Das automatische Insulinpumpensystem Omnipod 5 der Firma Insulet verbessert die Blutzuckerkontrolle bei Kleinkindern mit Typ-1-Diabetes schon ab einem Alter von 2 Jahren, wie neue Daten jetzt zeigen.
Das Omnipod-5-System kombiniert ein schlauchloses, insulingefülltes Depot (Pod) mit dem Dexcom-G6-Blutzuckermessgerät, das eine kontinuierliche Spiegelbestimmung gewährleistet. Beide Geräte werden über eine Smartphone-App verbunden und ermöglichen durch einen Algorithmus die halbautomatische Insulinabgabe. Das Produkt wird derzeit von der FDA in den USA geprüft. Für die 2. Jahreshälfte 2021 rechnet das Unternehmen mit der Freigabe für die begrenzte Markteinführung.
Die Ergebnisse der Schlüsselstudie für das System bei Typ-1-diabetischen Kindern zwischen 2 und 5,9 Jahren wurden während des virtuellen 81. Kongresses der American Diabetes Association (ADA) vorgestellt [1].
Außerdem wurden Follow-up-Daten nach 6 Monaten für eine weitere zulassungsrelevante Studie mit 112 Kindern zwischen 6 und 13,9 Jahren und 129 Erwachsenen zwischen 14 und 70 Jahren vorgestellt. Die ersten Dreimonatsdaten waren Anfang des Jahres auf der Jahrestagung der Endocrine Society vorgestellt und anschließend am 7. Juni online in Diabetes Care veröffentlicht worden.
Eine weitere Studie, die ebenfalls auf der ADA-Tagung vorgestellt wurde, widmete sich der Lebensqualität von Kindern, die den Omnipod 5 verwenden, und deren Eltern.
Im Falle einer Zulassung des Omnipod 5 durch die FDA, wäre es das dritte kommerzielle automatische Insulinpumpensystem in den USA. Diese Systeme werden auch als „Hybridsystem mit geschlossenem Regelkreis“ oder als „künstlicher Pankreas“ bezeichnet. Es wäre das zweite, das für Kinder ab 2 Jahren zugelassen ist, und das erste, das Insulin subkutan ohne Schlauch verabreicht. Dieser Punkt dürfte für Eltern von Kleinkindern besonders attraktiv sein.
Schlauchlose Funktion hilfreich bei aktiven Kindern
Medscape hatte die Kinderendokrinologin Dr. Laura M. Jacobsen von der University of Florida, Gainesville, um einen Kommentar gebeten: „Der große Vorteil beim Omnipod 5 ist, dass er das einzige schlauchlose automatische Insulinpumpensystem in den USA wäre. Automatische Pumpen sind einfach ein Segen, wenn es darum geht, einen längeren Zeitraum zu überbrücken, was besonders über Nacht interessant ist. Und die Aussicht, dass schon für so kleine Kinder zur Verfügung zu haben, ist wunderbar.“
Ein weiterer Unterschied zwischen dem Omnipod 5 und anderen Systemen ist die Möglichkeit, Zielwerte für den Glukosespiegel von 110 bis 150 mg/dl einzustellen. Allerdings werden die neueren Versionen der bereits erhältlichen Hybridsysteme mit geschlossenem Regelkreis diese Funktion jetzt voraussichtlich ebenfalls enthalten. „Sie unterscheiden sich alle ein wenig in der Art, wie die Algorithmen arbeiten, aber ich denke, dass die Ergebnisse recht ähnlich sein werden“, sagte Jacobsen.
Die schlauchlose Funktion dürfte bei manchen sehr aktiven kleinen Kindern besonders hilfreich sein, meinte sie weiter. „Viele kleine Kinder nutzen die Pumpsysteme mit Schlauch und oft funktioniert das auch gut, aber bei manchen geht es einfach nicht, und das Kind bleibt ständig mit dem Schlauch irgendwo hängen. Für viele Eltern könnte damit der Schritt zum automatischen Pumpsystem doch gelingen. Viele wollen den Schlauch gar nicht ausprobieren, aber wenn sie den Omnipod sehen, fassen sie vielleicht neues Zutrauen zu einem Pumpensystem.“
„Insgesamt denke ich, dass jede technische Entwicklung, die die Lebensqualität von Typ-1-Diabetikern erhöht, wichtig ist und den Menschen größere Wahlmöglichkeiten bietet“, sagte Jacobsen, die keinerlei finanzielle Beziehungen zu einem Anbieter von Pumpsystemen unterhält.
