Antigen-Schnelltests dürfen nicht älter als 24 Stunden sein.
Derzeit gelten die Regeln für Alten- und Pflegeheime, für Anbieter körpernaher Dienstleistungen, für Hotels, für kulturelle Einrichtungen und für den Sport. Lauterbach fordert, „3 G“ auch auf Bahnfahrten auszudehnen – und im Freizeitbereich Angebote nur noch anhand von „2 G“ (geimpft oder genesen) zu öffnen.
So oder so wird sich der Druck auf Ungeimpfte weiter erhöhen. Denn ab dem 11. Oktober haben Bürger keinen Anspruch auf kostenlose Schnelltests mehr – mit 2 Ausnahmen. Wer aufgrund von Grunderkrankungen oder aufgrund fehlender STIKO-Empfehlungen kein Vakzin bekommen sollte, kann sich weiterhin ohne Gebühren testen lassen.
Wie geht es in den Schulen weiter?
Länder dürfen die „3G-Regel“ lockern, falls die 7-Tages-Inzidenz in einem Landkreis stabil unter 35 Neuinfektionen pro 100.000 Menschen liegt. Ausnahmen sind davon unabhängig für kleine Kinder und für Schüler möglich.
Bundesärztekammer-Präsident Dr. Klaus Reinhardt sieht dennoch pragmatische Möglichkeiten, das Infektionsrisiko zu verringern – und zwar mit sogenannten PCR-Lolli-Tests. Speicheltests mit einem „Watte-Lolli“ sind wesentlich angenehmer als Rachen- oder Nasenabstriche, kommen aber selten zum Einsatz.
„Um Wechselunterricht und Homeschooling bei steigenden Corona-Infektionszahlen zu vermeiden, sollten Kinder und Jugendliche in Kitas und Schulen häufiger und mit dem qualitativ besseren Analyseverfahren auf das Virus getestet werden“, schlägt Reinhardt vor. „Notwendig sind deutschlandweit mindestens 2 PCR-Lolli-Tests und bestenfalls 3 zusätzliche Antigen-Schnelltests pro Woche für Kinder bis 12 Jahren, für die bislang noch keine Impfmöglichkeiten zur Verfügung stehen.“ Diese Tests stünden zusammen mit ausreichenden Laborkapazitäten zur Verfügung. Alle Bundesländer müssten jetzt handeln, um auch bei steigenden Infektionszahlen einen sicheren Schulbetrieb zu gewährleisten, fordert der Ärztekammer-Präsident.
Wembley: Tausende Infektionen bei Finalrunden-Spielen
Welche Folgen es hat, die „3G-Regel“ nur halbherzig anzuwenden, zeigen neue Zahlen von Public Health England. Besucher von EM-Finalspielen mussten angeben, ob sie einen aktuellen, negativen Corona-Test gemacht haben; kontrolliert wurde dies jedoch nicht. Und mehrere hundert Menschen kamen sogar ohne jede Kontrolle ins Stadion.
Laut Public Health England waren 2.295 der Anwesenden zum Zeitpunkt der Spiele sehr wahrscheinlich infektiös. Und 3.404 weitere Personen sollen sich rund um diese Großereignisse infiziert haben. „Die Daten zeigen, wie leicht sich das Virus bei engem Kontakt ausbreiten kann, und dies sollte uns alle eine Warnung sein, während wir versuchen, wieder zu einer vorsichtigen Normalität zurückzukehren“, sagt Dr. Jenifer Smith, stellvertretende medizinische Direktorin von Public Health England.
USA: Neue Corona-Mutation AY.3 breitet sich rasant aus
Massenereignisse tragen auch dazu bei, neue Mutationen von SARS-CoV-2 zu verbreiten. In Großbritannien breitet sich die Delta-Variante weiter aus. Die US Centers for Disease Control and Prevention (CDC) berichten jetzt, dass immer häufiger AY.3, eine Unterart von Delta, in den USA zu finden sei. Bislang sei diese Unterlinie laut CDC in 12,3% aller untersuchten Proben nachgewiesen worden. Für die Delta-Unterart B.1.617.2 geben Biologen 86,1% an.
Prof. Christina Pagel, Mathematikerin am University College London, berichtet auf Twitter, AY.3 verbreite sich momentan vor allem in den Südstaaten der USA. Das RKI konnte AY.3 deutschlandweit insgesamt 37 Mal nachweisen, Stand 19. August.
Aussagen zur Kontagiosität sind derzeit kaum möglich. Immerhin vermutet Pagel, der leichte Rückgang der ursprünglich zirkulierenden Unterlinie von Delta könne auf AY.3 zurückzuführen sein. Die aktuelle Delta-Variante B.1.617.2 führt vermehrt zu Impfdurchbrüchen; Pagel hält dies auch bei AY.3 für denkbar.
Was sollte Deutschland jetzt unternehmen? „In UK und USA scheint sich eine neue Sars-CoV-Variante zu verbreiten, die ansteckender noch als die Delta Variante zu sein scheint“, schreibt Lauterbach. „Das erinnert daran, wie wichtig der schnelle Impferfolg ist. Es wird auf jeden Fall noch gefährlichere Varianten als Delta geben.“
Update vom 19. August 2021
Arztpraxen: Wohin mit überschüssigem Impfstoff?
Impfdurchbrüche auch in Deutschland
Neue Daten: Wie gut Impfstoffe vor der Delta-Variante schützen
Haben „Superspreading Events“ die Evolution von SARS-CoV-2 beschleunigt?
Einsatz im Altenheim: Hunde erschnüffeln Corona
Innerhalb der letzten 24 Stunden haben Gesundheitsämter dem RKI 8.400 neue Infektionen mit SARS-CoV-2 gemeldet. Vor einer Woche waren es 5.638. Die 7-Tage-Inzidenz liegt aktuell bei 44,2 Fällen pro 100.000 Einwohner (Vorwoche: 27,6). Außerdem berichtet das RKI von 22 neuen Todesfällen durch COVID-19; vor einer Woche waren es 17.
Zur bundesweiten Impfkampagne gibt es ebenfalls neue Zahlen. 63,5 % der Einwohner haben mindestens eine Dosis erhalten und 57,8 % sind vollständig geimpft. Es geht nur langsam voran.
Arztpraxen: Wohin mit überschüssigem Impfstoff?
Nicht nur Impfzentren leiden unter der mangelnden Bereitschaft vieler Menschen, sich schützen zu lassen. Niedergelassene Ärzte haben ähnliche Probleme, wie eine Online-Befragung des ZI unter 4.500 Praxismitarbeitern ergeben hat.
Bis zu 10% aller ausgelieferten Dosen sind noch nicht zum Einsatz gekommen, nämlich rund 1,1 Millionen Dosen Vaxzevria® von AstraZeneca, etwa 400.000 Einheiten Vaccine Janssen® (Johnson & Johnson) und fast 1,7 Millionen Dosen Comirnaty®(BioNTech/Pfizer). Ende August müssen zirka 4,5% aller gelieferten Vials entsorgt werden. Vektorimpfstoffe von AstraZeneca und Johnson & Johnson sind stärker betroffen – laut Umfrage landen wohl 15 bis 20% im Müll landen. Bei mRNA-Vakzinen ist nur von 2% bis 3% die Rede.
„Insbesondere die Vektorimpfstoffe gelten mittlerweile als kaum noch verimpfbar“, kommentiert Dr. Dominik von Stillfried vom Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland (ZI); das die Befragung durchgeführt hat. Als Grund nennt von Stillfried vor allem Zweifel der Bevölkerung an der Sicherheit der Impfung. Ärzte sollten dies bei ihrer Impfberatung stärker berücksichtigen. Ansonsten bleibe nur, „nicht benötigte Vials für internationale Impfstoffspenden einzusammeln, bevor sie unbrauchbar werden“, rät der ZI-Chef.
Doch ganz so einfach ist die Sache nicht. Ärzte können Impfdosen zwar anderen Praxen, Impfzentren oder Betriebsärzten zur Verfügung stellen. Der Bund selbst nimmt Vakzine aus haftungsrechtlichen Gründen aber nicht zurück.
Impfdurchbrüche auch in Deutschland
Auch in Zeiten der Delta-Variante sind Impfungen wichtig. Dr. Christian Karagiannidis, Leiter des ECMO-Zentrums an den Kliniken der Stadt Köln, berichtet zwar, die meisten COVID-19-Patienten in deutschen Kliniken seien ungeimpft, doch man sehe dort durchaus auch Durchbruchsinfektionen. Oft handele es sich um Menschen mit supprimiertem Immunsystem.
„Aktuell haben wir in Nordrhein-Westfalen 12 bis 13% der COVID-Patienten in den Kliniken mit Impfschutz“, sagt Karagiannidis. „Diese Quote dürfte auch der bundesweiten Quote entsprechen.“ Viele dieser Erkrankten würden auf Normalstationen behandelt, einzelne Fälle jedoch auch auf Intensivstationen.
