Impfschwänzer zur Kasse bitten? Wann Ärzte Schadensersatz für ausgefallene Corona-Impftermine verlangen dürfen

Virchowbund

Interessenkonflikte

28. Juli 2021

Immer mehr Patientinnen und Patienten schwänzen Termine – aktuell vor allem Impftermine. Das bringt den Praxisablauf durcheinander und führt dazu, dass Impfstoff weggeworfen werden muss. Und auch andere Termine werden häufig nicht rechtzeitig abgesagt. Können Niedergelassene selbst aktiv werden und Ausfallhonorare verlangen?

Der Virchowbund (Verband der niedergelassenen Ärzte) berät immer wieder Praxen, die ein Ausfallhonorar einführen möchten. Um zu beantworten, ob und wie das möglich ist, sind zuerst die Grundlagen entscheidend [1].

Mit den Patientinnen und Patienten wird ein sogenannter Dienstvertrag geschlossen. Dabei schulden Ärztinnen und Ärzte aufgrund des Behandlungsvertrages die ärztliche Behandlung. 

Tipp: Ein schriftlicher Behandlungsvertrag ist vor allem bei Selbstzahlerleistungen sinnvoll. Einen Mustervertrag erhalten Sie beim Virchowbund. Als Mitglied können Sie ihn kostenlos herunterladen.

Patientinnen und Patienten können den Behandlungsvertrag jederzeit kündigen. Viele Gerichte bewerten es auch als Kündigung, wenn der Patient bzw. die Patientin zum vereinbarten Termin einfach nicht erscheint. Mit diesem Argument hat zum Beispiel das Amtsgericht Bremen in einem beispielhaften Prozess ein Ausfallhonorar abgelehnt.

Bestellpraxis: Gute Chancen auf Ausfallhonorar
 

Die Virchowbund-Juristin Andrea Schannath warnt: „Mit Ausfallhonoraren bewegen Sie sich bei Impfschwänzern und anderen unzuverlässigen Patienten rechtlich auf dünnem Eis. Gute Chancen haben Sie nur, wenn Sie eine Bestellpraxis führen.“

 
Mit Ausfallhonoraren bewegen Sie sich bei Impfschwänzern und anderen unzuverlässigen Patienten rechtlich auf dünnem Eis. Gute Chancen haben Sie nur, wenn Sie eine Bestellpraxis führen. Andrea Schannath
 

Eine Bestellpraxis bedeutet, dass Sie mit längeren Terminvorläufen arbeiten und nachweislich nur je einen Patienten bzw. eine Patientin zu einer länger andauernden Behandlung mit individuell festgelegter Behandlungszeit einbestellen. Sie dürfen zumindest potenziell im vereinbarten Zeitraum keinen anderen Patienten und Patientinnen behandelt haben können.

Schriftliche Vereinbarung treffen

Zur rechtlichen Absicherung müssen Sie mit dem Patienten bzw. der Patientin eine schriftliche Vereinbarung treffen, die Sie beide unterschreiben. Darin müssen Sie den Patienten bzw. die Patientin ausdrücklich darauf hinweisen, dass

  • der vereinbarte Termin ausschließlich für ihn bzw. sie freigehalten wird und keine anderen Patienten und Patientinnen in dieser Zeit behandelt werden;

  • der vereinbarte Termin nur bis 24 Stunden vorher durch Telefon, Fax oder E-Mail (oder bei Online-Buchung auch online) abgesagt werden kann, damit kein Ausfallhonorar entsteht (bei Terminen am Montag und nach Feiertagen oder bei Praxisbesonderheiten sollten Sie eine längere Absagefrist vereinbaren);

  • bei verspäteter Absage ein Ausfallhonorar von X Euro fällig wird;

  • die Krankenkasse die Kosten des Ausfallhonorars nicht erstattet;

  • der Patient bzw. die Patientin allein zur Zahlung des Ausfallhonorars verantwortlich ist.

Wenn Patientin oder Patient dennoch nicht erscheint und auch nicht mindestens 24 Stunden vorher absagt, ist er oder sie in Annahmevollzug und schuldet Ihnen ein Ausfallhonorar. Sie wiederum sind verpflichtet, den entstandenen Schaden gering zu halten. Wenn Sie zum Beispiel in dieser Zeit Verwaltungsaufgaben erledigen können, müssen Sie das Ausfallhonorar entsprechend kürzen.

Höhe des Ausfallhonorars orientiert sich nach Verdienstausfall

Die Höhe des Ausfallhonorars orientiert sich nach dem tatsächlich entstandenen Verdienstausfall. Sie können also eine Vergütung für diejenigen Leistungen berechnen, die Sie voraussichtlich erbracht hätten. Ersparte Aufwendungen müssen abgezogen werden.

Die Berechnung des Ausfallhonorars erfolgt bei gesetzlich versicherten Patientinnen und Patienten auf Basis des EBM, bei Privatpatienten und -patientinnen auf der Basis der GOÄ. Es kann auch eine Pauschale als Ausfallhonorar vereinbart werden, die aber nicht unverhältnismäßig sein darf.

Dieser Artikel ist im Original erschienen auf  Coliquio.de .
 

Kommentar

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