Wer schlecht schläft und träge ist, stirbt früher – aber viel Bewegung macht Auswirkungen von schlechtem Schlaf wett

Julia Rommelfanger

Interessenkonflikte

27. Juli 2021

Wer viel Sport treibt, kann die negativen Auswirkungen schlechten Schlafs auf die Gesundheit offenbar ausgleichen. Darauf weisen Ergebnisse einer großen Langzeitstudie in Großbritannien hin, in der Schlafqualität und Bewegung mit dem allgemeinen und krankheitsspezifischen Sterberisiko in Beziehung gesetzt wurden [1].

 
Ein Bewegungsausmaß, das den Empfehlungen der WHO entspricht oder über dieser Schwelle liegt, scheint die meisten gesundheitsschädigenden Zusammenhänge zwischen schlechtem Schlaf und Mortalität zu eliminieren. Dr. Emmanuel Stamatakis
 

„Ein Bewegungsausmaß, das den Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) entspricht oder über dieser Schwelle liegt, scheint die meisten gesundheitsschädigenden Zusammenhänge zwischen schlechtem Schlaf und Mortalität zu eliminieren“, schlussfolgert das internationale Autorenteam um Dr. Emmanuel Stamatakis, University of Sydney, Australien.

Schlafqualität rückt immer stärker in den Blick

„Immer mehr Studien nehmen die Schlafqualität in den Fokus, zu Recht“, kommentiert Prof. Dr. Wilhelm Bloch, Leiter der Abteilung für molekulare und zelluläre Sportmedizin der Deutschen Sporthochschule Köln und Mitglied des Wissenschaftsrats der Deutschen Gesellschaft für Sportmedizin und Prävention (DGSP).

Aus Studien zur Schlafqualität bei Athleten wisse man beispielsweise, dass schlechter Schlaf mit Leistungsbeeinträchtigungen, Verletzungsanfälligkeit und Veränderungen im Verdauungstrakt einhergeht. Während des Schlafs, so Bloch, laufen wichtige Regenerationsprozesse ab. „Man weiß heute auch, dass die Schlafqualität das Immunsystem beeinflusst, was für beinahe alle chronischen Erkrankungen eine Rolle spielt – daher gehört dieser Parameter in neuen Studien einfach dazu“, erklärt der Experte.

In der aktuellen Studie hatten diejenigen mit der schlechtesten Schlafqualität und dem niedrigsten Bewegungsmaß das höchste Risiko, an Herzerkrankungen, Schlaganfall oder Krebs zu sterben. Das deute auf Synergien zwischen den beiden Einflussfaktoren hin, so die Autoren.

Mehr als 380.000 Menschen über 11 Jahre beobachtet

Vorherige Studien hatten gezeigt, dass sowohl eine schlechte Schlafqualität als auch Bewegungsmangel mit einem erhöhten allgemeinen sowie krankheitsspezifischen Sterberisiko in Zusammenhang stehen. Jedoch war bisher unklar, ob und inwiefern sich beide Faktoren in Kombination auf die Mortalität auswirken.

Hierzu haben Stamatakis und seine Kollegen Daten von 380.055 Frauen und Männern im mittleren Alter (Durchschnitt: 55 Jahre) untersucht, die in der „UK Biobank“ registriert waren. Diese Studie zeichnet die Gesundheit von 37- bis 73-Jährigen über einen langen Zeitraum auf.

Die Teilnehmenden machten zu Studienbeginn unter anderem Angaben zur Schlafqualität und zum wöchentlichen Trainingsumfang (gemessen in Metabolic Equivalent of Task (MET)). Dabei entsprechen 600 MET Minuten/Woche den Mindestempfehlungen der WHO von 150 Minuten moderatem Training oder mehr als 75 Minuten intensivem Training.

Gemäß diesen Angaben wurden sie nach ihrem Trainingspensum – gezählt wurde moderate und intensive Bewegung – in 4 Gruppen unterteilt:

·         hohes Bewegungsmaß (mindestens 1.200 MET Minuten/Woche): 59%,

·         mittleres Bewegungsmaß (600 bis weniger als 1.200 MET Minuten/Woche): 15%,

·         niedriges Bewegungsmaß (1 bis weniger als 600 MET Minuten/Woche): 10%,

·         kein moderater bis intensiver Sport: 16%.

Die Schlafqualität wurde mittels eines standardisierten Werts berechnet, der sich gemäß den Angaben der Probanden in einem Fragebogen aus dem Chronotypen („Lerche“ oder „Nachteule“), der Schlafdauer, Schlafstörungen, Schnarchen und Tagschläfrigkeit zusammensetzt und als „gesund“ (56%), „mittel“ (42%) oder „schlecht“ (3%) kategorisiert wurde.

