Auf die Frage, wie die Praxisstruktur im Rahmen des neuen KBV-Konzepts 2025 konkret verändert werden soll, erläutert der Fachanwalt für Medizinrecht Hans-Joachim A. Schade 2 mögliche Durchführungsvarianten [1].
Eine Umsetzungsidee: AIDA
Unter AIDA wird ein „Arzt indizierter diagnosebasierter zeitlich begrenzter Behandlungsvertrag an nichtärztliche Gesundheitsberufe“ verstanden. Die Tätigkeit am Erkrankten ist dann durch den selbstständig bleibenden nichtärztlichen Gesundheitsberuf eigenverantwortlich durchführbar.
Delegierende Ärztinnen und Ärzte erhalten einen Verlaufsbericht und die Abrechnung erfolgt durch den nichtärztlichen Gesundheitsberuf. Dieses Konzept würde das Eingehen qualitativer (Haftung) oder wirtschaftlicher Risiken bei ärztlich Tätigen verhindern.
Die andere: Delegatives, multiprofessionelles Anstellungsmodell EBM/Selektivvertrag
Ärztinnen und Ärzte behalten die gesamte Behandlungsverantwortung für das Behandlungsgeschehen. Alle näher zu bestimmten Teilleistungen werden durch entsprechendes Personal nichtärztlicher Gesundheitsberufe im ärztlich geleiteten und die Verantwortung tragenden Team delegiert und selbst über die Praxis abgerechnet. Ausgenommen davon sind Indikationsstellung, therapiebegleitende Entscheidungen und Verantwortung von Medikamenten/Heil- und Hilfsmittel.
Die gemeinsame Anstellung über die überörtliche Praxisgemeinschaft für Personal als Arbeitgeber realisiert Synergieeffekte für das spezialisierte Personal, das einzelne Praxen als Arbeitgeber nicht wirtschaftlich darstellen können. Die Leistung rechnet die anfordernde Praxis ab. Die Verantwortung und die Haftung liegt bei der Praxisgemeinschaft. Dies ist in der Regel eine BGB-Gesellschaft. Diese Art der Praxisgemeinschaft muss der Kassenärztlichen Vereinigung angezeigt werden. Die ganzheitliche ärztliche Gesamtverantwortung soll das Markenzeichen für multiprofessionelle Teams sein.
Überforderung der bisherigen kleinteiligen Praxisstruktur?
Für viele Praxen könnte das neue KBV-Modell eine Überforderung bedeuten. Diese Praxen müssen damit rechnen, dass sie durch den Druck der Gesundheitspolitik in einem Stufenprozess durch Fernbehandlung/Telemonitoring und Delegation Patientinnen und Patienten verlieren. Zugleich liegt darin für Praxen auch eine Chance. Die KBV strebt einen maximalen Fernbehandlungsanteil von 49% an.
Dies zeigt, wie gefährlich sie allein die Fernbehandlungsmöglichkeit sieht. Die Krankenkassen gehen davon aus, dass ohne zulassungsrechtliche Einschränkungen der Anteil im Fernbehandlungsbereich massiv steigen wird und zu Versorgungsengpässen auf dem Lande führt, weil Praxen nicht mehr ausreichend profitable Patientinnen und Patienten nur mit Erstkontakt haben [2].
Setzt sich nun zusätzlich das multiprofessionelle Delegationsmodell durch, und die Patientinnen und Patienten nutzen verstärkt – statt Kontrolluntersuchungen – Körpersensoren in der Häuslichkeit und Videokontakte zum Personal, könnten Ärztinnen und Ärzte durch die ersparten Kontrolltermine wesentlich mehr Erkrankte als im traditionellen höchstpersönlichen Versorgungsmodell betreuen. Dieses Modell wird aber eher unternehmerischen Praxen zugänglich sein, die insoweit Wachstumschancen haben. Zu befürchten ist, dass kleinere und mittlere Praxen, die diesen Veränderungsprozess nicht mehr bewältigen können, dabei auf der Strecke bleiben.
Dieser Artikel ist im Original erschienen auf Coliquio.de.
Medscape © 2021
Diesen Artikel so zitieren: KBV-Konzept 2025: 2 Vorschläge, wie die Praxisstruktur konkret verändert werden soll - Medscape - 3. Aug 2021.
Kommentar