Der Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP) der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) hat eine Empfehlung für die Zulassung des Moderna-Impfstoffs Spikevax zum Schutz vor COVID-19 für Jugendliche von 12 bis 17 Jahren ausgesprochen [1].
Auf seiner Sitzung in der Woche vom 19. bis 22. Juli hat er zudem 2 neue Arzneimittel zur Zulassung empfohlen – ein Orphan Drug zur Enzymersatztherapie bei Morbus Pompe und ein Hybridarzneimittel zur Behandlung von Leukämie und gastrointestinalen Stroma-Tumoren (GIST) [2].
COVID-19-Vakzine von Moderna für Jugendliche
Der CHMP hat empfohlen, den COVID-19 Impfstoff Spikevax® von Moderna für Kinder und Jugendliche ab 12 Jahren freizugeben. Nach Empfehlung des CHMP entscheidet die EU-Kommission gemeinsam mit den Mitgliedstaaten noch formell über die Zulassung in der EU.
Die Auswirkungen von Spikevax® wurden in einer laufenden Studie mit 3.732 Kindern im Alter von 12 bis 17 Jahren untersucht. Bisherige Studienergebnisse zeigen, dass das Vakzin bei 12- bis 17-Jährigen eine vergleichbare Antikörperreaktion hervorruft wie bei jungen Erwachsenen im Alter von 18 bis 25 Jahren (gemessen an der Menge der Antikörper gegen SARS-CoV-2). Darüber hinaus entwickelte keines der 2.163 Kinder, die den Impfstoff erhielten, COVID-19, verglichen mit 4 von 1.073 Kindern, die eine Placebo-Injektion erhielten. Aufgrund dieser Ergebnisse kam der CHMP zu dem Schluss, dass die Wirksamkeit bei 12- bis 17-Jährigen mit der bei Erwachsenen vergleichbar ist.
Die häufigsten Nebenwirkungen bei Kindern im Alter von 12 bis 17 Jahren sind ähnlich wie bei Personen ab 18 Jahren. Dazu gehören Schmerzen und Schwellungen an der Injektionsstelle, Müdigkeit, Kopfschmerzen, Muskel- und Gelenkschmerzen, vergrößerte Lymphknoten, Schüttelfrost, Übelkeit, Erbrechen und Fieber. Diese Wirkungen sind in der Regel leicht oder mittelschwer und bessern sich innerhalb weniger Tage nach der Impfung.
Alglucosidase alfa bei Morbus Pompe
Positiv bewertet wurde Nexviadym™ (Alglucosidase alfa), das für die Behandlung der Glykogenspeicherkrankheit Typ II (Morbus Pompe) vorgesehen ist. Alglucosidase alfa ist eine rekombinante Form der humanen sauren α-1,4-Glukosidase und ist bei Patienten mit Morbus Pompe zur langfristigen Enzymersatztherapie indiziert. Es ersetzt das bei Patienten mit Morbus Pompe fehlende Enzym und stabilisiert so die Funktion von Herz- und Skelettmuskulatur und verbessert die Atemfunktion.
Nexviadym™ wird als 100-mg-Pulver für ein Konzentrat zur Herstellung einer Infusionslösung erhältlich sein. Die häufigsten Nebenwirkungen sind Überempfindlichkeitsreaktionen (einschließlich Anaphylaxie) und Reaktionen, die mit der Infusion assoziiert sind: Juckreiz, Hautausschlag, Kopfschmerzen, Urtikaria, Müdigkeit, Übelkeit und Schüttelfrost.
Der CHMP weist darauf hin, dass Nexviadym™ von Ärzten verschrieben werden sollte, die Erfahrung in der Behandlung von Patienten mit Morbus Pompe oder anderen erblichen Stoffwechsel- oder neuromuskulären Erkrankungen haben.
Hybridarzneimittel zur Behandlung von Leukämie und GI-Stromatumoren
Der CHMP empfahl auch, dem Hybridarzneimittel Imatinib Koanaa (Imatinib), das zur Behandlung von Leukämie und gastrointestinalen Stromatumoren (GIST) bestimmt ist, die Zulassung zu erteilen. Hybridanträge stützen sich zum Teil auf die Ergebnisse präklinischer Tests und klinischer Prüfungen eines bereits zugelassenen Referenzprodukts und zum Teil auf neue Daten.
Der Wirkstoff von Imatinib Koanaa ist Imatinib, ein Tyrosinkinase-Inhibitor. Imatinib Koanaa ist ein Hybridpräparat von Glivec®, das in der EU seit dem 7. November 2001 in Form von Filmtabletten zugelassen ist. Imatinib Koanaa enthält den gleichen Wirkstoff wie Glivec®, wird aber als orale Lösung zu 80 mg/ml erhältlich sein. Studien haben die zufriedenstellende Qualität von Imatinib Koanaa und seine Bioäquivalenz mit dem Referenzprodukt Glivec® gezeigt, so der CHMP.
Indiziert ist Imatinib Koanaa u.a. bei chronisch-myeloischer Leukämie (CML), bei Philadelphia-Chromosom-positiver akuter lymphoblastischer Leukämie (Ph-positive ALL), zur Behandlung des hypereosinophilen Syndroms (HES) und/oder der chronischen eosinophilen Leukämie (CEL), bei Dermatofibrosarkomen und gastrointestinalen Stroma-Tumoren.