Schlüsselstudienresultate mit Benefit für lebhafte Vorschulkinder
Die Auswertung nach den ersten 3 Monaten mit dem Omnipod 5 bei Typ-1-diabetischen Kindern im Alter von 2 bis 5,9 Jahren wurde am 26. Juni von der Kinderendokrinologin Dr. Jennifer Sherr von der Yale School of Medicine in New Haven, Connecticut, vorgestellt. Auf dem Kongress?
„Als Kinderendokrinologin kann ich bestätigen, wie schwierig es ist, diese Altersgruppe mit ihren unregelmäßigen Essgewohnheiten und unberechenbaren körperlichen Aktivitäten zu betreuen. Oft fürchten die Eltern die Hypoglykämie, da diese Kinder ihre Empfindungen noch nicht gut ausdrücken und dann auch selbst behandeln können“, bemerkte sie.
Insgesamt wurden 80 Kinder an 10 Einrichtungen in den USA in die Studie aufgenommen. Nach einer 14-tägigen Phase mit einer Standardtherapie (Baseline) folgte anschließend eine 3-monatige Phase mit automatischer Insulinabgabe. In dieser Phase konnten die Kinder frei essen und nach Belieben aktiv sein.
Ergebnisse
Nach 3 Monaten war der zu Studienbeginn mittlere HbA1c-Wert in der Gruppe von 7,4% auf 6,9% gesunken, was ein signifikanter Unterschied war (p < 0,05). Der Anteil derjenigen, die den HbA1c-Zielwert von maximal 7% erreichten, lag nach 3 Monaten bei 54% gegenüber 31% zu Beginn der Studie.
Der Rückgang fiel in der Untergruppe von 25 Teilnehmern mit einem initialen HbA1c-Wert von 8% und mehr noch deutlich stärker aus, obwohl er auch bei den 55 Teilnehmern mit einem niedrigeren HbA1c-Ausgangswert signifikant war (-1,06 vs. -0,31%; beide p<0,05).
Der Zeitraum innerhalb des Zielbereichs stieg von 57,2% bei Studienbeginn auf 68,1% nach 3 Monaten an (p < 0,05). „Diese Kinder verbringen durchschnittlich täglich 2,6 Stunden mehr im gewünschten Bereich“, bemerkte Sherr. Dieser Unterschied sei bereits kurz nach Studienbeginn sichtbar gewesen und über den 3-monatigen Beobachtungszeitraum hinweg erhalten geblieben.
Diese Verbesserung um 10,9% bei der Einhaltung des Zielwertes mit dem Omnipod 5 sei mit den Steigerungen in den erwähnten Zulassungsstudien an älteren Kindern und Erwachsenen vergleichbar, fuhr Sherr fort. Die Daten aus diesen Studien zeigten eine Erhöhung der Dauer im Zielbereich von 15,6% bei den 6- bis 13,9-Jährigen und von bis zu 8,0% unter den 26- bis 49-Jährigen. Interessanterweise konnten sogar in der Altersgruppe der 50- bis 70-Jährigen Steigerungen in der täglichen Einhaltung des Zielbereiches gemessen werden, ergänzte sie. Diese habe sich nach 3 Monaten mit dem Omnipod 5 von einem bereits hohen Ausgangswert von 69,9% auf 79,1% gesteigert.
In der aktuellen Studie wurde der Zeitzuwachs der jüngsten Altersgruppe im Zielbereich vornehmlich über eine Reduktion oberhalb des Schwellenwertes erzielt, d.h. 2,4 Stunden pro Tag weniger über 180 mg/dl, während die Zeit unter 70 mg/dl nur um 4 Minuten pro Tag reduziert wurde. Die nächtliche Zeit im Bereich der Normalwerte verbesserte sich um 1,4 Stunden pro Nacht, wobei der größte Teil auch hier die Senkung der Hyperglykämie betraf.
Der Anteil der Kinder, die das kombinierte Ziele aus höchstens 4% unterhalb des Zielbereiches und mindestens 60% darin erreichten, stieg von 29% auf 65%.
Während der ersten 3 Monate gab es keine Episoden einer schweren Hypoglykämie oder einer diabetischen Ketoazidose.
