Leukämie nach Prostata-Bestrahlung; Rektumkarzinom und Avelumab; Kolonkarzinom und UV-B-Licht-Mangel; neue Brustkrebs-Leitlinie

Dr. Susanne Heinzl

Interessenkonflikte

13. Juli 2021

Im Onko-Blog dieser Woche geht es um den Zusammenhang von Bestrahlung und vermehrten Leukämien bei Prostatakarzinom-Patienten. Beim Rektumkarzinom kann durch Zugabe des PD-L1-Inhibitors zur präoperativen Standardtherapie das Ansprechen verbessert werden.

Die aktualisierte S3-Leitlinie zum Mammakarzinom berücksichtigt neue Daten zu CDK3/4-Inhibitoren bei Frauen mit fortgeschrittener Erkrankung. Der CD38-Antikörper Daratumumab, subkutan zusätzlich zu Standardtherapie gegeben, kann das hämatologische Ansprechen von Patienten mit AL-Amyloidose verbessern.

  • Prostatakarzinom: Erhöhtes Leukämierisiko durch Bestrahlung

  • Rektumkarzinom: Avelumab verbessert präoperative Radiochemotherapie

  • Kolonkarzinom: UV-B-Licht-Mangel, Alter und Krebsrisiko

  • Mammakarzinom: S3-Leitlinie zu Diagnostik, Therapie und Nachsorge aktualisiert

  • AL-Amyloidose: Daratumumab-basierte Therapie verbessert Outcome

  • Multiples Myelom: Variable Reaktion auf SARS-CoV-2-Impfung

Prostatakarzinom: Erhöhtes Leukämierisiko durch Bestrahlung

Eine Bestrahlung ist bei Männern mit Prostatakarzinom mit einem erhöhten Risiko für Lymphome und Leukämien assoziiert. Die Rate sekundärer hämatologischer Tumoren war bei alleiniger externer Radiotherapie (EBRT) um 21%, bei Brachytherapie um 20% und bei einer Kombination der beiden Verfahren um 27% erhöht.

Eine chinesische Arbeitsgruppe hatte retrospektiv Daten der amerikanischen Datenbank SEER (Surveillance, Epidemiology and End Results) analysiert. Wie sie in Cancer Medicine berichtete, entwickelten von 288.400 Männern mit einem T1/T2-Prostatakarzinom 3.479 einen hämatologischen Sekundärtumor (SHM). Am häufigsten traten ein Non-Hodgkin-Lymphom (45,9%), ein multiples Myelom (20,8%) und eine chronische lymphatische Leukämie (13,9%) auf.

Männer, die sich einer externen Radiotherapie (Hazard Ratio 1,21), einer Brachytherapie (HR 1,20), einer Kombination von externer Radiotherapie und Brachytherapie (HR 1,27) oder einer Kombination von Prostatektomie und Radiotherapie (HR 1,36) unterzogen hatten, wiesen ein höheres Risiko für die Entwicklung eines hämatologischen Sekundärtumors auf als Patienten ohne Bestrahlung oder Prostatektomie. Patienten, die nur prostatektomiert worden waren, hatten kein erhöhtes Risiko für ein Sekundärmalignom.

Überraschend war der Befund, dass die Rate für hämatologische Sekundärtumoren bei verheirateten Männern um 30% höher als bei alleine lebenden Männern war.

Die Autoren weisen darauf hin, dass sie die Strahlendosis und eventuelle Komorbiditäten der Patienten bei der Auswertung der Daten nicht berücksichtigen konnten und dass es sich um eine retrospektive Analyse handelte.

Rektumkarzinom: Avelumab verbessert präoperative Radiochemotherapie

Ein lokal fortgeschrittenes Rektumkarzinom spricht durch zusätzliche präoperative Gabe des PD-L1-Antikörper Avelumab zur Standard-Chemotherapie besser an. Dies zeigten die Ergebnisse der Phase-2-Studie AVANA, die eine italienische Arbeitsgruppe beim ESMO World Congress on Gastrointestinal Cancer vorgestellt hat

AVANA schloss in 10 italienischen Zentren 101 Patienten mit resezierbarem lokal fortgeschrittenem Rektumkarzinom ein, die präoperativ mit der Standard- Radiochemotherapie aus Capecitabin plus Bestrahlung behandelt wurden. Zusätzlich erhielten sie Avelumab. Eine totale mesorektale Exzision wurde 8 bis 10 Wochen nach der präoperativen Therapie durchgeführt.