Studie: Wie gut Impfstoffe gegen die Delta-Variante wirken
Neue Daten kommen von der Oxford University. Laut einer Studie sind 2 Impfstoffdosen nach wie vor der wirksamste Weg, um sich gegen die Delta-Variante zu schützen. Sowohl die Impfung mit der Vakzine von Pfizer/BioNTech als auch von AstraZeneca schützen vor Infektionen; die Wirksamkeit sei jedoch niedriger als bei Alpha.
Die Forscher analysierten mehr als 2,5 Millionen Nasen- und Rachenabstriche von 384.543 Menschen ab 18 Jahren. Die Proben wurden zwischen dem 1. Dezember 2020 und dem 16. Mai 2021 entnommen. Hinzu kamen 811.624 Tests von 358.983 Menschen zwischen dem 17. Mai 2021 und dem 1. August 2021.
Im letzten Zeitraum war Delta die Hautvariante. 21 Tage nach einer Einzeldosis der Impfstoffe von AstraZeneca, BioNTech/Pfizer oder Moderna verringerten sich die Raten an Neuinfektionen um 43%, 58% bzw. 75 %. Und 14 Tage nach der 2. Dosis von AstraZeneca oder BioNTech/Pfizer waren sie um 67% bzw. 82% niedriger als bei Ungeimpften.
Zum Vergleich: Die EMA gibt, basierend auf Zulassungsstudien, als Wirksamkeit für AstraZeneca 59,5%, für BioNTech/Pfizer 95% und für Moderna 94,1% an. Alle diese Daten wurden allerdings erhoben, bevor Delta zu zirkulieren begann.
Bei Delta-Infektionen, die nach 2 Dosen auftraten, hatten Patienten eine ähnliche virale Belastung wie ungeimpfte Personen. Bei der Alpha-Variante waren dagegen die Spitzenwerte der Viruslast bei Geimpften deutlich niedriger.
WHO: Konflikt in Afghanistan gefährdet die medizinische Versorgung
Andere Nationen haben noch weitaus größere Probleme. Aktuell warnt die Weltgesundheitsorganisation (WHO): „Der anhaltende Konflikt fordert einen hohen Tribut von Afghanistans ohnehin schon fragilem Gesundheitssystem, das inmitten der COVID-19-Pandemie mit einem Mangel an grundlegenden medizinischen Gütern und Ausrüstungen zu kämpfen hat.“
Durch die Unterbrechung von Hilfsflügen werde sowohl die Umsetzung von Maßnahmen gegen COVID-19 als auch die weitere Bekämpfung von Polio gefährdet. „Wir appellieren an alle Konfliktparteien, sich an die internationalen humanitären und Menschenrechtsgesetze zu halten“, heißt es in einer Meldung. „Die Errungenschaften der letzten 20 Jahre dürfen nicht zunichte gemacht werden.“
Nach Angaben der WHO wurden in Afghanistan bei rund 40 Millionen Einwohnern bis Mitte August nur 1,9 Millionen Impfdosen verabreicht. Zwischen 3. Januar und 20. August hat es bei unbekannt hoher Dunkelziffer nachweislich 152.448 COVID-19-Fälle und 7.054 Todesfälle durch das neuartige Coronavirus gegeben.
Haben „Superspreading Events“ die Evolution von SARS-CoV-2 beschleunigt?
Gerade Delta zeigt eine der zentralen Herausforderungen während der Pandemie: Neue Varianten mit erhöhter Kontagiosität und mit Immune Escape machen es schwer, SARS-CoV-2 zu kontrollieren. Wissenschaftler des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) sind zusammen mit Kollegen des Applied Biomedical Science Institute, San Diego, sind jetzt der Frage nachgegangen, welche Faktoren das Auftreten von Mutationen begünstigen.
Grundlage ihrer Arbeit waren Einträge in der US-amerikanischen SARS-CoV-2 Sequenzdatenbank. Die Forscher analysierten Genomdaten von über 62.000 SARS-CoV-2-Isolaten aus 42 US-Bundesstaaten zwischen Januar 2020 und April 2021.
Dabei zeigte sich, dass die „Wuhan-Variante“ bereits im Frühsommer 2020 quasi verschwunden war – und plötzlich 14 Mutationen gefunden wurden. Im 4. Quartal 2020 tauchten etliche Varianten mit Veränderungen im Gen für das Spike-Protein neu auf. Sie waren anfangs nur selten nachzuweisen und sollten eigentlich durch genetische Drifts rasch verschwinden. Genau das Gegenteil war der Fall. Die Varianten gewannen an Bedeutung. Ende 2020 tauchte mit B.1.1.7 (Alpha) die 1. besorgniserregende Variante auf; weitere VOC folgten.
„Wir vermuten, dass eine Abfolge von so genannten „Superspreader Events“ diese Häufungen verursacht hat“, sagt Nina Papavasiliou vom DKFZ. „Dadurch können sich auch seltene Mutationen, die zunächst nur bei weniger als 1% aller Infizierten auftreten, plötzlich stark verbreiten.“
Papavasiliou und Kollegen zufolge sind Enzyme der APOBEC-Gruppe von zentraler Bedeutung. Sie helfen Menschen, virale Infektionen abzuwehren. Pathogene entwickeln ihrerseits Mechanismen, diesen Schutz zu umgehen, indem sie mutieren.
„Die Evolution von SARS-CoV-2 wird weitergehen“, vermutet Papavasiliou. „Um zu verhindern, dass die Welt ständig von immer unerfreulicheren Virusvarianten heimgesucht wird, müssen wir uns weiter vor Infektionen schützen, insbesondere in Innenräumen und in Gegenden mit geringem Impfschutz.“
Einsatz im Altenheim: Hunde erschnüffeln Corona
Durchbruchsinfektionen und die geringe Impfbereitschaft zeigen aber auch, dass Schnelltests immer noch ihre Berechtigung haben. Als Herausforderung bleibt, in kurzer Zeit viele Menschen zu screenen. Deshalb untersuchen Forscher seit mehr als 1 Jahr, ob Spürhunde nach einem speziellen Training SARS-CoV-2 „erschnüffeln“ – mit Erfolg. In einem französischen Altenheim kommt jetzt ein speziell ausgebildeter Golden Retriever zum Einsatz.
Die Idee ist nicht neu. Hunde haben einen extrem ausgeprägten Geruchssinn. Sie können Diabetes, Malaria, verschiedene Krebserkrankungen, aber auch Infektionen erschnüffeln, wie ältere Studien zeigen. Medscape hat darüber berichtet. Möglich wird das durch sogenannte flüchtige organische Verbindungen (VOC, volatile organic compounds). Sie entstehen im Zuge einer Erkrankung durch Änderungen im Stoffwechsel.
Meist werden klassische Spürhunde wie Jagdhunde, Golden Retriever, Belgische oder Deutsche Schäferhunde eingesetzt. Um Infektionen mit SARS-CoV-2 zu erkennen, trainieren sie mit inaktivierten Proben von Infizierten und mit Kontrollproben ohne Infektion.
Prof. Dr. Holger Volk, Direktor der Klinik für Kleintiere der Tierärztlichen Hochschule Hannover, hat Mitte 2020 Zwischenergebnisse einer Studie mit 8 trainierten Hunden veröffentlicht. Sie waren in der Lage, Proben von infizierten und nicht infizierten Personen mit einer durchschnittlichen diagnostischen Sensitivität von 82,63% (95%-Konfidenzintervall: 82,02-83,24 %) und einer Spezifität von 96,35% (95%-KI: 96,31-96,39%) zu unterscheiden. Bei der Präsentation von 1.012 randomisierten Proben erreichten die Hunde eine durchschnittliche Gesamterkennungsrate von 94% mit 157 korrekten Anzeigen von positiven, 792 korrekten Ablehnungen von negativen, 33 falschen Anzeigen von negativen und 30 Fehlern bei positiven Proben.
Trotz dieser vielversprechenden Ergebnisse hat sich beim Einsatz von Spürhunden bislang wenig getan. Durch das französische Projekt könnte mehr Dynamik in die Methode kommen. Was auch dafür spricht: Die Zusatzausbildung eines Corona-Suchhundes kostet zwar 3.500 Euro. Der Betrag amortisiert sich durch eingesparte Tests aber schnell. Und: Im Altenheim werden Nasenabstriche erträglicher, wenn ein Hund mit dabei ist.
Update vom 17. August 2021
Baden-Württemberg verzichtet auf Orientierung an Inzidenz
Island als Warnung: Trotz hoher Impfraten steigende Zahlen
Simulation: Impfstoffe gerecht verteilen – davon profitieren alle
Bell-Lähmung – eine sehr seltene Nebenwirkung von Impfungen
EMA startet Bewertung von RoActemra® bei schwerem COVID-19
Die 7-Tage-Inzidenz steigt weiter an. Am heutigen Morgen nennt das RKI 7,4 Fälle pro 100.000 Einwohner. Der Wert lag am Vortag bei 36,2 und in der Vorwoche bei 23,5. Innerhalb von 24 Stunden haben Gesundheitsämter dem RKI 3.912 Neuinfektionen gemeldet (Vorwoche: 2.480 Ansteckungen). 28 COVID-19-Patienten sind binnen eines Tages gestorben (Vorwoche: 19 Todesfälle).