Keine Empfehlung für Parkinson-Medikament
Eine ablehnende Einschätzung gab das Gremium zu Nouryant® (Istradefyllin, Nourianz™) ab. Vorgesehen war es zur Behandlung von Erwachsenen mit Parkinson. Der CHMP empfahl, die Genehmigung für das Inverkehrbringen des Mittels zu untersagen.
Istradefyllin ist ein Adenosin-A2A-Rezeptor-Antagonist und wirkt auf eine andere Weise als Levodopa. Er bindet an Adenosin-A2A-Rezeptoren, die sich auf bestimmten Gehirnzellen befinden und an der Steuerung von Bewegungen beteiligt sind, und blockiert deren Aktivität. Wenn die Wirkung von Levodopa nachlässt, sinkt der Dopaminspiegel, was zu einer Zunahme der Symptome führt. Nouryant® sollte diesen Effekt ausgleichen, indem es die A2A-Rezeptoren blockiert.
Der CHMP gibt als Grund für die negative Bewertung an, dass die Ergebnisse der Studien inkonsistent waren und nicht zufriedenstellend zeigen konnten, dass das Mittel die Symptome wirksam reduziert. Nur 4 der 8 Studien hätten eine Verringerung gezeigt und auch eine höhere Dosis des Mittels habe die Wirkung nicht verbessert. Das Gremium stellte außerdem fest, dass in den beiden Studien, die Patienten aus EU-Populationen einschlossen, keine Wirkung beobachtet wurde, auch nicht in der jüngsten Studie, die Patienten einschloss, die die maximale und optimale Behandlung für ihre Parkinson-Krankheit erhielten. Aus Sicht des CHMP überwiegt der Nutzen von Nouryant® nicht die Risiken.
Bei Zynteglo® überwiegt der Nutzen weiterhin die Risiken
Der CHMP hat seine Überprüfung der Gentherapie Zynteglo® beendet und kommt zu dem Schluss, dass es keine Hinweise darauf gibt, dass das Mittel akute myeloische Leukämie (AML) verursacht. Das Mittel wird als Gentherapie bei der Blutkrankheit Beta-Thalassämie eingesetzt. Dabei wird ein viraler Vektor (oder ein modifiziertes Virus), verwendet um ein spezielles Gen in die Blutzellen des Patienten zu schleusen.
Bei seiner Überprüfung berücksichtige das Gremium 2 Fälle von AML bei Patienten mit Sichelzellenanämie, die mit dem Prüfpräparat bb1111 in einer klinischen Studie behandelt worden waren. Obwohl es keine Berichte über AML mit Zynteglo® gab, verwenden beide Medikamente denselben viralen Vektor und es bestand die Sorge, dass der Vektor an der Entstehung des Krebses beteiligt sein könnte.
Die Überprüfung hatte ergeben, dass der virale Vektor wahrscheinlich nicht die Ursache ist. Bei einem der Patienten war der virale Vektor nicht in den Krebszellen vorhanden, beim anderen Patienten war er an einer Stelle vorhanden, die nicht an der Krebsentstehung beteiligt zu sein scheint.
Der CHMP kam zu dem Schluss, dass der Nutzen weiterhin die Risiken überwiegt. Die Konditionierungstherapie, die die Patienten erhielten um die Knochenmarkzellen zu entfernen, liefere für das Entstehen der AML eine plausiblere Erklärung. Weil Patienten, die wegen Beta-Thalassämie mit Zynteglo® behandelt werden, ebenfalls eine Konditionierungsbehandlung benötigen, sollten Ärzte diese Patienten ausdrücklich über das erhöhte Risiko von Blutkrebserkrankungen durch Arzneimittel, die bei Konditionierungsbehandlungen verwendet werden, aufklären. Ärzte sollten ihre Patienten auch mindestens 1-mal jährlich über einen Zeitraum von 15 Jahren auf Anzeichen von Blutkrebserkrankungen untersuchen.
Indikationserweiterungen und erneute Prüfung von Flynpovi®
Der Ausschuss empfahl Indikationserweiterungen für das Tuberkulosemittel Deltyba®, für Ultomiris®, das zur Behandlung der paroxysmalen nächtlichen Hämoglobinurie (PNH) eingesetzt wird, für den Blutdrucksenker Volibris® und für das Virostatikum Vosevi®, das zur Behandlung der chronischen Hepatitis C verwendet wird.
Der Antragsteller für Flynpovi® (Eflornithin/Sulindac) hat eine Überprüfung der negativen Stellungnahme beantragt, die der CHMP in seiner Sitzung im Juni 2021 abgegeben hatte. Das Mittel war zur Behandlung von Erwachsenen mit familiärer adenomatöser Polyposis (FAP) entwickelt worden. Nach Erhalt der Begründung des Antrags wird das Gremium sein Gutachten erneut prüfen und eine endgültige Empfehlung abgeben.
Der Antrag auf eine Erweiterung der Anwendung von Tecentriq® (Atezolizumab) auf die Behandlung von frühem oder lokal fortgeschrittenem 3-fach negativem Brustkrebs wurde zurückgezogen.
Medscape Nachrichten © 2021 WebMD, LLC
Diesen Artikel so zitieren: EMA: COVID-19-Vakzine Spikevax für Jugendliche und 2 Mittel bei Morbus Pompe und Krebs zur Zulassung empfohlen - Medscape - 23. Jul 2021.
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