Primärer Endpunkt war die Rate der vollständigen pathologischen Remissionen (pCR). Diese wurde bei 23% der Patienten erreicht. 60% sprachen pathologisch stark an.

Von 62 Patienten war der Mikrosatelliten-Status bekannt. Nur 2 Patienten waren MSI-H (hohe Mikrosatelliteninstabilität), ein Patient erreichte ein pathologisch komplettes Ansprechen und ein Patient sprach stark an. Von den 60 Patienten mit Mikrosatelliten-stabilen(MSS)-Tumoren sprachen 8% komplett, 69% stark und 23% gar nicht an.

Die Avelumab-Gabe erwies sich als relativ gut verträglich, so dass die Autoren schlussfolgerten, dass die Kombination von Avelumab mit präoperativer Radiochemotherapie eine vielversprechende Aktivität und ein annehmbares Sicherheitsprofil aufweist.

Kolonkarzinom: UV-B-Licht-Mangel, Alter und Krebsrisiko

Mit zunehmendem Alter nimmt die inverse Assoziation zwischen UV-B-Lichtexposition und Inzidenz eines Kolorektalkarzinoms zu. Dies ergab eine ökologische Studie einer amerikanischen Arbeitsgruppe, die die Altersabhängigkeit der inversen Beziehung der Bewölkungs-adjustierten UV-B-Lichtexposition und der globalen Inzidenz des Kolorektalkarzinoms untersucht hat ( BMC Public Health ).

Ein Mangel an Vitamin D gilt als potenzieller Risikofaktor für ein Kolorektalkarzinom, wenngleich dies nicht in allen bisher durchgeführten Studien bestätigt werden konnte. Der Vitamin-D-Spiegel wird durch die UV-B-Lichtexposition beeinflusst.

Verschiedene in der Studie eingesetzte Modelle ergaben, dass sich die inverse Assoziation zwischen UV-B-Lichtexposition und Inzidenz des Kolorektalkarzinoms mit steigendem Alter verstärkt hat. Zudem konnte eine inverse Assoziation zwischen UV-B-Lichtexposition und Inzidenz des Darmkrebses in allen Altersgruppen nachgewiesen werden.

Die Autoren sind der Meinung, dass die Ergebnisse darauf hinweisen, dass entsprechende Programme zur Vermeidung eines Vitamin-D-Mangels, sei es durch Screening, durch Supplementierung oder auch durch Anreicherung von Lebensmitteln sinnvoll sein könnten.

Mammakarzinom: S3-Leitlinie zu Diagnostik, Therapie und Nachsorge aktualisiert

Das Leitlinienprogramm Onkologie hat unter Federführung der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe e.V. (DGGG) die S3-Leitlinie Früherkennung, Diagnostik, Therapie und Nachsorge des Mammakarzinoms aktualisiert und die Empfehlungen zum Einsatz von zielgerichteten Therapien, etwa mit CDK4/6-Inhibitoren, bei Patientinnen mit fortgeschrittenem Brustkrebs überarbeitet.

„Bei HER-2-negativen Patientinnen mit hormonabhängig wachsendem metastasiertem Brustkrebs können CDK4/6- Inhibitoren in Kombination mit einer Hormontherapie das Fortschreiten der Erkrankung verlangsamen“, so Leitlinienkoordinator Prof. Dr. Achim Wöckel, Universitätsklinikum Würzburg, in einer Pressemitteilung. „Diese Patientinnen sollten deshalb eine Kombination aus Aromatasehemmern oder Fulvestrant mit CDK4/6- Inhibitoren erhalten, sofern diese Substanzklasse bislang noch nicht eingesetzt wurde.“

Hormonrezeptor-positive, HER-2-negative Brustkrebspatientinnen, bei denen der Tumor bereits vor der Menopause streut, profitierten ebenfalls von der Kombination aus CDK4/6-Inhibitoren und Hormontherapie, wobei aber zunächst die Funktion des Ovars, beispielsweise durch die Gabe eines GnRH-Antagonisten ausgeschaltet werden muss.

An der S3-Leitlinie Mammakarzinom waren insgesamt 52 ehrenamtlich arbeitende Expertinnen und Experten aus 34 Fachgesellschaften und Organisationen beteiligt. Die Leitlinie ist hier abrufbar.

AL-Amyloidose: Daratumumab-basierte Therapie verbessert Outcome

Bei Patienten mit neu diagnostizierter AL-Amyloidose (Leichtketten-Amyloidose) verbesserte die zusätzliche subkutane Gabe von Daratumumab zu Bortezomib, Cyclophosphamid und Dexamethason im Vergleich zur Dreifachkombination ohne Daratumumab das hämatologische Ansprechen signifikant.