Bis gestern wurden 57,2% der Gesamtbevölkerung vollständig geimpft; 63,2 % haben mindestens eine Impfdosis erhalten. Diese Zahlen könnten perspektivisch ansteigen: Seit 16. August empfiehlt die STIKO nun Impfungen auch für alle ab einem Alter von 12 Jahren; darüber hat Medscape berichtet.
Baden-Württemberg verzichtet auf Orientierung an Inzidenz
Baden-Württemberg geht ab sofort neue Wege, indem sich die Politik für ihre Maßnahmen nicht mehr an der 7-Tages-Inzidenz orientiert. Aktuell gibt es für Geimpfte oder Genesene nur noch wenige Einschränkungen. Es bleibt bei der Maskenpflicht in Innenräumen. Kontaktbeschränkungen werden aufgehoben und Veranstaltungen mit bis zu 5.000 Teilnehmern können wieder stattfinden.
Wer allerdings nicht geimpft oder genesen ist, muss in vielen Bereichen des öffentlichen Lebens Schnelltests vorlegen, die nicht älter als 24 Stunden sind. Besucher von Clubs und Discos benötigen sogar die vergleichsweise teuren PCR-Tests. Solche Untersuchungen gelten maximal 48 Stunden.
Um – falls erforderlich – über weitere Maßnahmen zu entscheiden, beobachten die Gesundheitspolitiker in Baden-Württemberg nun als weitere Indikatoren neben der 7-Tage-Inziden zusätzlich die Auslastung der Intensivbetten, die Impfquote und die Zahl schwerer Krankheitsverläufe.
Island als Warnung: Trotz hoher Impfraten steigende Zahlen
Doch gelingt es mit Tests und Impfungen tatsächlich, die Pandemie zu kontrollieren? Ist eine „Herdenimmunität“ noch erreichbar? Sir Andrew Pollard, Professor für pädiatrische Infektionen und Immunität an der Universität Oxford, hatte kürzlich klargestellt, dass das Erreichen einer Herdenimmunität nach seiner Ansicht „keine Möglichkeit“ mehr darstellt, jetzt, da sich die Delta-Variante im Umlauf befindet. Es sei „unwahrscheinlich, dass jemals eine Herdenimmunität erreicht wird“, meint er. Die nächste Variante des neuartigen Coronavirus werde sogar „vielleicht noch besser hinsichtlich einer Übertragung in geimpften Populationen“ sein; Medscape hatte darüber berichtet.
Pollards Vermutungen haben sich nicht nur für Israel bewahrheitet. Thorolfur Gudnason, Islands leitender Epidemiologe, hatte ebenfalls auf Herdenimmunität gehofft. Am 26. Juni waren 87% aller Isländer über 16 mindestens einmal und 60% vollständig geimpft. Trotzdem sind die Fallzahlen in Island nach weitgehenden Lockerungen in den letzten Wochen explodiert. Laut Dashboard liegt die 14-Tages-Inzidenz momentan bei 392,4 Fällen pro 100.000 Einwohner. Bis Ende März lag der Wert noch unter 10,0.
Den Trend führt Gudnason darauf zurück, dass sich isländische Urlauber mit der Delta-Variante angesteckt und bei ihrer Rückkehr andere Menschen infiziert haben. Lange Zeit wurde darauf verzichtet, Geimpfte oder Genesene, etwa bei der Reiserückkehr, zu testen. Unter den Infizierten befanden – und befinden – sich allerdings viele Menschen mit entsprechendem Schutz. Jetzt gibt es wieder verpflichtende Tests für alle. Außerdem werden Veranstaltungen auf 200 Teilnehmer beschränkt.
Für Deutschland lassen sich daraus mehrere Lehren ziehen, meinen Experten:
Tests sind für alle Personengruppen wichtig.
Impfdurchbrüche traten in Island unter Vektorvirus-Vakzinen etwas häufiger auf als unter mRNA-Vakzinen. Das könnte bei der Frage helfen, welche Personen mit Priorität eine Auffrischungsimpfung benötigen.
Trotz der hohen Zahl an Impfdurchbrüchen gab es laut Gudnason nur wenige Patienten mit schwerem COVID-19-Verlauf. Impfen lohne sich demnach auch in Zeiten der Delta-Variante.
Simulation: Impfstoffe gerecht verteilen – davon profitieren alle
In vielen Ländern stehen jedoch keine ausreichend großen Mengen an Impfdosen zur Verfügung: eine gefährliche Situation, wie britische Forscher jetzt mahnen. Sie suchen nach Lösungen und haben mathematische Modelle genutzt, um zu ermitteln, wie Impfstoffe am gerechtesten verteilt werden könnten.
Grundlage ihrer Arbeit war ein vereinfachtes Modell, um Reisen zwischen 2 Ländern abzubilden – unter der Annahme, dass Land A Vakzine produziert und verimpft, Land B aber nicht.
Das Ergebnis: Selbst bei einer großen Mobilität der Bevölkerung kann Land A es erreichen, die Zahl der Todesfälle minimieren, indem es den Impfstoff zurückhält und versucht, seine Bevölkerung vollständig zu impfen. Doch wenn das Ziel darin besteht, die Gesamtzahl der Todesfälle in allen beiden Ländern zu minimieren, führt der Verzicht auf den Austausch von Impfstoffen zwischen den Ländern zum Schutz der Bevölkerung von Land A dazu, dass in Land B mehr Menschen sterben als in Land A gerettet werden.
„Für jede Nation, die einen Impfstoff herstellt, besteht der Weg zur Minimierung der Todesfälle … darin, ihn zu behalten und so viele Bürger wie möglich zu impfen“, räumt Dr. Chris Huntingford vom UK Centre for Ecology & Hydrology (UKCEH) ein. Er ist Hauptautor der Studie. Huntingford weiter: „Wenn sich das Land jedoch der Herdenimmunität annähert, können durch die gemeinsame Nutzung von Impfstoffen mit anderen Ländern insgesamt mehr Leben gerettet werden.“
Bell-Lähmung – eine sehr seltene Nebenwirkung von Impfungen
Bedeutsam ist natürlich auch, unerwünschte Effekte der Impfungen möglichst präzise zu erfassen. Aus klinischen Studien ist bekannt, dass vereinzelt sogenannte Bell-Lähmungen auftreten können, sprich idiopathische Fazialisparesen. Eine Hypothese lautet, dass diese durch Autoimmunreaktionen entstehen. Daten zur Inzidenz aus bevölkerungsbasierten Studien gab es bislang aber nicht: eine Lücke, die Forscher aus China jetzt geschlossen haben.
Für ihrer Fall-Kontroll-Studie wurden Daten aus Überwachungsberichten der Krankenhausbehörde Hong Kongs, des Online-Meldesystems für Impfstoff-Nebenwirkungen COVID-19 für alle Angehörigen der Gesundheitsberufe und der flächendeckenden elektronischen Gesundheitsakten der Krankenhausbehörde Hong Kongs ausgewertet. Die Forscher erfassten Bell-Lähmungen bis zu 42 Tagen nach einer Impfung mit BNT162b2 (Fosun-BioNTech, entspricht Pfizer/BioNTech]) oder CoronaVac (Sinovac BioNTech). Außerdem verglichen Wissenschaftler die Fallzahlen mit der Hintergrund-Inzidenz in der Bevölkerung.
Zwischen 23. Februar und 4. Mai 2021 erhielten 451.939 Personen die 1. Dosis CoronaVac und 537.205 Personen die 1. Dosis BNT162b2. Nach der CoronaVac-Impfung wurden 28 klinisch bestätigte Fälle von Bell-Lähmungen gemeldet, nach der BNT162b2-Impfung 16 Fälle. Die altersstandardisierte Inzidenz betrug 66,9 Fälle pro 100.000 Personenjahre (95%-KI 37,2 bis 96,6 Fälle) nach der CoronaVac-Impfung und 42,8 Fälle pro 100.000 Personenjahre (95%-KI 19,4 bis 66,1 Fälle) nach der BNT162b2-Impfung.
Die altersstandardisierte Differenz im Vergleich zur Hintergrundinzidenz lag bei 41,5 Fällen pro 100.000 Personenjahre (95%-KI 11,7 bis 71,4 Fälle) für CoronaVac. Für BNT162b2 geben die Forscher 17,0 Fälle pro 100.000 Personenjahre (95%-KI -6,6 bis 40,6 Fälle) an. Rein rechnerisch führen Vakzine zu weiteren 4,8 Fällen pro 100.000 Geimpfte für CoronaVac und zu weiteren 2,0 Fällen pro 100.000 Geimpfte für BNT162b2.
