Im Onko-Blog dieser Woche geht es um die optimale Therapiedauer einer adjuvanten Antihormontherapie beim Mammakarzinom und um die Androgenrezeptor-Inhibitortherapie bei älteren Männern mit Prostatakarzinom. In 2 Phase-2-Studien konnte kein Effekt einer Metformin-Zugabe bei Lungenkrebs gesehen werden. Erneut bestätigt wurde der Nutzen eines gesunden Lebensstils. Er senkt auch das Krebsrisiko bei genetisch vorbelasteten Personen. Nicht ganz überraschend ist der Befund, dass Artikel zur Krebsbehandlung in sozialen Medien häufig falsch sind.
Mammakarzinom: Adjuvante Antihormontherapie über 7 Jahre optimal
Prostatakarzinom: Androgenrezeptor-Inhibitoren bei älteren Männern
Lungenkrebs: Metformin zusätzlich zu Radiochemotherapie ohne Effekt
Gliome: Neue S2k-Leitlinie zur Diagnostik und Therapie
Krebsrisiko: Gesunder Lebensstil hilft auch bei hohem genetischem Risiko
Krebs: Häufig falsche und gefährliche Informationen in sozialen Medien
Neuer Therapiestandard für Mammakarzinom: Adjuvante Antihormontherapie über 7 Jahre optimal
Bei postmenopausalen Frauen mit Hormonrezeptor-positivem Mammakarzinom hatte eine Verlängerung der 5-jährigen adjuvanten endokrinen Therapie um 5 weitere Jahre keinen Nutzen im Vergleich zu einer Verlängerung um 2 Jahre.
Die 10 Jahre dauernde Therapie war jedoch mit einem höheren Risiko für Knochenbrüche assoziiert. Dieses Ergebnis berichtete die österreichische Brust- und Kolorektal-Krebs-Studiengruppe (ABCSG) im New England Journal of Medicine.
Das Fazit von Studienleiter Prof. Dr. Michael Gnant, Wien, bei einer Pressekonferenz der ABCSG lautete: „Mit dieser Studie definieren wir aus unserem kleinen Land einen neuen Therapiestandard in der Brustkrebsbehandlung, und zwar 7 Jahre Antihormontherapie bringen das beste Ergebnis. Die optimale Behandlungsdauer wird hierdurch weltweit neu definiert. Damit entsteht Klarheit und Sicherheit für betroffene Frauen über die optimale Therapiedauer.“
In der Phase-3-Studie ABCSG-16 randomisierten die Untersucher in 75 Zentren in Österreich zwischen Februar 2004 und Juni 2010 postmenopausale Frauen mit Hormonrezeptor-positivem frühem Mammakarzinom, die über 5 Jahre adjuvant endokrin behandelt worden waren und kein Rezidiv erlitten hatten. Sie erhielten Anastrozol (1 mg/Tag) über weitere 2 (n = 1.603) oder 5 Jahre (n = 1.605).
Nach einem medianen Follow-Up von 118 Monaten waren 670 DFS-Ereignisse aufgetreten, 335 in jedem Studienarm. Damit gab es keinen Unterschied im krankheitsfreien Überleben (DFS) zwischen den beiden Gruppen (HR: 0,99, p = 0,90). Auch die sekundären Endpunkte unterschieden sich nicht signifikant. Das Ergebnis war in allen Subgruppen konsistent.
Das Risiko für klinische Knochenfrakturen war in der 5-Jahres-Gruppe höher als in der 2-JahresGruppe (HR: 1,35, p = 0,05), mit einer NNH (Number Needed to Harm) von 63.
Prostatakarzinom: Androgenrezeptor-Inhibitoren bei älteren Männern
Eine gepoolte FDA-Analyse bei 4.117 älteren Männern mit nicht metastasiertem kastrationsresistentem Prostatakarzinom (nmCRPC) aus 3 randomisierten Studien stützt den Einsatz von Androgenrezeptor-Inhibitoren (ARI) der 2. Generation. Die Arbeitsgruppe hat die Ergebnisse zu Apalutamid, Enzalutamid und Darolutamid in Lancet Oncology publiziert.
Die Forscher des Center for Drug Evaluation and Research der FDA poolten die Daten aus den 3 klinischen Studien SPARTAN, PROSPER und ARAMIS, in denen bei Patienten mit nmCRPC ARIs mit Placebo verglichen worden waren.
