Zwischen 4 und 10% aller Deutschen leiden am Reizdarmsyndrom (RDS). In der jetzt überarbeiteten S3-Leitlinie wurden vor allem neue Behandlungsoptionen ergänzt und bestehende aktualisiert. Symptomunabhängige Maßnahmen werden dabei mit spezifischen, symptomorientierten Therapien kombiniert [1].
Zu den wichtigen symptomunabhängigen Ansätzen gehören Diäten. „Obwohl der Einfluss der Ernährung auf die Entstehung eines RDS umstritten ist, zeigt in der Therapie die sogenannte Low-FODMAP-Diät für fast alle RDS-Typen eine gute Wirksamkeit“, heißt es zur Begründung. Die Empfehlungen in diesem Bereich wurden deutlich erweitert.
An den Arbeiten waren die Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) und die Deutsche Gesellschaft für Neurogastroenterologie und Motilität e. V. (DGNM) zusammen mit 17 weiteren Fachgesellschaften beteiligt.
Definition des Reizdarmsyndroms
Diagnose und Therapie des Reizdarmsyndroms sollten evidenzbasiert erfolgen. Die Leitlinien geben Ärzten eine praktische Orientierung. Eine Symptomdauer von > 2-3 Wochen, aber < 3 Monate rechtfertige noch nicht die Diagnose RDS, schreiben die Experten. Dennoch gelten die Empfehlungen auch für diese Patienten, denn auch sie bedürften einer diagnostischen Abklärung und könnten therapeutisch nicht vertröstet werden.
Ein Reizdarmsyndrom liegt vor, wenn 3 Punkte erfüllt sind:
Patienten leiden an chronischen (> 3 Monate) oder rezidivierenden Beschwerden wie Bauchschmerzen und Blähungen, die auf den Darm bezogen werden und in der Regel mit Veränderungen des Stuhlgangs einhergehen.
Aufgrund der Symptome sorgen sich Patienten; ihre Lebensqualität ist in relevantem Maße beeinträchtigt wird.
Es gibt keine für andere Krankheitsbilder charakteristischen Veränderungen, welche wahrscheinlich für die Symptome verantwortlich sind, darunter mechanische Obstruktion, Malignome, gynäkologische Erkrankungen und Infektionen.
Behandlung des Reizdarmsyndroms im Überblick
Generell werden allgemeine, symptomunabhängige Maßnahmen mit spezifischen, symptomorientierten Therapien kombiniert.
Zu den wichtigen symptomunabhängigen Ansätzen gehört die Ernährung. Die Low-FODMAP-Diät zeigt für fast alle RDS-Typen eine gute Wirksamkeit. Patienten verzichten für einen gewissen Zeitraum auf bestimmte Kohlenhydrate wie Fruktose, Laktose und Zuckeraustauschstoffe wie Sorbit. Auch psychotherapeutische Verfahren helfen vielen Betroffenen.
Probiotika sind beim RDS nicht generell wirksam oder unwirksam, vielmehr unterscheidet sich ihr Effekt individuell von Patient zu Patient sowie je nach Bakterienstamm und Leitsymptom. Präbiotika werden nicht empfohlen.
Reizdarmsyndrom mit Diarrhöe
Beim Reizdarmsyndrom mit Diarrhöe (RDS-D) heißt es, ernährungstherapeutische Intervention wie die Low-FODMAP-Diät oder Probiotika könnten sinnvoll sein, eventuell auch ein topisches Antibiotikum, Psychotherapien und einige komplementäre Verfahren.
Als medikamentöse Behandlungsform komme zum Beispiel Colestyramin infrage. 5-HT3-Antagonisten sollten nur in ausgewählten Einzelfällen bei anderweitig therapierefraktärem RDS-D zur Behandlung der Symptome Diarrhoe und Bauchschmerzen versucht werden. Das bedeute eine Herabstufung dieser Medikamente um 1 Empfehlungsgrad im Vergleich zur früheren Leitlinie, da von den in Deutschland verfügbaren 5-HT3-Antagonisten lediglich die Substanz Ondansetron in einer RDS-D Studie untersucht und als wirksam befunden worden sei. Kein in Deutschland verfügbarer 5-HT3-Antagonist sei für die Therapie RDS-D zugelassen (Off-Label-Therapie).
Eine Therapie mit löslichen Ballaststoffen sei möglich, so die Autoren. Bei Akupunktur oder Moxibustion gebe es bei RDS-D einen positiven Effekt, der sich offenbar vor allem auf die Lebensqualität beziehe.
Reizdarmsyndrom mit Diarrhöe
Leiden Patienten am Reizdarmsyndrom mit Diarrhöe, sollten Ballaststoffe angewendet werden, vor allem lösliche, außerdem Laxantien vom Macrogol-Typ. Die Darmlavage, homöopathische Anwendungen und Fußzonenreflexmassagen lassen sich den Experten zufolge dagegen nicht empfehlen. Yoga wiederum sollte im Rahmen eines komplementären Behandlungskonzepts angeboten werden.
Dieser Artikel ist im Original erschienen auf Univadis.de.
Medscape Nachrichten © 2021
Diesen Artikel so zitieren: Fast jeder 10. hat Reizdarmsyndrom: S3-Leitlinie und Diät-Empfehlungen überarbeitet – der Überblick für die optimale Therapie - Medscape - 2. Aug 2021.
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