Das Post-COVID-Syndrom bzw. Long-COVID ist bislang nicht scharf definiert. In einem aktuellen Review fasst Shin Jie Yong von der Sunway Universität in Malaysia den aktuellen Wissensstand zusammen [1].
Der Versuch einer Definition
Die meisten Publikationen sind sich einig, dass man von Long-COVID sprechen kann, wenn noch 3 Monate nach Beginn der akuten COVID-19-Erkrankung weiterhin Symptome bestehen. Zu diesen gehören primär Fatigue und Dyspnoe. Daneben kann eine Vielzahl weiterer Beschwerden bestehen, wie Schmerzen, Palpitationen, Riechstörungen oder psychische und kognitive Störungen. Manche Studien berichten noch nach 6 Monaten von fortbestehenden Problemen.
Insgesamt ist die Studienlage extrem heterogen, mit kleinen Stichproben und sehr unterschiedlicher Methodik. Das vorliegende Review kann also nur eine sehr grobe Orientierung für die Praxis geben.
So könnte Long-COVID entstehen
Gasaustausch in der Lunge erschwert: Die Frage nach einem anhaltenden Schaden des Lungengewebes liegt nahe. Tatsächlich konnten manche Studien in der Bildgebung Korrelate zu Atembeschwerden bei Long-COVID-Patientinnen und -Patienten finden, ebenso wie eine reduzierte Diffusionskapazität.
Fibrotische Veränderungen der Lunge korrelierten in manchen Studien mit der Schwere der akuten Erkrankung. Eine verminderte Fähigkeit zum Gasaustausch kann jedoch auch bei einem scheinbar normalen Befund in der Computertomografie bestehen.
Neurologische Schäden: Insgesamt treten neuropsychiatrische Symptome in den 6 Monaten nach einer SARS-CoV-2-Infektion 44% häufiger auf als bei Influenza.
Eine häufige Komplikation (20 bis 30%) bei schwerer COVID-19-Erkrankung ist das Delir. Tritt es auf, so steigt das Risiko für psychische und kognitive Störungen in Nachgang, wie es auch bei SARS und MERS bereits der Fall war.
Die Ursache für Fatigue kann vielfältig sein, eine Dysregulation des autonomen Nervensystems wird diskutiert. Dafür spricht der Nachweis, dass SARS-CoV-2 in Hirnzellen repliziert. Der Hirnstamm exprimiert mehr ACE2-Rezeptoren, also den Rezeptor für das Virus, als andere Hirnregionen. Virale DNA und Proteine sowie Zeichen einer pathologischen Immunreaktion im Hirnstamm konnten in Autopsien bereits nachgewiesen werden.Kardiale Schäden: Auch dauerhafte Schäden am Herzmuskel können zu einer Fatigue beitragen. So bestehen Hinweise auf myokardiale Inflammation nach der akuten Erkrankung, wiederum unabhängig zur Schwere der Erkrankung. Beim Anteil der Betroffenen sind sich die Studien nicht einig, allerdings scheint er auch bei College-Athleten bei 46% zu liegen, bei Patienten, die aus dem Krankenhaus entlassen wurden, bei 60%.
Die Relevanz dieser kardialen Entzündung ist zwar noch unklar, doch Tachykardien, Palpitationen und thorakale Schmerzen werden auch 6 Monate nach der akuten Erkrankung oft berichtet.
Mögliche Laborwerte
Durch die sehr heterogene Studienlage gibt es vielerlei vorgeschlagene Laborparameter, die mit der chronischen systemischen Inflammation korrelieren, die vermutlich bei Long-COVID besteht. Die Studien, die überhaupt eine Verbindung zu Laborwerten gefunden haben, sind sich zumindest bei erhöhten D-Dimeren, einem erhöhten CRP sowie Lymphopenie einig.
Betroffene Patientengruppen
Auch hier sind sich viele Studien einig, dass besonders Frauen ein erhöhtes Risiko haben, Long-COVID zu entwickeln, besonders wenn eine psychische Vorerkrankung besteht.
Leiden Patientinnen oder Patienten in der akuten Erkrankungsphase unter mindestens 5 Symptomen, so ist auch dies ein Prädiktor für Long-COVID. Auch eine schwere initiale Erkrankung sagt persistierende Symptome voraus, obwohl dies bei den einzelnen Organmanifestationen nicht der Fall zu sein scheint.
Dieser Artikel ist im Original erschienen auf Coliquio.de.
Medscape Nachrichten © 2021 WebMD, LLC
Diesen Artikel so zitieren: Review zu Long-COVID: Definition, Entstehung und mögliche Laborwerte - Medscape - 30. Jun 2021.
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