Kicken als Kardio-Prävention: Müde Männer mobilisieren – auch Walking Football könnte das gelingen

Dr. Thomas Kron

Interessenkonflikte

23. Juli 2021

Einige Männer mögen Sport nur auf dem heimischen Sofa, obwohl Bewegung gut für ihre Figur, für ihr Herz und für ihre Blutgefäße wäre. Doch Prof. Dr. Karsten Müssig vom Franziskus-Hospital Harderberg in Georgsmarienhütte und Prof. Dr. Henning E. Adamek vom Klinikum Leverkusen haben eine Sportart gefunden, mit der sich auch Männer anfreunden können, die allzu schweißtreibende Bewegungen nicht schätzen oder dazu aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage sind [1].

Ganz aktuell hat auch Dr. Bastian Schrader von der Universität Oldenburg in seiner Studie (siehe Kasten unten) zeigen können, dass Fußball gut fürs Herz ist. Risikopatienten und langjähirge Sportmuffel mit Hypertonie hatten ihren Blutdruck durch ein moderates normales Fußballtraining 1 Mal wöchentlich senken können.

Männern nutzen kaum gesundheitsfördernde Programme

Zum Hintergrund: Gesundheitsfördernde Programme besitzen eine große medizinische und volkswirtschaftliche Bedeutung. Allerdings würden „mit herkömmlichen Gesundheitsangeboten Menschen und insbesondere Männer mit einem erhöhten Risiko für nicht übertragbare Erkrankungen nicht ausreichend erreicht“, erklären Müssig und Adamek.

Lediglich 4% aller gesetzlich versicherten Frauen und Männer nutzten Präventionsangebote ihrer Krankenkasse zur Bewegung, zur Ernährung, zum Stressmanagement und zum Konsum von Suchtmitteln. In den Kursen seien den Autoren zufolge nur 20% Männer. Aus diesem Grund sei es von großer Bedeutung, neue Wege zu finden, um Menschen und vor allem Männer mit einem erhöhten Risiko für nicht übertragbare Erkrankungen zu erreichen.

Fußball – beliebt, aber auch gut Herz und Gefäße

Bei Männern ist Fußball recht beliebt, das steht außer Frage. Die Sportart erfülle zudem alle Kriterien, die an ein nachhaltiges Bewegungsprogramm gestellt würden, erklären Müssig und Adamek. Spielfeld und Trainingsgeräte erfordern keine große Vorbereitung, und bei Teilnehmern ist keine Erfahrung notwendig. Als Teamsport sorge Fußball für ein Gruppenerlebnis und für eine starke Adhärenz der Teilnehmer, schreiben die beiden Ärzte. Das Training werde so gut wie nicht oder kaum geschwänzt.

Die wenigen verfügbaren Studiendaten lassen vermuten, dass Fußballtraining einige positive Effekte auf kardiometabolische Parameter wie den HbA1c-Wert, den Blutdruck, das Körperfett und die kardiorespiratorische Fitness hat – auch bei Diabetes-Patienten.

Das sehr schnelle, laufintensive und auch verletzungsträchtige Fußballspiel ist allerdings für die meisten älteren Herren recht ungeeignet.

Walking Football fördert die Gesundheit und hat kaum Risiken

Eine „altersgerechte und gesundheitsfördernde Fußballvariante“ sei laut Müssig und Adamek „Walking Football“. Die Sportart nahm 2011 im englischen Chesterfield ihren Anfang. Inzwischen habe sich Walking Football mit mehr als 1.000 Mannschaften in England sogar zu einem Trendsport entwickelt. Über die Niederlande sei Walking Football mittlerweile auch nach Deutschland gelangt, berichten die beiden Ärzte.

 
Walking Football ist ein altersgerechte und gesundheitsfördernde Fußballvariante. Prof. Dr. Karsten Müssig, Prof. Dr. Henning E. Adamek
 

Sie sehen darin vor allem einen Präventions- und Gesundheitssport, der das Gemeinschaftsgefühl stärkt und den Spaß an der Bewegung fördert. Zentrale Regeln kennt man vom klassischen Fußball, doch es gibt etliche Besonderheiten:

  • Laufen ist untersagt; es darf nur gegangen werden.

  • Der Ball darf nicht über Hüfthöhe gespielt werden.

  • Harte körperliche Kontakte und Fouls sind verboten.

  • Kopfbälle sind tabu.