Die Ergebnisse der Phase-3-Studie ANDROMEDA hat eine internationale Arbeitsgruppe im New England Journal of Medicine publiziert.

Die AL-Amyloidose ist eine seltene und potenziell tödliche Erkrankung. Sie tritt auf, wenn sich das unlösliche Protein Amyloid in Geweben und Organen ablagert und Gewebs- und Organfunktionen beeinträchtigt.

Zur Therapie werden bislang beim multiplen Myelom bewährte Schemata wie Bortezomib, Cyclophosphamid und Dexamethason eingesetzt. In der ANDROMEDA-Studie wurden nun Wirksamkeit und Verträglichkeit einer zusätzlichen subkutanen Gabe des CD38-Antikörper Daratumumab untersucht.

388 Patienten, im Median 64 Jahre alt, mit neu diagnostizierter AL-Amyloidose erhielten die Standardkombination ohne (Kontroll-Gruppe, n=193) oder mit Daratumumab (Daratumumab-Gruppe, n=195).

Nach einem medianen Follow-up von 11,4 Monaten hatten 104 Patienten (53,3%) der Daratumumab- und 35 Patienten (18,1%) der Kontroll-Gruppe komplett hämatologisch angesprochen. Der Unterschied war mit p<0,001 signifikant. Bis zum Ansprechen dauerte es in der Daratumumab-Gruppe im Median 60 Tage, in der Kontroll-Gruppe 85 Tage.

Patienten in der Daratumumab-Gruppe lebten länger ohne Organschädigung oder hämatologische Progression als die Patienten der Kontroll-Gruppe (Hazard-Ratio 0,58, p=0,02).

Schwere Nebenwirkungen traten bei 43% der Patienten der Daratumumab- und bei 36,2% der Kontroll-Gruppe auf. Sie führten bei 4,1% bzw. 4,3% zum Therapieabbruch.

Die Food and Drug Administration (FDA) und die Swissmedic haben s.c. Daratumumab aufgrund der Studienergebnisse zur Behandlung der AL-Amyloidose zugelassen.

Multiples Myelom: Variable Reaktion auf SARS-CoV-2-Impfung

Bei Patienten mit multiplem Myelom (MM) variiert nach Gabe von 2 Dosen mRNA-COVID-19-Impfstoff die Antikörper-Antwort stark, so ein in Cancer Cell online veröffentlichter Letter einer Arbeitsgruppe aus New York.

Sie hatten die Spike-bindenden Immunglobulin(Ig)-G-Antikörperspiegel bei 260 Patienten mit multiplem Myelom mindestens 10 Tage nach der 2. COVID-19-Impfung (69,1% Comirnaty von BioNTech; 27,2% Spikevax von Moderna, 3,8% unbekannt) gemessen.

84,2% der 260 Teilnehmer wiesen messbare SARS-CoV-2-Spike-bindende IgG-Antikörperspiegel mit erheblichen Schwankungen auf (Median 149 AU/ml; 5 bis 7.882 AU/ml). Bei 15,8% lagen die Werte unterhalb der Nachweisgrenze.

In einer Kontrollgruppe von 67 Pflegekräften waren die durch den Impfstoff induzierten Antikörperspiegel homogener mit einem Median von 300 AU/ml (21 bis 3.335 AU/ml). Bei keinem Teilnehmer der Kontrollgruppe lag der Antikörperspiegel unterhalb der Nachweisgrenze.

Es gab 10 Fälle von COVID-19 bei den MM-Patienten nach der mRNA-Impfung, und zwar 7 nach einer Dosis und 3 nach beiden Dosen.

„Unsere Ergebnisse unterstreichen die Notwendigkeit einer routinemäßigen serologischen Überwachung von Patienten mit einem multiplen Myelom nach der COVID-19-Impfung, um individuelle Maßnahmen zur Risikominderung im Zusammenhang mit der Lockerung von Maskenpflicht und Abstandsgeboten einzuleiten“, so die Autoren.

 

Kommentar

3090D553-9492-4563-8681-AD288FA52ACE
Wir bitten darum, Diskussionen höflich und sachlich zu halten. Beiträge werden vor der Veröffentlichung nicht überprüft, jedoch werden Kommentare, die unsere Community-Regeln verletzen, gelöscht.

wird bearbeitet....