„Unsere Ergebnisse deuten auf ein insgesamt erhöhtes Risiko einer Bell-Lähmung nach der CoronaVac-Impfung hin“, resümiert das Forscherteam. „Die positiven und schützenden Wirkungen des inaktivierten COVID-19-Impfstoffs überwiegen jedoch bei weitem das Risiko dieser im Allgemeinen selbstlimitierenden unerwünschten Wirkung.“
EMA startet Bewertung von RoActemra bei schwerem COVID-19
Von der Prävention zur Therapie. Die EMA hat mit der Bewertung von RoActemra® (Tocilizumab) begonnen, um zu klären, ob eine Ausweitung der Zulassung auf stationäre Patienten mit schwerer COVID-19 angebracht ist, die bereits mit Kortikosteroiden behandelt werden und zusätzlichen Sauerstoff oder mechanische Beatmung (maschinelle Beatmung) benötigen.
Tocilizumab ist ein humanisierter monoklonaler Antikörper, der sich gegen den Interleukin-6(IL-6)-Rezeptor richtet. Er wird u.a. zur Behandlung der rheumatoiden Arthritis, der systemischen juvenilen idiopathischen Arthritis und der Riesenzellarteriitis verordnet. Perspektivisch könnte Tocilizumab auch inflammatorische Vorgänge bei COVID-19 eindämmen.
Der Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP) der EMA wird jetzt alle Daten aus dem Zulassungsantrag prüfen. Dazu zählen u.a. 4 große randomisierte Studien mit Patienten, die aufgrund von schwerem COVID-19 hospitalisiert worden sind. Ergebnisse der Bewertung sollen bis Mitte Oktober vorliegen.
Update vom 12. August 2021
DIVI fordert Umfrage zu Impfquoten
Laborstudie: Auch Genesene benötigen 2 Dosen von mRNA-Vakzinen
Angst und Depression bei Kindern doppelt so häufig wie vor der Pandemie
Israel: Neuer Lockdown und 3. Impfung für alle über 40
Zahlen zum Myokarditis-Risiko bei ungeimpften infizierten Männern: 6-mal höher
Nebeneffekte des Lockdowns: Keine RSV-Viren in Modellregionen
USA: Höhere COVID-19-Inzidenz in Gefängnissen
Wie das Robert Koch-Institut berichtet, steigt die 7-Tages-Inzidenz weiter an – auf nunmehr 27,6 Fälle pro 100.000 Einwohner. Vor einer Woche lag der Wert noch bei 19,4. Gesundheitsämter haben in den letzten 24 Stunden 5.638 Neuinfektionen gemeldet (Vorwoche: 3.539). Innerhalb eines Tages sind 17 Patienten an COVID-19 gestorben (Vorwoche: 26). Auch die Impfungen bereiten Politikern Kopfzerbrechen. Nur 55,6 % der Gesamtbevölkerung wurden vollständig geimpft, und 62,7 % haben mindestens 1 Dosis erhalten. Doch stimmen diese Zahlen?
DIVI fordert Umfrage zu Impfquoten
Ärzte haben Zweifel an den offiziellen Meldungen. Denn laut RKI könnten bereits mehr Menschen geimpft sein als erfasst. Nicht immer gelangen Angaben in die offizielle Statistik.
„Das Impfen ist der entscheidende Erfolgsfaktor der Pandemie“, erklärte Prof. Dr. Gernot Marx, Präsident der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI), gegenüber Medien. „Wir müssen alles dafür tun, das Vertrauen in die Impfkampagne zu stärken.“
Deshalb sei es wichtig, die vom Robert Koch-Institut berichtete Differenz zwischen offiziellen Meldezahlen und Umfrageangaben bei der Impfquote der unter 60-Jährigen schnell durch eine unabhängige, repräsentative Umfrage zu prüfen. „Verlässliche Zahlen sind die Basis für die Akzeptanz der Corona-Maßnahmen“, so Marx weiter. „Sollte die Impfquote in der Gruppe der 18- bis 59-jährigen tatsächlich viel höher liegen als gemeldet, hätten wir gerade mit Blick auf den Herbst eine viel entspanntere Lage.“ Es geht darum, sich auf den Herbst und den Winter bestmöglich vorzubereiten.
Angst und Depression bei Kindern doppelt so häufig wie vor der Pandemie
Auch Kinder und Jugendliche gehören zu den Leidtragenden der Pandemie. Dass sie Lockdowns, Homeschoolings und fehlende Möglichkeiten, Freunde zu treffen, stark belasten, liegt nahe. Doch wie hoch ist die globale Prävalenz von klinisch erhöhten Angst- und Depressionssymptomen bei Kindern und Jugendlichen während der COVID-19-Studie? Dieser Frage sind Wissenschaftler jetzt nachgegangen.
Sie haben in den Datenbanken PsycInfo, Embase, MEDLINE und Cochrane Central Register of Controlled Trials nach geeigneten Quellen recherchiert, und zwar zwischen dem 1. Januar 2020 und dem 16. Februar 2021. Hinzu kamen Preprints aus PsycArXiv. Studien wurden berücksichtigt, wenn sie in englischer Sprache veröffentlicht worden waren, über quantitative Daten verfügten und über die Prävalenz klinisch erhöhter Depressionen oder Ängste bei Jugendlichen (Alter ≤ 18 Jahre) berichteten.
29 Studien mit 80.879 Teilnehmern erfüllten die Einschlusskriterien. Die gepoolte, geschätzte Prävalenz für Depressions- und Angstsymptome lag bei 25,2% (95%-KI 21,2%-29,7%) bzw. 20,5% (95%-KI 17,2%-24,4 %). Detailanalysen ergaben, dass die Prävalenz klinisch erhöhter Depressions- und Angstsymptome in Studien, die zu einem späteren Zeitpunkt während der Pandemie erhoben worden waren, höher lag als bei Studien, die zu Beginn von SARS-CoV-2 durchgeführt worden waren. Generell hatten ältere Kinder eher Beschwerden als jüngere und Mädchen eher als Jungen.
„Gepoolte Schätzungen aus dem ersten Jahr der COVID-19-Pandemie deuten darauf hin, dass weltweit 1 von 4 Jugendlichen klinisch erhöhte depressive Symptome aufweist, während 1 von 5 Jugendlichen klinisch erhöhte Angstsymptome zeigt“, heißt es in der Zusammenfassung. Die Prävalenzen seien doppelt so hoch wie vor der Pandemie.
„Wir rechnen mit einem Anstieg der Inanspruchnahme psychiatrischer Behandlungen, und ausreichende Ressourcen für die Behandlung von Kindern und Jugendlichen werden von entscheidender Bedeutung sein“, geben sie zu bedenken.
Israel: Neuer Lockdown und 3. Impfung für alle über 40
Andere Länder sind schon mitten in der Planung für den Herbst. In Israel ist die Zahl der Krankenhausaufenthalte aufgrund von COVID-19 rapide angestiegen, obwohl ein Großteil der Bürger geimpft worden ist; Medscape hat darüber berichtet. Politiker erwägen jetzt einen 4. Lockdown im September, während der jüdischen Feiertage. Die Entscheidung werde vor allem von der Wirkung der 3. Dosis des Impfstoffs abhängen, die bald alle Menschen über 40 bekämen, erklärte Prof. Dr. Cyrille Cohen von der Bar-Ilan-Universität, Tel Aviv.
Ende Juli hat die Regierung eine Kampagne zur Verabreichung einer Auffrischungsimpfung, gestartet; erst einmal für Personen über 60, die zu Beginn der Impfkampagne 2 Dosen erhalten hatten. Die Initiative lief gut an. „Innerhalb weniger Tage erhielten mehr als 250.000 Menschen eine dritte Dosis“, sagt Cohen. In der Altersgruppe befänden sich insgesamt 1,5 Millionen Menschen.
Israel ist ein Vorreiter bei der Umsetzung dieser Strategie der 3. Dosis, um die Immunität der am meisten gefährdeten Menschen zu stärken. Eine kürzlich durchgeführte Umfrage zeigt, dass 72% der über 60-Jährigen, die bereits 2 Dosen erhalten haben, zu einer weiteren Impfung bereit wären.
Cohen betont, dies sei dringend erforderlich. Trotz einer Durchimpfungsrate von über 60% in der Allgemeinbevölkerung steigt die Inzidenz der Infektionen stetig an. Anfang August wurden täglich mehr als 3.000 neue Fälle registriert. Darüber hinaus nimmt auch die Häufigkeit schwerer Verläufe zu. „Innerhalb von 2 Wochen sind die Zahlen von 20 auf 50 Patienten angestiegen, die auf die Intensivstation eingeliefert und künstlich beatmet wurden“, so der Experte. Während im Juni insgesamt 7 Patienten an COVID-19 starben, gab es im Juli 50 Todesfälle. Anfang August starben 30 Patienten innerhalb von 4 Tagen.
Laborstudie: Auch Genesene benötigen 2 Dosen von mRNA-Vakzine
Aus wissenschaftlicher Sicht macht die Strategie, allen Menschen Auffrischungsimpfungen zu verabreichen, Sinn. Das haben Forscher jetzt mit einer kleinen Pilotstudie gezeigt.
