Das Post-COVID-19-Syndrom oder Long-COVID wird bei der Heilmittelversorgung bundesweit als besonderer Verordnungsbedarf anerkannt. Verordnen Ärzte seit 1. Juli 2021 Physio- oder Ergotherapie aufgrund von Langzeitfolgen einer Corona-Infektion, so wird bei einer Wirtschaftlichkeitsprüfung ihr Budget nicht mit den Verordnungskosten belastet [1].
Die Diagnoseliste für den besonderen Verordnungsbedarf wurde zum 1. Juli ergänzt. Darauf weist die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) hin [1]. Grund ist der erwartete hohe Versorgungsbedarf an bestimmten Maßnahmen der Physio- und Ergotherapie im Zusammenhang mit einem Post-/Long-COVID-Syndrom.
KBV und GKV-Spitzenverband haben sich darauf verständigt, die Indikation „U09.9 Post-Covid-19-Zustand, nicht näher bezeichnet“ in die Diagnoseliste der besonderen Verordnungsbedarfe aufzunehmen.
Physiotherapie bei Long-COVID
Ist beispielsweise eine Wirbelsäulenerkrankung oder Störung der Atmung auf eine COVID-19-Erkrankung zurückzuführen, zum Beispiel bedingt durch wochenlanges Liegen im Krankenbett, können Ärzte Maßnahmen der Physiotherapie verordnen – etwa Krankengymnastik, die auch als Atemtherapie möglich ist.
Solche Verordnungen sind ab Juli als besonderer Verordnungsbedarf anerkannt (weitere Fälle siehe Infokasten unten).
Verordnung für bis zu 12 Wochen möglich
Liegt ein Post-COVID-Syndrom vor und sind bestimmte Maßnahmen der Physiotherapie und Ergotherapie erforderlich, können Ärzte von der Höchstmenge je Verordnung abweichen und die Behandlungseinheiten für eine Behandlungsdauer von bis zu 12 Wochen kalkulieren.
Auch müssen sie nicht die orientierende Behandlungsmenge, die im Heilmittelkatalog des Gemeinsamen Bundesausschusses aufgeführt ist, berücksichtigen.
Aktualisierung der Verordnungssoftware
Die Hersteller der Praxisverwaltungssoftware für die Heilmittelverordnung wurden über die Ergänzung der Diagnoseliste informiert. Dies erfolgte mit dem Ziel, dass die Neuerung zum 1. Juli 2021 in den Praxisverwaltungssystemen umgesetzt wird.
Serviceangebote der KBV
Die KBV bietet als Servicedokument eine zusammengefasste Diagnoseliste zum langfristigen Heilmittelbedarf und besonderen Verordnungsbedarf. Dieses Servicedokument wird aktualisiert und ab Juli auf der Themenseite Heilmittel online bereitgestellt.
Zur Heilmittelverordnung hat die KBV eine Servicebroschüre erstellt, die auch über den besonderen Verordnungsbedarf informiert. Die Broschüre stellt die Grundlagen der Verordnung vor, enthält Tipps und Praxisbeispiele. Sie kann als Webversion gelesen oder über die KBV-Mediathek als gedrucktes Exemplar bestellt werden.
Besonderer Verordnungsbedarf
Bei manchen Erkrankungen benötigen Versicherte mehr Heilmittel. In einer Diagnoseliste vereinbaren KBV und GKV-Spitzenverband, bei welchen Erkrankungen dies der Fall ist. Diese werden dann als „besonderer Verordnungsbedarf“ anerkannt. Die Kosten für diese Verordnungen werden bei Wirtschaftlichkeitsprüfungen aus dem Verordnungsvolumen des Vertragsarztes herausgerechnet.
Infokasten: Post-COVID-19-Syndrom als besonderer Verordnungsbedarf
Die Indikation „Post-COVID-19-Zustand, nicht näher bezeichnet“ (ICD-10-Code: U09.9) begründet ab 1. Juli 2021 einen besonderen Verordnungsbedarf bei den folgenden Heilmitteln:
Physiotherapie:
AT – Störungen der Atmung
Mögliche Maßnahmen laut Heilmittelkatalog (Beispiele): Krankengymnastik (Atemtherapie), Inhalation
WS – Wirbelsäulenerkrankungen
Mögliche Maßnahmen laut Heilmittelkatalog (Beispiele): Krankengymnastik-Gruppe, Manuelle Therapie
Ergotherapie:
SB1 – Erkrankungen der Wirbelsäule, Gelenke und Extremitäten (mit motorisch-funktionellen Schädigungen):
Mögliche Maßnahmen laut Heilmittelkatalog (Beispiel): Motorisch-funktionelle Behandlung
PS2 – neurotische, Belastungs-, somatoforme und Persönlichkeitsstörungen:
Mögliche Maßnahmen laut Heilmittelkatalog (Beispiel): Psychisch-funktionelle Behandlung
PS3 – wahnhafte und affektive Störungen/Abhängigkeitserkrankungen:
Mögliche Maßnahmen laut Heilmittelkatalog (Beispiele): Psychisch-funktionelle Behandlung, Hirnleistungstraining
Maßgeblich sind die Vorgaben des Heilmittelkatalogs. Er ist Teil der Heilmittel-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses.
Dieser Artikel ist im Original erschienen auf Coliquio.de .
Medscape Nachrichten © 2021
Diesen Artikel so zitieren: Keine Angst vor Wirtschaftlichkeitsprüfung: Physio- und Ergotherapie bei Long-COVID seit 1. Juli besonderer Verordnungsbedarf - Medscape - 6. Jul 2021.
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