Eine weitere wichtige Kennzahl war die Schlafqualität der Eltern (oder Pflegepersonen). Sie verbesserte sich ebenfalls. Unter Verwendung des Omnipod 5 stieg der Anteil derjenigen, die ihre Schlafqualität als „sehr gut“ oder „ziemlich gut“ bezeichneten, von 65% bei Studienbeginn auf 90%, während die „sehr schlechte“ Schlafqualität von 8,8% auf 0% zurückging.
Alle 80 Kinder konnten bis zum Ende an der Studie teilnehmen, und alle entschieden sich mit ihren Eltern für eine 12-monatige Verlängerungsphase.
Benefit bei älteren Kindern und Erwachsenen dauerhaft
Dr. Anders L. Carlson, ärztlicher Leiter des International Diabetes Center an Park Nicollet in Minneapolis, Minnesota, präsentierte am 25. Juni auf einem Poster weitere Nachbeobachtungsdaten aus der erwähnten 3-monatigen Schlüsselstudie von 108 älteren Kindern und 109 Erwachsenen aus der ursprünglichen Studie.
Der HbA1c-Wert blieb sowohl bei den Kindern als auch bei den Erwachsenen nach 6 Monaten auf einem niedrigeren Niveau als zu Beginn der Studie (p < 0,001). Bei den Kindern unterschieden sich die HbA1c-Werte nach 6 Monaten nicht signifikant von denen nach 3 Monaten, während bei den Erwachsenen noch ein weiterer Rückgang um 0,1% verzeichnet werden konnte (p < 0,01).
In der 3-monatigen Verlängerungsphase war es zu einer Episode einer diabetischen Ketoazidose gekommen, jedoch zu keinen schweren hypoglykämischen Episoden. „Die dauerhafte Absenkung des HbA1c-Wertes demonstriert den potenziellen Langzeitnutzen des Omnipod-5-Systems“, schlossen Carlson und sein Team.
Geringere Belastung durch Diabetes und erhöhte Lebensqualität der Eltern
Ebenfalls auf dem Kongress stellte der Psychologe Dr. Korey K. Hood von der kalifornischen Stanford University Daten zur Lebensqualität von 83 Kindern zwischen 6 und 11,9 Jahren, 42 Jugendlichen zwischen 12 und 17,9 Jahren sowie deren Eltern vor, die alle den Omnipod 5 verwendeten.
Sowohl bei den Jugendlichen als auch bei ihren Eltern wurden signifikante Verbesserungen beim Fragebogen PAID (Problem Areas in Diabetes, Problembereiche der Diabetesbehandlung), der als Maßstab für diabetesbedingten emotionale Belastungen herangezogen wird, festgestellt. Auf der Hypoglycemic Confidence Scale waren die Veränderungen weniger deutlich, doch erreichten die Werte für Verbesserungen unter den Eltern jüngerer Kinder Signifikanzniveau.
„Wir wissen, dass diese Gruppe sich oft echte Sorgen wegen einer möglichen Hypoglykämie macht, und zwar nicht nur im Schlaf, sondern auch in der Schule und außerhalb des Hauses. Ihr Vertrauen so weit zu stärken, erscheint mir als wichtiger Erfolg“, kommentierte Hood.
Beim Schlafqualitäts-Fragebogen PSQI (Pittsburgh Sleep Quality Index) zeichnete sich kein signifikanter Trend zur Verbesserung zwischen den Gruppen ab, doch verbesserte sich die Gesamtschlafqualität unter den Eltern jüngerer Kinder signifikant. Im WHO-5 Fragebogen zum Wohlbefinden und zur Lebensqualität zeigten sich ebenfalls signifikante Verbesserungen bei den Eltern jüngerer Kinder.
„Eine geringere Belastung durch die Krankheit Diabetes und eine erhöhte Lebensqualität sind neben den erreichten Resultaten bei der Blutzuckerkontrolle weitere wesentliche Vorteile des Omnipod 5“, sagte Hood.
Dieser Artikel wurde von Markus Vieten aus www.medscape.com übersetzt und adaptiert.
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Diesen Artikel so zitieren: Diabetes mellitus Typ 1: Erfolge für das künstliche Pankreas „Omnipod 5“ – auch schon bei Kleinkindern - Medscape - 16. Jul 2021.
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