Daten der Phase-3-Studie ENVISION-1 belegen: Der TNF-α-Inhibitor Adalimumab verringert bei Kindern und Jugendlichen mit moderater bis schwerer Colitis ulcerosa die Krankheitsaktivität und verbessert die Lebensqualität. Die Remissionen ermöglichen mehr Präsenz in der Schule und am Ausbildungsplatz. Alle Ergebnisse haben Prof. Dr. Nicholas M. Croft von der Queen Mary University of London und Kollegen jetzt in The Lancet Gastroenterology & Hepatology veröffentlicht [1].
Steigende Inzidenz chronisch-entzündlicher Darmerkrankungen
Zum Hintergrund: In westlichen Ländern nimmt die Inzidenz chronisch-entzündlicher Darmerkrankungen (CED) bei Kindern zu, das gilt auch für Deutschland. Daten einer großen deutschen Krankenkasse zufolge ist die Inzidenz in der Altersgruppe bis 17,9 Jahre allein zwischen 2009 und 2012 von 13,65 auf 17,41 Fälle pro 100.000 Personen und pro Jahr angestiegen.
Bei Kindern werden CED ab dem 7. Lebensjahr häufiger und verlaufen oft aggressiver als bei Erwachsenen. Ein großer Teil der betroffenen pädiatrischen Patienten wird off label mit Medikamenten behandelt, die für Erwachsene zugelassen sind. Denn eine Rekrutierung pädiatrischer Patienten für kontrollierte, randomisierte Studien ist aus ethischen Gründen deutlich komplexer als eine Rekrutierung Volljähriger.
Die Phase-3-Studie ENVISION-1 ist die bislang größte randomisierte, doppelblinde Studie, in der ein Biologikum bei Minderjährigen mit Colitis ulcerosa untersucht worden ist. Nun sind die Daten komplett veröffentlicht worden.
Design der ENVISION-1-Studie
Croft und Kollegen konzipierten eine doppelblinde, kontrollierte Phase-3-Studie an 19 Zentren in 9 Ländern. Sie rekrutierten Patienten im Alter von 4 bis 17 Jahren (Durchschnitt: 14,1 Jahre) mit mittelschwerer bis schwerer Colitis ulcerosa trotz Glukokortikoidtherapie (≥ 2 mg oral Prednisolon oder Äquivalent) oder Immunsuppression (Methotrexat, Azathioprin, Mercaptopurin). Colitis ulcerosa wurde anhand des nach dem Full Mayo Score (FMS; moderat bis schwer: FMS 6 bis 12).
Studienteilnehmer erhielten eine Induktionsbehandlung mit Adalimumab subkutan in hoher Dosis (2,4 mg/kg KG bis maximal 160 mg) in den Wochen 0 und 1 oder mit Standard-Dosierung von Adalimumab (2,4 mg/kg Körpergewicht bis maximal 160 mg) nur in Woche 0 und in Woche 1 ein Placebo. Kotherapien mit Immunsuppressiva und/oder Kortikosteroiden waren möglich.
Nach 8 Wochen wurden die Responder randomisiert in eine Gruppe mit Placebo-Erhaltungstherapie (20% der Responder) und zwei weitere Gruppen mit entweder einer Hochdosis Adalimumab als Erhaltungstherapie oder einer Standarddosis Adalimumab als Erhaltung.
Koprimäre Endpunkte waren Ansprechraten zu Woche 8 (partieller Mayo-Score ≤ 2 und kein Subscore > 1) und nach der Erhaltungstherapie zu Woche 52.
Hauptergebnisse der Studie
93 Patienten wurden in die Hauptstudie rekrutiert und randomisiert. 74 von ihnen (80 %) hatten nach der 8-wöchigen Induktionsphase angesprochen.
Von den Respondern wurden 12 Patienten mit Placebo als Erhaltung weiterbehandelt und 62 mit Adalimumab in den beiden verschiedenen Dosierungen. Die Response-Rate war in der Hochdosis-Adalimumab-Gruppe mit 60% höher als in der Gruppe mit Standarddosis des TNF-α-Inhibitors (43%) und als in der externen Placebogruppe (19,8%).
Nach 1 Jahr waren noch 45 % der Responder aus dem Studienarm mit Hochdosis-Adalimumab in einer Remission und 18,4 % im Placeboarm (p = 0,0001). In der Gruppe unter Erhaltungstherapie mit der Standarddosis Adalimumab blieben 29% in Remission.
Stuhlfrequenz und Häufigkeit von Blut im Stuhl wurden in der Hochdosis-Adalimumab-Gruppe stärker reduzierten als in der Standard- und in der Kontrollgruppe. Es verbesserten sich die Lebensqualität, der Aktivitätsgrad und die Präsenz der Kinder und Jugendlichen in der Schule oder am Ausbildungsplatz unter TNF-α-Inhibition; in der höheren Dosis von Adalimumab am stärksten.
Unerwünschte therapieassoziierten Effekte traten wie erwartet auf, meist handelte es sich um Kopfschmerzen, Anämie und Colitis-ulcerosa-Aktivitäten auf. Sie waren aber gut kontrollierbar.
Erstmals hochwertige Daten zu Adalimumab in der Pädiatrie
Erstmals ist in einer großen, randomisierten und kontrollierten Studie bei Kindern belegt worden, dass die TNF-α-Hemmung mit Adalimumab die Aktivität der mittelschweren bis schweren Colitis ulcerosa im klinisch relevanten Maße reduziert und die Lebensqualität der Kinder deutlich verbessert. Die Behandlung wird als sicher bewertet, die Injektion von Adalimumab sei unkompliziert und zuhause durchführbar.
Die ENVISION-1-Studiendaten haben zur EU-weiten Zulassung von Adalimumab für die Behandlung der mittelschweren bis schweren aktiven Colitis ulcerosa bei Kindern und Jugendlichen ab dem Alter von 6 Jahren geführt, wenn die Patienten auf eine konventionelle Therapie (Kortikosteroide und/oder 6-Mercaptopurin oder Azathioprin) unzureichend ansprechen oder Unverträglichkeiten bestehen.
Dieser Artikel ist im Original erschienen auf Univadis.de .
Medscape Nachrichten © 2021
Diesen Artikel so zitieren: Colitis ulcerosa bei Kindern: Adalimumab verringert die Krankheitsaktivität und normalisiert den Alltag - Medscape - 9. Jul 2021.
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