  • Es wird ohne Abseits auf einem Kleinfeld auf kleinere Tore gespielt.

  • Die Spielerzahl ist flexibel, meist umfasst ein Kader 5 bis 7 Spieler.

  • In Deutschland wird ohne Torwart gespielt.

Kostengünstige Möglichkeit der Prävention

Walking Football sei, wie die Autoren betonen, „eine geeignete und kosteneffektive Möglichkeit, ältere, übergewichtige und körperlich inaktive Männer für eine dauerhafte Teilnahme an einem Bewegungsprogramm mit moderater bis starker Intensität zu gewinnen“. In einer Studie mit 12 übergewichtigen Männern im mittleren Alter von 56 Jahren, die an einem 8-wöchigen Walking-Football-Training mit 60 Minuten pro Woche teilnahmen, lag die Adhärenz bei 90%. Ähnlich hoch soll die Adhärenz in einer Studie mit 31 Typ-2-Diabetikern gewesen sein.

Es gibt nur wenige und kleine Studien zu den kardiometabolischen Effekten dieses Sports bei Männern mit Diabetes. Den verfügbaren Daten zufolge könnte Walking Football jedoch eine effektive Möglichkeit sein, wenig trainierte Patienten zu motivieren, sich mehr zu bewegen, schlussfolgern Müssig und Adamek. Als weitere Vorteile erwähnen sie, das Selbstvertrauen zu stärken, die Fitness zu verbessern und kardiometabolische Parameter zu optimieren.

Angebote professioneller Fußballvereine seien recht attraktiv für Männer, die herkömmliche Gewichtsmanagement-Programme ablehnten. Ein Pluspunkt sei auch das nach bisherigen Erfahrungen vergleichsweise geringere Verletzungsrisiko. Die Autoren empfehlen allerdings, dass sich Bewegungswillige mit erhöhtem kardiovaskulärem oder kardiometabolischem Risiko vorab medizinisch untersuchen lassen, insbesondere dann, wenn sie längere Zeit keinen Sport ausgeübt haben.

Blutdruck senken durch 1x90 Minuten Fußballtraining pro Woche

Die prospektive randomisierte Interventionsstudie 3F (Fit & Fun with Football) zeigt, dass ein gesundheitsorientiertes Fußballtraining den Blutdruck (Langzeit- und Gelegenheitsblutdruck) bei Risikopatienten, die lange keinen Sport gemacht haben, effektiv und nachhaltig senkt.

Die Studie mit einem Jahr Follow-up wurde im Journal of Hypertension publiziert. Teilgenommen hatten 103 Patienten ab 45 Jahren mit Hypertonie, die mehrere Jahre keinen Sport mehr gemacht hatten, und 105 Kontrollpersonen.

Die Blutdruck-Werte sanken im Schnitt bei der Fußball-Gruppe signifikant von 142.6/87.9 auf 130.8/81.8 mmHg (P < 0.001). In der Kontrollgruppe stiegen die Werte dagegen leicht an. Außerdem konnten mehr Kicker ihre Antihypertensiva reduzieren als in der Gruppe der Sportmuffel.Positiver Nebeneffekt: Die Sporttruppe nahm im Schnitt 3 kg an Gewicht ab, die Kontrollgruppe dagegen um 1,7 kg zu. 

 
Wir konnten mit der 3F-Studie eine effektive Senkung des Blutdrucks ohne erhöhtes Verletzungspotenzial bei sportlich lang inaktiven Personen … nachweisen. Dr. Bastian Schrader
 

„Fußball spielt trotz seiner großen Popularität keine Rolle als Präventionssport. Wir konnten mit der 3F-Studie eine effektive Senkung des Blutdrucks ohne erhöhtes Verletzungspotenzial bei sportlich lang inaktiven Personen durch die Entwicklung eines auf Gesundheit und Spaß ausgerichteten Trainingskonzeptes nachweisen“, erklärt Dr. Bastian Schrader, Universität Oldenburg, Erstautor der 3F-Studie. „Zum Erreichen einer Nachhaltigkeit wurden Trainer speziell ausgebildet und eine Anbindung an lokale Fußballvereine erreicht. Aktuell wird eine deutschlandweite Umsetzung des Trainingskonzeptes in Kooperation mit dem DFB vorbereitet.“

Dieser Artikel ist im Original erschienen auf Univadis.de

 

Kommentar

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