Eingeschlossen wurden 20 Personen mit und 25 Personen ohne labordiagnostisch bestätigte frühere SARS-CoV-2-Infektion aus einer großen Kohorte von Beschäftigten des Gesundheitswesens. Von ihnen gab es seit April 2020 serologische Daten. Alle 45 Personen hatten 2 Dosen des Impfstoffs BTN162b2 von Pfizer/BioNTech erhalten. Absolute und neutralisierende Antikörper-Titer gegen den Wildtyp von SARS-CoV-2 und gegen Varianten wurden mit Enzym-Immunoassays und Pseudotyp-Neutralisierungstests gemessen.
Genesene zeigten bereits nach der 1. Dosis eine gute Antikörperantwort gegen den Wildtyp; diese verbesserte sich durch eine weitere Dosis kaum. Probanden ohne früheren Kontakt mit SARS-CoV-2 benötigten beide Impfdosen für einen ausreichenden Immunschutz. Das ist nicht neu.
Interessanter ist, dass die Immunantwort gegen die Beta- und Gamma-Variante nach 1 Impfung nur schwach ausfiel. Selbst Genesene erreichten nur geringe Titer von neutralisierenden Antikörpern. Die 2. Dosis verstärkte die Antikörperreaktion bei allen Probanden jedoch stark. Titer erreichten ein Niveau wie gegen den Wildtyp.
Zwar handelt es sich nur um eine Laborstudie. Sie zeigt aber, dass selbst ein Vakzin, dass gegen den Wildtyp entwickelt worden war, vor Beta und Gamma schützt. Aber: Delta war nicht Teil der Studie.
Zahlen zum Myokarditis-Risiko bei ungeimpften infizierten Männern: 6-mal höher
Nicht nur die Wirkung, sondern auch unerwünschte Effekte sind Thema vieler Studien. Die europäische Arzneimittelagentur EMA erfasst regelmäßig Daten zu Myokarditiden und zu anderen Nebenwirkungen. Doch eine Frage war bislang offen: Wie häufig sind Myokarditiden bei Ungeimpften, die an COVID-19 erkranken? Jetzt wurden Zahlen als Preprint veröffentlicht.
Grundlage ihrer Arbeit war ein Datensatz wurde aus dem TriNetX-Forschungsnetzwerk, das elektronische Gesundheitsakten von 48 US-Gesundheitsorganisationen umfasst. Die Wissenschaftler definierten als Einschlusskriterien COVID-19-Diagnosen im Zeitraum zwischen dem 1. April 2020 und dem 31. März 2021 und 2 ambulante Arzttermine vor der Diagnose, um kardiovaskulären Vorerkrankungen auszuschließen.
Die Analyse wurde nach Geschlecht und Alter (12-17, 12-15, 16-19 Jahre) durchgeführt. Zu den Ergebnissen:
Männer: In der Subgruppe aller 12-17-Jährigen entwickelten 6/6.846 (0,09%) Patienten eine Myokarditis, was einer Rate von 876 Fällen pro Million entspricht. Bei den 12-15- und 16-19-Jährigen geben die Autoren als Raten pro Million 601 bzw. 561 Fälle an.
Frauen: Bei den 12-17-Jährigen gab es 3 Fälle mit Myokarditis bei 7.361 Probandinnen. Die Rate betrug 213 pro Million Fälle. Für die Kohorten der 12- bis 15-Jährigen und 16- bis 19-Jährigen lagen die Raten pro Million Fälle bei 235 und 708 Fällen.
Medien, vor allem Laienmedien, berichten recht umfassend zu Myokarditiden in Zusammenhang mit Impfungen, was dazu führt, dass sich Menschen im Zweifelsfall gegen Vakzine entscheiden. Die Autoren geben jedoch zu bedenken: „Bei jungen Männern, die mit dem Virus infiziert sind, ist die Wahrscheinlichkeit, eine Myokarditis zu entwickeln, bis zu sechsmal höher als bei geimpften Männern.“
Nebeneffekte des Lockdowns: Keine RSV-Viren in Modellregionen
Neben Impfungen ist – und bleibt – die „AHA+L“-Regel von Bedeutung. Sie hat dazu beigetragen, dass es während der Saison 2020/2021 praktisch kaum Infektionen mit dem respiratorischen Synzytialvirus (RSV) bei Kindern gegeben hat.
Während der Herbst-Winter-Saisons 2017/18 und 2019/20 wurden insgesamt 400 Kinder im Alter von 0 bis 24 Monaten in den Modellregionen Hannover und Oldenburg aufgrund einer RSV-Infektion stationär behandelt.
Zwischen den Wochen 41/2020 und 15/2021 wurden 250 Kinder unter 2 Jahren aufgrund des Verdachts gescreent. Von ihnen hatten 12 Symptome entsprechend der Falldefinition, aber andere Infektionen (n=2 Adenovirus, n=2 Rhinovirus/Enterovirus). Bei keinem Kind wurde eine Infektion mit dem RSV nachgewiesen. Das heißt: Die RSV-Saison ist zumindest in den Modellregionen komplett ausgeblieben, den Corona-Regeln sei Dank.
USA: Höhere COVID-19-Inzidenz in Gefängnissen
Abstandsregeln können nicht immer eingehalten werden – vor allem der Strafvollzug gilt als problematisch. Forscher berichten jetzt, dass Insassen von Gefängnissen ein deutlich höheres Infektionsrisiko haben. Das geht aus einer Längsschnittstudie mit allen inhaftierten Personen in 14 staatlichen Gefängnissen von Massachusetts hervor. Daten wurden zwischen dem 21. April 2020 und dem 11. Januar 2021 erfasst.
Während des Studienzeitraums waren durchschnittlich 6.876 Personen inhaftiert. Der mittlere Grad der Überbelegung der Gefängnisse lag zwischen 25% und 155%, gemessen an der offiziellen Kapazität. Die Autoren banden heraus:
Die COVID-19-Inzidenz war in Gefängnissen mit Überbelegung signifikant höher (Inzidenzratenverhältnis [IRR] pro 10 Prozentpunkte Überbelegung 1,14; 95%-KI 1,03-1,27).
Die COVID-19-Inzidenz war in Gefängnissen geringer, in denen ein höherer Anteil der Inhaftierten in Einzelzellen untergebracht wurden (IRR für jeden 10-Prozent-Punkt-Anstieg bei Einzelzellen 0,82; 95% CI, 0,73-0,93).
Die COVID-19-Übertragung im umliegenden Bezirk war durchgängig mit der COVID-19-Inzidenz in den Gefängnissen assoziiert (IRR für jeden Anstieg von 10 Fällen pro 100.000 Personen pro Woche in der Umgebung 1,06; 95%-KI 1,05-1,08).
Bleibt als Resümee: „Forscher und politische Entscheidungsträger sollten Strategien zur Verringerung der Überbelegung von Gefängnissen, wie z. B. die Entlassung aus dem Strafvollzug, als mögliche Wege zur Verringerung der COVID-19-Morbidität und -Mortalität bei inhaftierten Personen untersuchen“, fordern die Autoren.
Update vom 9. August 2021
Weniger Impfungen, mehr Verfall
Comirnaty®: Guter Schutz auch nach 6 Monaten
GKV-Daten: Jeder 4. Patient mit COVID-19 wird erneut hospitalisiert
Neuer Vakzin-Typ: Inaktivierte COVID-19-Impfstoffe – gute Wirksamkeit in Phase-3-Studie
Ivermectin gegen leichte COVID-19-Symptome: Kein Nutzen nachweisbar
Verschieden Beatmungsstrategien im Vergleich: CRAP im Vorteil
Wie das RKI berichtet, steigt die bundesweite 7-Tages-Inzidenz weiter an – auf 23,1 Fälle pro 100.000 Einwohner. Vor 1 Woche lag der Wert noch bei 17,8. Innerhalb der letzen 24 Stunden haben Gesundheitsämter 1.183 neue Infektionen mit SARS-CoV-2 gemeldet (Vorwoche 847), und 2 Patienten sind in Zusammenhang mit COVID-19 gestorben (Vorwoche 1). Am Dienstag plant Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), mit Regierungschefs der Bundesländer die aktuelle Lage zu erörtern.
Weniger Impfungen, mehr Verfall
Impfungen werden dabei mit großer Wahrscheinlichkeit auf der Agenda stehen. Bundesweit wurden mittlerweile 54,5% der Gesamtbevölkerung vollständig geimpft; 62,3 % haben mindestens 1 Impfdosis erhalten. Pro Tag werden bundesweit immer weniger Dosen appliziert, trotz freier Arzttermine und trotz der Verfügbarkeit von Vakzinen. Die Impfkampagne gerät bundesweit ins Stocken.
Recherchen von NDR und WDR zeigen das wahre Ausmaß des Schadens. Bundesweit sollen seit Beginn der Pandemie um die hunderttausend Dosen entsorgt worden sein, etwa 53.000 in Bayern, 5.500 in Rheinland-Pfalz, 6.000 im Saarland, 9.700 in Sachsen, 3.100 in Schleswig-Holstein und 2.700 in Bremen. Die Zahlen kommen aus Impfzentren. Welche Mengen Arztpraxen wegwerfen mussten, ist unklar. Hinzu kommt: Pro Land sind zehntausende Dosen an den Bund zurückgegangen. Sie sollen anderen Nationen zugutekommen.
