Migräne ist bei weitem die häufigste neurologische Erkrankung. Epidemiologische Daten des Robert Koch-Instituts aus dem Jahr 2020 zeigen, dass 12 bis 15% aller Frauen und 6 bis 8% aller Männer in Deutschland an Migräne leiden. Zwar gibt es medikamentöse Therapiemöglichkeiten (z.B. Triptane) für die Behandlung akuter Migräneanfälle, doch die Prophylaxe der Kopfschmerzattacken ist noch immer schwierig. Viele Patienten suchen daher (zusätzlich) nach nicht-medikamentösen Möglichkeiten, um die Migräne und deren Auswirkungen auf die Lebensqualität zu lindern.
Dr. Christopher E. Ramsden vom National Institute on Aging in Baltimore, USA, und seine Kollegen untersuchten, ob die Erhöhung von Omega-3-Fettsäuren über die Ernährung über 16 Wochen Auswirkungen auf den anti-nozizeptiv wirkenden Botenstoff 17-Hydroxdocosahexaensäure (17-HDHA) im Blut und den Headache Impact Test (HIT-6) hat (primäre Endpunkte) [1]. 182 erwachsene Migränepatienten (durchschnittlich 38 Jahre alt, 88% Frauen) mit 5 bis 20 Migränetagen pro Monat wurden dafür auf 3 Diätgruppen randomisiert:
Teilnehmer der Gruppe 1 (n=61) erhielten 1,5 g Omega-3-Fettsäuren (Eicosapentaensäure EPA, Docosahexaensäure DHA) und hielten den Gehalt an Omega-6-Fettsäuren (Linolensäure) bei 7% des täglichen Energiebedarfs.
Teilnehmer der Gruppe 2 (n=61) erhielten 1,5 g Omega-3-Fettsäuren (Eicosapentaensäure EPA, Docosahexaensäure DHA) und reduzierten den Gehalt an Omega-6-Fettsäuren (Linolensäure) auf ≤1,8% des täglichen Energiebedarfs.
Teilnehmer der Gruppe 3 (Kontrollgruppe; n=60) nahmen <150 mg EPA/DHA pro Tag zu sich und hielten den Gehalt an Omega-6-Fettsäuren (Linolensäure) bei 7% des täglichen Energiebedarfs.
Die Gruppe 3 erhielt eine Diät, deren Omega-3- und Omega-6-Mengen etwa denen einer Ernährung in den Industrienationen entspricht – mit geringen Mengen an Omega-3 und hohen Mengen an Omega-6.
Während Omega-6-Fettsäuren zu Oxylipiden mit pro-nozizeptiven (schmerzfördernden) Eigenschaften oxidiert werden, haben Oxylipide wie 17-HDHA, die aus Omega-3-Fettsäuren synthetisiert werden, anti-nozizeptive (schmerzreduzierende) Eigenschaften.
Primärer Endpunkt nicht erreicht – keine Verbesserung der Lebensqualität
Die Studienergebnisse zeigen, dass zwar bei den Teilnehmern aus Gruppe 1 und 2 mit erhöhter Omega-3-Zufuhr (1,5 g/Tag) auch erhöhte 17-HDHA-Werte im Serum nachgewiesen werden konnten, doch Verbesserungen im Headache Impact Test nicht statistisch signifikant waren.
Der HIT-6 Fragebogen umfasst 6 Fragen und dient dazu, den Einfluss zu messen, den die Kopfschmerzen in Bezug auf Arbeit oder Schule, zu Hause oder auf Freizeitaktivitäten – kurz: die Lebensqualität – haben.
„Rein formal ist die Studie zu den primären Endpunkten negativ und die Berechnung sekundärer Endpunkte nicht zulässig“, gibt Prof. Dr. Hans-Christoph Diener, Neurologe von der Medizinischen Fakultät der Universität Duisburg-Essen, zu bedenken. Und weiter: „Von den internationalen Kopfschmerzgesellschaften gibt es anerkannte Leitlinien zur Durchführung von Migräne-Prophylaxe-Studien. Die Autoren haben sich beim Design der Studie nicht an die Leitlinien gehalten.“
Die US-amerikanischen und europäischen Leitlinien sehen 2 mögliche Endpunkte in solchen Studien vor, nämlich entweder die Reduktion der Migränetage pro Monat oder eine Responderrate von mindestens 50%.
Kopfschmerzreduktion signifikant, aber klinisch irrelevant
Obwohl keine Verbesserung der Lebensqualität festgestellt werden konnte, beschrieben die Autoren die Ergebnisse der sekundären Endpunkte Kopfschmerzhäufigkeit und -schwere. Zwischen der Kontrollgruppe (Gruppe 3) und den Gruppen 1 und 2 wurden signifikante Unterschiede festgestellt.
Während die durchschnittliche Anzahl an Kopfschmerzstunden pro Tag in der Kontrollgruppe bei 4,9 (95% Konfidenzintervall 4,2-5,6) lag, war sie in Gruppe 1 bei 3,6 (95% KI 3,1-4,1) und in Gruppe 2 bei 3,2 (95% KI 2,8-3,7). Durchschnittlich reduzierte sich die Kopfschmerzzeit pro Tag um 1,3 Stunden (Gruppe 1) bis 1,7 Stunden (Gruppe 2) signifikant (-2,1 bis -0,5 bzw. -1,7 bis -2,5). Auf den Monat bezogen hatten Teilnehmer der 1. Gruppe 2 Tage weniger Kopfschmerzen und Teilnehmer der 2. Gruppe 4 Tage weniger.
„Die Zahl von 1,3 bis 1,7 Kopfschmerzstunden pro Tag mag statistisch signifikant sein, klinisch ist sie wenig relevant. Das zeigt sich auch daran, dass die Häufigkeit der Einnahme der Triptane während der Studie nicht beeinflusst wurde. Kopfschmerzen wurden reduziert, die eigentlichen Migräneattacken jedoch nicht“, erklärt Diener.
Eine andere Omega-3-Studie ergab für den primären Endpunkt, die Anzahl der Migräneattacken pro Monat, ebenfalls keinen Unterschied zwischen Verum und Placebo.
Bisher überwiegend geringe Evidenz für diätetische Maßnahmen bei Migräne
So motiviert Migränepatienten auch sein mögen, durch Ernährungsumstellung eine dauerhafte Besserung zu erreichen, so uneindeutig ist leider die Datenlage. Die Studiendaten von Ramsden und seinen Kollegen mögen auf den ersten Blick vielversprechend scheinen, doch reihen sie sich ein in die Studien mit geringer bis mäßiger Aussagekraft.
Im Bereich der Nahrungsergänzungsmittel gibt es Hinweise für eine Wirksamkeit von Vitamin B2, Coenzym Q10 und Magnesium in der Migräneprophylaxe.
Für andere Nahrungsergänzungsstoffe (Vitamin B12, Vitamin D, Acetyl-L-Carnitin, Probiotika) gibt es keine gute wissenschaftliche Evidenz, dass sie vorbeugend gegen Migräne wirken. Eine Übersichtsarbeit fasst die bekannten Ergebnisse zusammen.
Eindeutig wirksamer als eine „Migräne-Diät“ sind als prophylaktische Maßnahme, individuelle Migräne-Trigger, etwa Alkohol, zu identifizieren und auf diese zu verzichten.
Medscape Nachrichten © 2021
Diesen Artikel so zitieren: Migräne-Diät gefloppt? Omega-3-Fettsäuren in der Ernährung reduzieren Kopfschmerz-Stunden, aber nicht Migräne-Tage - Medscape - 22. Jul 2021.
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