Eine solche Selbsteinschätzung sei in vielen Untersuchungen zum Schlafverhalten weiterhin „Standard“, bemerkte Bloch. Er selbst setzt bei Analysen zum Schlafverhalten von Athleten aber zunehmend „Wearables“ ein, die Herzfrequenz, Herzfrequenzvariabilität, Hautspannung, Bewegung und andere Parameter aufzeichnen.

Jüngere, weibliche und schlankere Teilnehmer mit besserem Einkommen, die mehr Obst und Gemüse aßen, weniger Zeit im Sitzen verbrachten, mental gesünder waren, nie rauchten, nicht im Schichtdienst arbeiteten, weniger Alkohol tranken und aktiver waren, hatten in der UK-Studie in der Regel einen besseren Schlafwert.

 
Man weiß heute auch, dass die Schlafqualität das Immunsystem beeinflusst, was für beinahe alle chronischen Erkrankungen eine Rolle spielt. Prof. Dr. Wilhelm Bloch
 

Über einen Beobachtungszeitraum von 11 Jahren wurden Todesfälle infolge von Herz-Kreislauf-Erkrankungen (4.095) und Krebserkrankungen (9.064) registriert. Umso niedriger die Schlafqualität war, desto höher stieg das allgemeine Mortalitätsrisiko sowie das Risiko, an kardiovaskulären Erkrankungen sowie speziell an einem ischämischen Schlaganfall zu sterben.

Im Vergleich zu Teilnehmern mit einer Kombination aus guten Bewegungs- und Schlafwerten hatten diejenigen, die sowohl schlecht schliefen als auch inaktiv waren, ein um 57% höheres allgemeines Mortalitätsrisiko. Zudem war ihr Risiko, an den Folgen einer Herz-Kreislauf-Erkrankung zu sterben, um 67% erhöht, und an Krebs zu sterben, um 45% erhöht. Das Risiko eines Lungenkrebstods war sogar fast doppelt so hoch (+91%).

Derartige gesundheitliche Veränderungen bei schlechter Schlafqualität seien „erwartbar“; dennoch sei deren Nachweis in einer solch großen Kohorte „bemerkenswert“, sagt Bloch.

Bewegungsmangel schadet schlechten Schläfern doppelt

Bei gleichzeitigem Bewegungsmangel haben sich fast alle gesundheitsschädlichen Zusammenhänge von schlechter Schlafqualität, mit Ausnahme von Schlaganfällen, weiter verschlimmert.

 
Ich bin in der Lage, durch körperliche Aktivität meine Gesundheit positiv zu beeinflussen. Prof. Dr. Wilhelm Bloch
 

Umgekehrt konnten Studienteilnehmer, die pro Woche mindestens 150 Minuten moderat oder 75 Minuten intensiv trainierten – das heißt, die Mindestempfehlungen der WHO umsetzten –, ihr mit schlechtem Schlaf in Zusammengang stehendes erhöhtes Mortalitätsrisiko wieder senken.

„Überrascht bin ich nicht, dass das von der WHO empfohlene Bewegungsmaß hier positive Auswirkungen zeigt“, sagt Bloch. „Das heißt also: Ich bin in der Lage, durch körperliche Aktivität meine Gesundheit positiv zu beeinflussen.“

Auch die Schlafqualität selbst lasse sich durch körperliche Aktivität verbessern, so Bloch. Studien haben gezeigt, dass Menschen, die tagsüber aktiver seien, nachts besser und auch tiefer schlafen. Jedoch sollten intensive Belastungen nicht unmittelbar vor dem Zubettgehen erfolgen. „Wer am Abend einen Spaziergang macht, sollte eine halbe Stunde später gut schlafen können – nach einem Intervalltraining braucht es dagegen eine längere Pause von 1 bis 2 Stunden“, fasst Bloch zusammen.

Für Menschen mit Schlafproblemen empfiehlt er zudem Stressvermeidung, Entspannungstechniken und das Setzen von festen Schlafzeiten, um einen Schlafrhythmus entwickeln zu können, auf den sich der Körper einstellt.

„Da immer mehr Studiendaten auf einen synergetischen Effekt von Schlaf und [sportlicher Aktivität] hindeuten, sollte man in künftigen Studien beide Faktoren ins Visier nehmen“, fordern Stamatakis und seine Kollegen.
 

Kommentar

3090D553-9492-4563-8681-AD288FA52ACE
Wir bitten darum, Diskussionen höflich und sachlich zu halten. Beiträge werden vor der Veröffentlichung nicht überprüft, jedoch werden Kommentare, die unsere Community-Regeln verletzen, gelöscht.

wird bearbeitet....