Einige Bundesländer, etwa Hamburg, versuchen jetzt, mit niedrigschwelligen Angeboten weitere Bürger zu erreichen. Sie setzen beispielsweise auf eine „lange Nacht des Impfens“ oder bauen Impfstationen an verkaufsoffenen Sonntagen in Einkaufszentren auf.
Politisch bleibt als Frage offen, ob es zu Nachteilen für nicht Geimpfte kommen wird. Das Thema ist politisch umstritten.
Comirnaty®: Guter Schutz auch nach 6 Monaten
Auf dem Preprint-Server MedRxiv haben Forscher kürzlich weitere Daten zur Wirksamkeit von Comirnaty® (BioNTech/Pfizer) veröffentlicht.
In einer laufenden Placebo-kontrollierten, verblindeten, multinationalen Wirksamkeitsstudie wurden 44.165 Teilnehmer ab 16 Jahren und 2.264 Personen zwischen 12 und 15 Jahren randomisiert. Sie erhielten im Abstand von 21 Tagen 2 Dosen BNT162b2 oder Placebo. Das Vakzin erwies sich auch 6 Monate nach der Impfung als sicher und gut verträglich.
Die Effektivität gegen COVID-19 bei Personen mit oder ohne frühere SARS-CoV-2-Infektion lag gemittelt bei 91% (95%-KI 89,0% bis 93,2%).
Die Effektivität gegen schwere Erkrankungen betrug 97% (95%-KI 80,3% bis 99,9%).
In Südafrika, wo die besorgniserregende SARS-CoV-2-Variante B.1.351 (Beta) vorherrschend war, lag die Effektivität bei von 100 % (95 % -KI 53,5% bis 100,0%) beobachtet.
Nach einem Follow-Up von bis zu 6 Monaten wies BNT162b2 trotz einer allmählich abnehmenden Tendenz der Impfstoffwirksamkeit ein günstiges Sicherheitsprofil auf und war bei der Prävention von COVID-19 hochwirksam“, so das Fazit der Autoren.
Zum Vergleich: Bis zu 2 Monate nach der 2. Dosis lag die Wirksamkeit noch bei 96,2% (95%-KI 93,3% bis 98,1%). Im Zeitraum von 2 Monaten bis 4 Monaten fiel sie dann auf 90,1% (95%-KI 86,6 bis 92,9). Nach dem 4. Monat waren es 83,7% (95%-KI 74,7 % bis 89,9 %).
GKV-Daten: Jeder 4. Patient mit COVID-19 wird erneut hospitalisiert
Zwar ist die Gesamtmortalität durch COVID-19 mit rund 2% in Deutschland gering. Über Details in Bezug auf Sterblichkeit oder erneute stationäre Behandlungen ist jedoch weniger bekannt.
Diese Lücke schließt eine Beobachtungsstudie mit Leistungsdaten deutscher Krankenkassen. Eingeschlossen wurden erwachsene Patienten, die zwischen dem 1. Februar und dem 30. April 2020 mit PCR-bestätigtem COVID-19 und einer verwandten Hauptdiagnose hospitalisiert wurden und von denen alle erforderlichen Daten verfügbar waren.
Von 8.679 Patienten (Durchschnittsalter 72 Jahre) starben 2.161 (24,9%) während des Krankenhausaufenthalts. Die 30-Tage-Gesamtmortalitätsrate lag bei 23,9% (2.073/8.679), die 90-Tage-Mortalität bei 27,9 % (2.425/8.679) und die 180-Tage-Mortalität bei 29,6% (2.566/8.679).
In der Subgruppe aller Patienten ab 80 Jahren wurde eine 180-Tage-Mortalität von 52,3% (1.472/2.817) erfasst, falls Patienten nicht invasiv beatmet wurden. Unter mechanischer Beatmung stieg der Wert auf 53,0%.
Zu den Risikofaktoren für die 180-Tage-Gesamtmortalität gehörten Koagulopathien, ein BMI ab 40 und das Alter, während das weibliche Geschlecht neben einer geringeren Prävalenz von Komorbiditäten ein Schutzfaktor war.
Von 6.235 Patienten, die lebend entlassen wurden, mussten 1668 innerhalb von 180 Tagen erneut ein Krankenhaus aufsuchen, teilweise mehrmals (2.551 erneute Einweisungen), was einer Rate von 26,8% entspricht.
„Die 180-Tage-Nachbeobachtungsdaten von hospitalisierten COVID-19-Patienten in einer bundesweiten Kohorte, die fast ein Drittel der deutschen Bevölkerung repräsentiert, zeigen signifikante langfristige Gesamtmortalitäts- und Wiederaufnahmeraten, insbesondere bei Patienten mit Koagulopathie, während Frauen im Vergleich zu Männern ein deutlich besseres und langfristiges klinisches Ergebnis aufweisen“, fassen die Autoren zusammen.
Neuer Vakzin-Typ: Inaktivierte COVID-19-Impfstoffe – gute Wirksamkeit in Phase-3-Studie
Obwohl wirksame mRNA- oder Vektorvirus-Vakzine gegen COVID-19 gibt, werden noch weitere Impfstoffe benötigt. Der weltweite Bedarf ist groß; viele Länder Afrikas oder Südamerikas benötigen große Mengen. Forscher haben jetzt die Wirksamkeit und unerwünschte Wirkungen von 2 Vakzinen mit inaktivierten SARS-CoV-2-Viren untersucht.
Teilnehmern für eine Phase-3-Studie wurden ab dem 16. Juli 2020 rekrutiert. Die für die Zwischenanalyse der Wirksamkeit und der unerwünschten Ereignisse verwendeten Datensätze wurden am 20. Dezember 2020 bzw. am 31. Dezember 2020 generiert.
Alle Probanden erhielten randomisiert Vakzine mit den inaktivierten Stämmen WIV04 (5 µg/Dosis; n=13.459) bzw. HB02 (4 µg/Dosis; n=13 465) oder Aluminiumsalze in Lösung als Placebo (n=13.458): jeweils 2 intramuskuläre Injektionen im Abstand von 21 Tagen.
Die Auswertung umfasste Daten von 38.206 Probanden (94,6%), die 2 Dosen bekommen hatten und bei denen bis zum Daten-Cut-off mindestens 14 Tage vergangen waren.
Während einer medianen Nachbeobachtungsdauer von 77 Tagen trat symptomatisches COVID-19 bei 26 Teilnehmern in der WIV04-Gruppe, 21 in der HB02-Gruppe und 95 in der Kontrollgruppe auf. Daraus ergibt sich im Vergleich zu Placebo eine Wirksamkeit von 72,8% (95%-KI 58,1% bis 82,4 %) für WIV04 und 78,1 % (95%-KI 64,8% bis 86,3 %) für HB02.
2 Fälle mit schwerem COVID-19 wurden in der Kontrollgruppe erfasst, aber keiner in den Impfgruppen. Unerwünschte Reaktionen traten im Laufe von 7 Tagen nach jeder Injektion bei 41,7% bis 46,5% der Teilnehmer in den 3 Gruppen auf; schwerwiegende unerwünschte Ereignisse waren selten und in den drei Gruppen ähnlich wahrscheinlich (WIV04: 64 [0,5%]; HB02: 59 [0,4%]; nur Aluminiumsalze: 78 [0,6%]).
Ivermectin bei leichtem COVID-19: Kein Nutzen nachweisbar
Von der Prävention zur Therapie: Ärzte versuchen, leichtes COVID-19 teilweise mit Ivermectin, einem Medikament gegen Parasiten, zu behandeln, doch welchen klinischen Nutzen zeigt diese Therapie wirklich? Ergebnisse einer Studie sorgen jetzt für mehr Evidenz.
Insgesamt wurden zwischen dem 15. Juli und dem 30. November 2020 genau 476 erwachsene Patienten mit leichter Erkrankung und Symptomen für 7 Tage oder weniger in die Studie aufgenommen und bis zum 21. Dezember 2020 nachbeobachtet. Sie erhielten randomisiert Ivermectin (300 μg/kg Körpergewicht pro Tag für 5 Tage; n=200) oder Placebo (n = 200). Das mittlere Alter lag bei 37 Jahre. In der Kohorte waren 231 Frauen (58%). 398 Patienten (99,5%) schlossen die Studie ab.
Als mediane Zeit bis zum Verschwinden der Symptome nennen die Autoren 10 Tage in der Ivermectin-Gruppe im Vergleich zu 12 Tagen in der Placebo-Gruppe (Hazard Ratio 1,07; 95%-KI 0,87 bis 1,32).
Am 21. Tag waren die Symptome bei 82% in der Ivermectin-Gruppe und 79% in der Placebo-Gruppe verschwunden. Kopfschmerzen traten als häufigstes unerwünschtes Ereignis bei 104 Patienten (52%), die Ivermectin erhielten, und 111 Patienten (56%), die Placebo bekamen, auf. In beiden Gruppen kam es bei je 2 Patienten zu Multiorganversagen.
