Patient verweigert SARS-CoV-2-Test –besteht trotzdem eine Behandlungspflicht? Es kommt drauf an …

Dr. jur. Florian Hölzel

Interessenkonflikte

7. Juli 2021

Besteht in der Klinik eine Behandlungspflicht, auch wenn ein SARS-CoV-2-Test verweigert wird? Dürfen Erkrankte ohne Maske der Praxis verwiesen werden? Diese Fragen zu Patientinnen und Patienten, die Vorsichtsmaßnahmen zur Pandemiebekämpfung kritisch gegenüberstehen, beantwortet Dr. jur. Florian Hölzel, Fachanwalt für Medizinrecht, von der Rechtsanwaltskanzlei “Broglie, Schade & Partner GbR”.

Dr. jur. Florian Hölzel

Ärztinnen und Ärzte fragen sich aktuell immer wieder, wie sie mit solchen Patientinnen und Patienten umgehen sollen. Dürfen sie beispielsweise zu behandelnde Personen ohne Maske der Praxis verweisen? Können sie Erkrankten die Behandlung verweigern, wenn sich diese nicht auf SARS-CoV-2 testen ließen?

Einen Fingerzeig für eine mögliche juristische Einordnung, ob Ärztinnen und Ärzte die Behandlung ohne Test verweigern dürfen, ergibt sich aus einer im vorläufigen Rechtsschutz ergangene Entscheidung des Landgericht Dortmund vom 4.11.2020 (Aktenzeichen 4 T 1/20).

Schwangere zieht gegen Krankenhaus vor Gericht

Eine schwangere Patientin war von ihren Behandelnden zur Abklärung von nicht akuten Krankheitssymptomen in ein Krankenhaus eingewiesen worden. Dort lehnte sie bei Aufnahme jedoch ab, sich einem Corona-Test zu unterziehen. Der Krankenhausträger verweigerte daraufhin den Abschluss eines Behandlungsvertrags.

Dies war juristisch insoweit bemerkenswert, als Krankenhäuser gemäß den Landeskrankenhausgesetzen der Länder regelmäßig zum Abschluss eines Behandlungsvertrags verpflichtet sind (sog. Kontrahierungszwang).

Mit diesem Wissen zog die Patientin vor das Amtsgericht Dortmund, um im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes ihre stationäre Aufnahme zu erzwingen. Das AG lehnte dies mit Verweis auf § 5 Abs. 1 der Corona-Schutzverordnung NRW ab. Hiernach sind Krankenhäuser dazu verpflichtet,erforderliche Maßnahmen zu ergreifen, um den Eintrag von Coronaviren zu erschweren und Patienten […] und Personal zu schützen.

Dem Argument der Patientin, der PCR-Test könne nur einen DNA-Teilstrang erkennen, nicht aber eine Infektion, verwarf das Gericht mit Verweis auf die gegenteilige Einschätzung des Robert Koch-Instituts.

Testverweigerung ist Grund zur Kündigung eines Behandlungsvertrages

Auch das Landgericht Dortmund erteilte der „sofortigen Beschwerde“ der Patientin eine Absage. Wenn ein bereits abgeschlossener Vertrag gekündigt werden könne, bestände erst recht kein Anspruch auf Abschluss eines solchen Vertrages. Die Testverweigerung stelle einen wichtigen Grund zur (fristlosen) Kündigung dar. Dem Krankenhaus werde es hierdurch unmöglich gemacht, seinen Schutzpflichten aus der zitierten Corona-Schutzverordnung NRW nachzukommen.

Ein Anspruch des Krankenhauses auf Durchführung eines Corona-Test ergäbe sich aus dem Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme, das auch bereits im Vertragsanbahnungsverhältnis bestünde. Eine Abwägung der unterschiedlichen Interessen der Beteiligten führt aus Sicht des LG nicht zu einer anderen Einschätzung.

Die Testdurchführung sei zwar für die Patientin unangenehm, stelle jedoch vor dem Hintergrund der geschilderten Schutzpflichten des Krankenhausträgers keinen unzumutbaren Eingriff in deren körperliche Integrität dar.

Ausnahme: Notfall

Anders hätte die Sache ggf. ausgesehen, wenn die schwangere Testverweigerin als Notfall eingewiesen worden wäre. Hier wäre unter Abwägung der widerstreitenden Interessen dem Schutz der werdenden Mutter und ihres ungeborenen Kindes (zumindest für die Dauer der Notfallbehandlung) Vorrang vor etwaigen Infektionsrisiken Dritter einzuräumen gewesen.

Das bedeutet das Urteil für niedergelassene Ärzte

Auf die Situation in Praxen niedergelassener Ärztinnen und Ärzte lassen sich diese Entscheidungen nur begrenzt übertragen. Für den ambulanten Sektor existiert ein mit § 5 Corona-Schutzverordnung NRW vergleichbares Schutzgesetz nicht explizit.

Lediglich aus der allgemeinen vertraglichen Schutzpflicht der Praxisinhaber gegenüber vulnerablen Patientengruppen sowie des Praxispersonals könnte eine analoge Pflicht auch der Patientinnen und Patienten zu Schutzmaßnahmen abgeleitet werden. Allerdings ist die Verweildauer von zu behandelnden Personen in einer Praxis nicht mit einem Krankenhausaufenthalt vergleichbar.

Daher wäre hier ggf. im Wege einer Gesamtabwägung die Forderung nach Einhaltung der Maskenpflicht auch für Patienten in den Praxisräumlichkeiten eine praktikable Lösung. Mehr zu diesem Thema lesen Sie in diesem Beitrag.

Dieser Artikel ist am 22. Juni 2021 im Original erschienen auf  Coliquio.de .
 

Kommentar

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