Die gepoolte Analyse umfasste 4.117 Patienten mit nmCRPC mit einem medianen Alter bei Studienbeginn von 74 Jahren. Alle Patienten wiesen einen ECOG-Performance-Status von 0 bis 1, einen Ausgangs-PSA-Wert ≥ 2 µg/l, eine PSA-Verdopplungszeit von ≤ 10 Monaten und keine Zeichen auf Fernmetastasen auf.
60% der Patienten (612 von 1.023) im Alter ≥ 80 Jahren waren vor Aufnahme in die Studie weder prostatektomiert noch bestrahlt worden, während dies nur bei 41% (1.254 von 3.094) der Patienten im Alter von unter 80 Jahren der Fall war. Die mediane Nachbeobachtungszeit betrug 18 Monate für das metastasenfreie Überleben (MFS) und 44 Monate für das Gesamtüberleben (OS).
Patienten im Alter ≥ 80 Jahren erreichten ein medianes MFS von 40 Monaten mit ARIs und von 22 Monaten mit Placebo (HR 0,37) sowie ein medianes OS von 54 versus 49 Monaten (HR: 0,79). Bei Patienten < 80 Jahren betrug das MFS 41 Monate mit ARIs versus 16 Monate mit Placebo (HR: 0,31). Sie überlebten im Median 74 Monate mit ARI bzw. 61 Monate mit Placebo (HR: 0,69).
Von den hochbetagten Patienten litten 55% (371 von 672) der Patienten unter ARI an Nebenwirkungen vom Grad ≥ 3 im Vergleich zu 41% (140 von 344) der Placebo-Patienten. Bei Patienten < 80 Jahre lagen die Raten der Grad-3-Nebenwirkungen bei 44% (878 von 2015) bzw. 30% (321 von 1073). Die 2 häufigsten schweren Nebenwirkungen waren Hypertonie und Knochenbrüche.
Lungenkrebs: Metformin zusätzlich zu Radiochemotherapie ohne Effekt
Die Ergebnisse von 2 aktuellen Phase-2-Studien legen nahe, dass die zusätzliche Gabe von Metformin zur Radiochemotherapie bei Patienten mit lokal fortgeschrittenem nichtkleinzelligen Lungenkarzinom (NSCLC) nichts bringt. Die NRG-LU001- und die OCOG-ALMERA-Studie wurden online am 29. Juli 2021 in JAMA Oncology publiziert.
In der offenen Phase-2-Studie NRG-LU001 wurden167 nichtdiabetische Patienten zwischen August 2014 und Dezember 2016 randomisiert mit Chemoradiotherapie und Chemotherapie ohne und mit Metformin behandelt. Weder der primäre Endpunkt progressionsfreies Überleben (PFS) noch das Gesamtüberleben waren nach einem medianen Follow-Up von 27,7 Monaten signifikant unterschiedlich.
Die offene Phase-2-Studie OCOG-ALMERA wurde dagegen wegen langsamer Rekrutierung frühzeitig geschlossen. Zwischen 2014 und 2019 waren 54 Patienten randomisiert mit Platin-basierter Radiochemotherapie mit und ohne Konsolidierungschemotherapie sowie mit oder ohne Metformin behandelt worden. Das 1-Jahres-PFS lag mit Metformin bei 34,8%, ohne Metformin bei 63,0%, die Überlebensraten bei 47,4% bzw. 85,2%. Damit führte die zusätzliche Gabe von Metformin eher zu einer Verschlechterung des Outcome.
Im begleitenden Editorial weisen Autoren aus München und Heidelberg allerdings auf verschiedene Ungleichgewichte zwischen den beiden Gruppe der OCOG-ALMERA-Studie hin, die ihrer Meinung nach zu den enttäuschenden Ergebnissen des Metformin-Arms beigetragen haben können. So gab es Änderungen in der Konsolidierungsphase, den Metformin-Arm beendeten nur 6/26 Patienten, die Tumoren im Metformin-Arm waren größer und die Radiochemotherapie wurde unter Metformin häufiger abgebrochen.
Gliome: Neue S2k-Leitlinie zur Diagnostik und Therapie
Die unter der Federführung von Prof. Dr. Wolfgang Wick, Heidelberg, aktualisierte S2k-Leitlinie umfasst alle wichtigen Informationen zu Diagnostik, Therapie, Nachsorge und Rehabilitation bei Erwachsenen mit Gliomen. Wichtigste Neuerung: Die molekulare Diagnostik bei der Gliom-Klassifizierung gewinnt zunehmend an Bedeutung für die Prognoseabschätzung, aber auch für die rechtzeitige Initiierung zielgerichteter Therapien und für die Definition völlig neuer Gliom-Subgruppen.