„Bei Erwachsenen mit leichter COVID-19 führte eine 5-tägige Behandlung mit Ivermectin im Vergleich zu Placebo nicht zu einer signifikanten Verbesserung der Zeit bis zum Abklingen der Symptome“, resümieren die Autoren. „Die Ergebnisse sprechen nicht für den Einsatz von Ivermectin …, obwohl größere Studien erforderlich sein könnten, um Effekte … auf andere klinisch relevante Ergebnisse zu verstehen.“
Verschieden Beatmungsstrategien im Vergleich: CRAP im Vorteil
Noch ein Blick auf schweres COVID-19. Initial setzen Ärzte auf Nasensonden oder – sollte dies nicht ausreichen – auf eine CPAP-Beatmung (continuous positive airway pressure) bzw. auf eine nasale High-Flow-Therapie (HFNO), um die Versorgung mit Sauerstoff zu verbessern. Doch welchen klinischen Nutzen bringen unterschiedliche Verfahren? Ergebnisse einer Studie liegen jetzt als Preprint vor.
Aufgenommen wurden erwachsene, stationäre Patienten mit akutem Atemversagen aufgrund von COVID-19. Sie erhielten nach dem Zufallsprinzip einer CPAP-, HFNO- oder eine herkömmliche Sauerstofftherapie zugewiesen. Das primäre Ergebnis war eine Kombination aus trachealer Intubation oder Sterblichkeit innerhalb von 30 Tagen.
Über einen Zeitraum von 13 Monaten wurden 1.272 Teilnehmer randomisiert und in die Analyse einbezogen: 380 (29,9%) erhielten CPAP, 417 (32,8%) HFNO und 475 (37,3%) eine konventionelle Sauerstofftherapie.
Die Notwendigkeit einer trachealen Intubation bzw. die Mortalität waren in der CPAP-Gruppe geringer (CPAP 137 von 377 Teilnehmern (36,3%) gegenüber konventioneller Sauerstofftherapie 158 von 356 Teilnehmern (44,4%); Odds Ratio 0,72; 95 %-KI 0,53 bis 0,96). Es gab keinen Unterschied zwischen HFNO und konventioneller Sauerstofftherapie (HFNO 184 von 414 Teilnehmern (44,4%) versus konventionelle Sauerstofftherapie 166 von 368 Teilnehmern (45,1%); OR-0,97; 95 % KI 0,73 bis 1,29).
„CPAP verringerte im Vergleich zur konventionellen Sauerstofftherapie das zusammengesetzte Ergebnis von Intubation oder Tod innerhalb von 30 Tagen nach Randomisierung bei hospitalisierten Erwachsenen mit akutem Atemversagen aufgrund von COVID-19“, heißt es als Resümee. „Bei der Verwendung von HFNO wurde im Vergleich zur konventionellen Sauerstofftherapie kein Effekt beobachtet.“
Update vom 9. August 2021
Wie gefährlich ist die Lambda-Variante? Forscher warnen vor Immune Escape
Wer braucht wirklich eine Booster-Impfung?
Industrie: Vakzine werden teurer
Schweres COVID-19: bald genetische Biomarker?
Therapie: Tofacitinib bei Patienten mit COVID-19 und Pneumonie
SARS-CoV-2-Infektion: Kinder erholen sich nach 6 Tagen
Mortalität in Deutschland geringer als in den meisten Vergleichsländern
USA erreicht Meilenstein bei Impfungen
Gesundheitsämter haben dem RKI innerhalb der letzten 24 Stunden 3.539 Neuinfektionen gemeldet. Vor 1 Woche waren es 3.142 Fälle. Innerhalb des letzten Tages sind 26 COVID-19-Patienten gestorben (Vorwoche: 21 Todesfälle). Die 7-Tages-Inzidenz liegt aktuell bei 19,4 (Vorwoche: 16,0).
Wie gefährlich ist die Lambda-Variante? Forscher warnen vor Immune Escape
Die Lambda-Variante, die zuerst in Peru entdeckt wurde und sich nun in Südamerika ausbreitet, ist hochinfektiös und resistenter gegen Impfstoffe als die ursprüngliche Version des Virus, wie japanische Forscher festgestellt haben. Ergebnisse ihrer Studie wurden bislang nur als Preprint veröffentlicht.
Anhand von Laborexperimenten fanden sie heraus, dass 3 Mutationen im Lambda-Spike-Protein, nämlich RSYLTPGD246-253N, 260 L452Q und F490S, dazu beitragen könnten, dass das Virus nicht durch impfstoffinduzierte Antikörper neutralisiert wird. 2 weitere Mutationen, T76I und L452Q, machen Lambda hochgradig infektiös.
Forscher wissen mittlerweile, dass 3 Faktoren die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass sich ein impfstoffresistenter Stamm durchsetzt:
langsame Durchimpfungsraten
viele Infektionen
schnellere Mutationsrate
Die Autoren des Preprints warnen, dass Lambda von der Weltgesundheitsorganisation als „Variante von Interesse“ (variant of interest), aber nicht als „besorgniserregende Variante“ (variant of concern) eingestuft wird und Menschen möglicherweise nicht erkennen, dass es eine ernsthafte, anhaltende Gefahr darstellt. Wie gefährlich die Lambda-Variante im Vergleich zur Delta-Variante ist, ist derzeit unklar.
Maria van Kerkhove, Epidemiologin bei der WHO, sagt, die Lambda-Variante gehe „nicht wirklich hoch, selbst in Peru nicht, wo die Variante zuerst entdeckt wurde“. Sie sei bislang in 40 Ländern nachgewiesen worden.
Die Daten aus Japan würden derzeit überinterpretiert, erklärt Prof. Dr. Carsten Watzl von der Deutschen Gesellschaft für Immunologie. Man sehe nur, dass Lambda in Labor-Versuchen etwas ansteckender sei als das ursprüngliche Virus, aber nicht ansteckender als die Delta-Variante, die in Deutschland derzeit vorherrschend sei. Dennoch reißen Diskussionen um Auffrischungsimpfungen nicht ab.
Wer braucht wirklich eine Booster-Impfung?
Über die Frage, wer von Auffrischungsimpfungen profitieren könnte, diskutierten Experten bei einem Press Briefing des Science Media Center Germany. Hintergrund sind Berichte über Durchbruchsinfektionen, etwa aus Israel.
Dr. Christine Dahlke vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf verweist auf Erfahrungen mit dem MERS-Coronavirus. „Hier gibt es mehr Daten, und es wurden bereits klinische Studien durchgeführt“, berichtet sie. Bei Probanden seien Antikörper-Titer nach der Impfung wieder abgefallen, nach einer Auffrischung aber angestiegen und auf höherem Niveau geblieben – für längere Zeit. „Das Prinzip des Boosterns ist auch von anderen Impfungen her bekannt“, so die Expertin. Die Bildung von Plasmazellen würde eben erst ab einer Zeit induziert; das sei ein normaler Vorgang, so ihre Erklärung.
Mit der Bildung von T-Zellen nach der Gabe von mRNA-Vakzinen hat sich Dr. Maike Hofmann vom Universitätsklinikum Freiburg befasst. „Wir sehen, dass die T-Zellen sehr früh nach der 1- Impfung induziert werden und im Blut nachweisbar sind“, berichtet sie. Diese T-Zellen seien bereits voll funktional. Hofmann: „Wir sehen nach der 2. Impfung einen Anstieg des Titers, bald darauf aber eine leichte Abnahme.“ Hofmann untersuchte Proben bis zu 4 Monate nach der 2. Impfung. Prognosen zur Langlebigkeit seien noch nicht möglich. „Was wir aber schon sagen können, ist, dass sich dann Zellen ausbilden, die klassische Charakteristika von Gedächtniszellen haben“, sagt die Expertin.
„Wir haben recht früh bemerkt, dass es Gruppen gibt, die auf konventionelle Impfungen recht schwach reagieren“, so Prof. Dr. Leif Erik Sander von der Charité – Universitätsmedizin Berlin. Das seien Patienten mit Organtransplantationen bzw. hochgradig immunsupprimierte Patienten. „Wir haben das aber auch bei einer Kohorte mit Seniorinnen gesehen“, erklärt Sander. Sie seien im Schnitt 81 Jahre alt gewesen, jedoch ohne schwerwiegende Vorerkrankungen. Auch 4 Wochen nach der Zeitimpfung hätten sie kaum messbare Antikörper-Titer gehabt. Die Frage sei jetzt, welchen Schutz Vakzine 6 oder mehr Monate nach der Impfung böten und welche Rolle Varianten mit teilweisem Immune Escape spielten.
Angebote zur Drittimpfung für alle Menschen befürworten die 3 Experten derzeit nicht. Sie erklären, dass solche Strategien auf globaler Ebene die Impfstoffknappheit verschärfen könnte. Allenfalls mache dies bei vulnerablen Personen Sinn.
Industrie: Kasse machen mit Vakzinen
Weitere Impfungen, speziell eine Vielzahl an Booster-Impfungen, sind auch wirtschaftlich attraktiv. Dies könnte erklären, warum Pfizer laut einem Bericht der Financial Times den Preis seines COVID-19-Impfstoffs um mehr als 25% erhöht. Auch Moderna veranschlagt 10% mehr. Aufgrund neuer Verträge mit der EU konnten Firmen hier nachbessern.
Analysten vermuten, dass der COVID-19-Impfstoff von Pfizer den höchsten Umsatz aller Medikamente in einem einzigen Jahr erzielen wird. Allein für 2021 rechnen sie mit etwa 33,5 Milliarden US-Dollar (28,2 Milliarden Euro). Aber das Unternehmen sagt, dass es ärmeren Ländern den Impfstoff zu einem stark reduzierten Preis zur Verfügung stellen wird.
Pfizer verlangte von der Europäischen Union zuvor 15,50 Euro pro Dosis für seinen Impfstoff. Laut Financial Times berechnet das Unternehmen nun 19,50 Euro pro Dosis für 2,1 Milliarden Dosen, die bis 2023 geliefert werden.
Moderna rechnete mit der EU zuvor 22,60 USD (19,05 Euro) pro Dosis ab, erhält jetzt jedoch 25,50 USD (20,65 Euro). Dieser neue Preis ist laut Financial Times tatsächlich niedriger als zunächst erwartet, da die EU ihre ursprüngliche Bestellung angepasst hat, um mehr Dosen zu erhalten.
Schweres COVID-19: bald genetische Biomarker?
Ohne Impfung steigt die Gefahr, schwer an COVID-19 zu erkranken. Neben dem Alter, einem hohen Body-Mass-Index und Vorerkrankungen gab es schon bald nach Beginn der Pandemie Hinweise auf genetische Risikofaktoren. Wie Medscape berichtet hat, standen damals Genloci im Mittelpunkt, die für Blutgruppen codieren.
In Nature hat die COVID-19 Host Genetics Initiative jetzt neue Erkenntnisse veröffentlicht. Grundlage waren 46 Studien mit mehr als 49.000 Personen mit COVID-19 und 2 Millionen Kontrollpersonen.
Die Autoren teilten alle Erkrankten in 3 Kategorien ein:
Patienten mit Infektion (selbst gemeldet, ärztlich oder labordiagnostisch bestätigt)
Patienten mit Krankenhausaufenthalt (labordiagnostisch bestätigtes mittelschwerem bis schweres COVID-19)
Patienten mit kritischem Verlauf (labordiagnostisch bestätigte Infektion und Atemunterstützung; ggf. Tod während der stationären Behandlung)
Im Zuge ihrer Analyse identifizierten die Forscher 13 Loci, die mit einer SARS-CoV-2-Infektion und dem Schweregrad der Erkrankung assoziiert sind, darunter 6 Loci, die aus früheren Studien noch nicht bekannt waren.
4 Genorte beeinflussen die allgemeine Anfälligkeit für SARS-CoV-2-Infektionen, während 9 mit der Schwere der Erkrankung assoziiert waren. 2 Loci fanden Wissenschaftler erst, als sie Individuen mit ostasiatischen Vorfahren in ihre Analyse einbezogen hatten.
Als Schwachpunkt bleibt: Etwa 80% der Teilnehmer waren europäischer Abstammung, was die Aussagekraft der Ergebnisse schmälert. Dennoch zeigen die Forscher, dass es – vielleicht in naher Zukunft – möglich sein könnte, das Risiko für schweres COVID-19 anhand mehrerer Biomarker zu prognostizieren. Vorerkrankungen oder das Alter sind jedoch bedeutsamer.
Therapie: Tofacitinib bei Patienten mit COVID-19 und Pneumonie
Auch die Suche nach neuen COVID-19-Therapien geht weiter. Zur Wirksamkeit und Sicherheit von Tofacitinib, einem Janus-Kinase-Inhibitor, bei stationären Patienten mit COVID-19 und einer Pneumonie gab es bislang kaum Informationen. Jetzt haben Forscher neue Daten veröffentlicht.
Insgesamt wurden 289 Patienten an 15 Standorten in Brasilien randomisiert. 89,3% erhielten während des Krankenhausaufenthalts Glukokortikoide. Die kumulative Inzidenz von Tod oder Atemversagen bis zum 28. Tag betrug 18,1% in der Tofacitinib-Gruppe und 29,0% in der Placebo-Gruppe (Risikoverhältnis: 0,63; 95%-Konfidenzintervall: 0,41 bis 0,97; p = 0,04).
Der Tod aus jeglicher Ursache trat bis zum 28. Tag bei 2,8% der Patienten in der Tofacitinib-Gruppe und bei 5,5% der Patienten in der Placebo-Gruppe ein (Hazard Ratio: 0,49; 95%-KI: 0,15 bis 1,63). Schwerwiegende unerwünschte Ereignisse traten bei 20 Patienten (14,1%) in der Tofacitinib-Gruppe und bei 17 (12,0%) in der Placebo-Gruppe auf.
„Bei Patienten, die mit einer Covid-19-Pneumonie ins Krankenhaus eingeliefert wurden, führte Tofacitinib bis zum Tag 28 zu einem geringeren Risiko für Tod oder Atemversagen als Placebo“, so das Fazit der Autoren.
SARS-CoV-2-Infektion: Kinder erholen sich nach 6 Tagen
Infizieren sich Kinder mit SARS-CoV-2, erholen sie sich meist sehr rasch, fanden britische Wissenschaftler heraus. Ihre Kohorte umfasste 58.790 Kinder im Alter von 5-17 Jahren, bei denen Erziehungsberechtigte zwischen dem 24. März 2020 und dem 22. Februar 2021 einen Verdacht auf SARS-CoV-2-Infektion gemeldet hatten. 75.529 Testergebnisse lagen den Wissenschaftlern vor, davon waren 1.734 positiv.
Als häufigste Symptome einer SARS-CoV-2-Infektion bei Kindern und Jugendlichen traten Kopfschmerzen (n = 1079; 62,2%) und Müdigkeit (n = 954; 55,0%) auf. Die mittlere Krankheitsdauer betrug 6 Tage gegenüber 3 Tagen bei negativ getesteten Kindern und war positiv mit dem Alter assoziiert. 77 Kinder (4,4 %) hatten eine Krankheitsdauer von mindestens 28 Tagen, wobei ältere Kinder eher als jüngere betroffen waren.
„Obwohl COVID-19 bei Kindern in der Regel von kurzer Dauer mit geringer Symptombelastung ist, kommt es bei einigen Kindern zu einer verlängerten Krankheitsdauer“, schreiben die Autoren. „Erfreulicherweise nahm die Symptombelastung bei diesen Kindern mit der Zeit nicht zu und die meisten erholten sich bis zum 56. Tag.“
Ländervergleich: Geringere Mortalität in Deutschland
Durch Lockdowns und durch die „AHA+L“-Regel haben Politiker in Deutschland versucht, das Infektionsgeschehen zu bremsen und Todesfälle zu vermeiden – offensichtlich sehr erfolgreich.
Mit zirka 50 zusätzlichen Todesfällen pro 100.000 Einwohner hatte Deutschland während der Pandemie deutlich niedrigere Werte als die Niederlande (110), Belgien (140), Frankreich (110), die Schweiz (100), Österreich (110), Tschechien (320), oder Polen (310). Zu dem Ergebnis kommen Wissenschaftler der Universität Tübingen und der Hebräischen Universität Jerusalem. Sie haben Daten aus 100 Ländern verglichen.
In Australien und Neuseeland sind sogar weniger Menschen als in vergleichbaren Zeiträumen vor der Pandemie gestorben. Die Autoren gehen davon aus, dass dies durch die Abstands- und Hygieneregeln zustande kam, was Todesfälle durch andere Infektionen als COVID-19 reduziert hat, etwa durch Influenza.
„Wir hoffen, dass wir so ein besseres Verständnis der Pandemie erlangen und sich der Erfolg verschiedener Eindämmungsmaßnahmen besser erfassen lässt“, sagt Dr. Dmitry Kobak von der Universität Tübingen.
Deutschland holt beim Impfen auf – aber USA mit 70% vorne
Laut Bundesministerium für Gesundheit haben 62,0 % der Bevölkerung mindestens 1 Imfpdosis erhalten und 53,0 % sind vollständig geschützt. Zum Vergleich: Die USA hat Joe Bidens Ziel, 70% aller Bürger 1 Impfdosis zu verabreichen, mittlerweile erreicht – fast 1 Monat später als geplant. 60,6% der Erwachsenen und 49,7% der Gesamtbevölkerung haben den vollständigen Schutz. Das Impftempo hat sich angesichts der Besorgnis über die Delta-Variante wieder etwas erhöht.
MEHR
Medscape Nachrichten © 2021 WebMD, LLC
Diesen Artikel so zitieren: Spahn: „50er-Inzidenz hat ausgedient“; Wie geht’s in Schulen weiter? Ab heute 3-G-Regel; Infektionen nach EM-Finale - Medscape - 23. Aug 2021.
Kommentar