Durch die verbesserte diagnostische Tumorcharakterisierung kann die Therapie optimiert und personalisiert werden. Entscheidend ist die möglichst vollständige Operation, gefolgt von der Strahlentherapie zur Kontrolle des lokalen Tumorwachstums. Als wichtigstes Medikament gilt das Zytostatikum Temozolomid, das die Blut-Hirn-Schranke überwindet und ein günstiges Sicherheitsprofil besitzt.
Die Kernaussagen der Leitlinie wurden in einem formalen Abstimmungsprozess von allen beteiligten Fachgesellschaften und Organisationen bewertet. Alle Empfehlungen erreichten letztlich einen Konsens von > 95%. Neben der federführenden Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) waren an der Leitlinie zahlreiche weitere Fachgesellschaften sowie Patientenvertreter beteiligt.
Krebsrisiko: Gesunder Lebensstil hilft auch bei hohem genetischem Risiko
Ein gesunder Lebensstil mit Verzicht auf Nikotin und Alkohol, normalem Körpergewicht und ausreichend Bewegung ist mit einer geringeren Krebsinzidenz assoziiert. Dies ist auch bei Personen mit einem hohen genetischen Risiko für eine Krebserkrankung der Fall, so die Ergebnisse einer Studie aus China, die in Cancer Research erschienen ist.
Mit Hilfe von polygenen Risikoscores (PRS) kann das Krebsrisiko einer Person anhand genetischer Veränderungen eingeschätzt werden. Der PRS bezieht sich jedoch meist auf eine bestimmte Krebsart. Die chinesischen Forscher entwickelten daher einen Score für das Krebsrisiko insgesamt, den Cancer Polygenic Risk Score (CPRS).
Sie validierten den CPRS mit Hilfe von Daten aus der britischen Biobank. Anhand von Alkohol- und Nikotinkonsum, Körpermassenindex, körperlicher Aktivität und Ernährung wurden die Personen in drei Gruppen eingeteilt, und zwar in Personen mit ungesundem, mittlerem und gesundem Lebensstil.
Bei einem ungesunden Lebensstil und dem höchsten genetischen Risiko war die Wahrscheinlichkeit für eine Krebsdiagnose 2,99-fach bei Männern und 2,38-fach bei Frauen höher als bei gesundem Lebensstil und niedrigem genetischen Risiko.
Bei hohem genetischem Risiko lag die Krebsinzidenz bei ungesundem Lebensstil nach 5 Jahren bei Männern bei 7,23% und bei Frauen bei 5,77% im Vergleich zu 5,51% bzw. 3,69% bei gesundem Lebensstil.
Insgesamt deuten die Ergebnisse der Studie darauf hin, dass alle Personen unabhängig vom genetischen Risiko für eine Krebserkrankung von einem gesunden Lebensstil profitieren könnten.
Krebs: Häufig falsche und gefährliche Informationen in sozialen Medien
Ein Drittel der meist gelesenen Artikel zur Krebsbehandlung in sozialen Medien enthält falsche Informationen, die negative Folgen für die Patienten haben können. Dies berichtete eine amerikanische Expertengruppe im Journal of the National Cancer Institute.
Die Krebsexperten überprüften 200 der beliebtesten Social-Media-Artikel zu Brust-, Prostata-, Lungen- und Darmkrebs. In 32,5% (n = 65) der Fälle enthielten die Artikel Fehlinformationen und in 30,5% (n = 61) schädliche Informationen. Von den Beiträgen mit Fehlinformationen beinhalteten 76,9% (50 von 65) schädliche Informationen (p = 0,05).
Studienleiter Dr. Skyler Johnson, Huntsman Cancer Institute, Universität von Utah, plädierte in einer Pressemitteilung dafür, dass Ärzte mit ihren Patienten eine offene Kommunikation pflegen. In seiner Praxis weist er Patienten darauf hin, dass sie online wahrscheinlich auf Fehlinformationen zu ihrer Krebserkrankung stoßen. Er ermutigt seine Patienten, ihn anzusprechen, wenn sie Fragen haben, die im Zusammenhang mit Online-Informationen zu ihrer Krebserkrankung entstehen.
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Diesen Artikel so zitieren: Anti-Hormontherapie bei Brust- und Prostatakrebs optimiert; Metformin floppt bei Lunge; Viele Fake-Krebs-News; Gliom-Leitlinie - Medscape - 3. Aug 2021.
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