Im Onko-Blog dieser Woche geht es u.a. um neue Erkenntnisse zu molekularen Veränderungen sowie mögliche neue Biomarker beim multiplen Myelom und bei Brustkrebs. Außerdem neue Erkenntnisse beim Mammakarzinom: Eine 5 Jahre dauernde adjuvante Zoledronsäure-Therapie hat keinen besseren Effekt als eine Behandlung über 2 Jahre – die Leitlinien sollten deshalb überdacht werden. Neu sind auch die ersten S3-Leitlinien-Empfehlungen zu biliären Karzinomen. Eine Statintherapie scheint bei Herzinsuffizienz-Patienten mit einem geringeren Krebsrisiko assoziiert zu sein – je länger, umso niedriger. Und: Beim Melanom hat eine Studie mit einem mRNA-Impfstoff begonnen.
Metastasiertes Mammakarzinom: Was sind die häufigsten Mutationen?
Brustkrebs: 5 Jahre Zoledronsäure sind unnötig
Biliäre Karzinome: Erstmals S3-Leitlinien erschienen
Krebsrisiko: Unter Statintherapie bei Herzinsuffizienz-Patienten reduziert
Melanom: Phase-2-Studie mit mRNA-Impfstoff begonnen
Multiples Myelom: Transkriptionsfaktor JunB fördert Angiogenese
MGUS und SMM: Neuer Biomarker sBCMA erlaubt Vorhersage des Progressionsrisikos
Metastasiertes Mammakarzinom: Was sind die häufigsten Mutationen?
AURORA ist das bislang größte molekulare Screening-Programm bei metastasiertem Mammakarzinom, bei dem sowohl der Primärtumor als auch die Metastasierung bzw. das Lokalrezidiv molekulargenetisch analysiert sowie Serum- und Plasma untersucht werden. Nun hat die internationale Arbeitsgruppe die Daten der ersten 381 aufgenommenen Patienten in Cancer Discovery publiziert.
Zu molekularen Veränderungen, die in metastatischen Proben häufiger vorkommen, gehören Mutationen in Treibergenen (10% der Proben) und in Variationen der Kopienzahl, wie Deletionen oder Duplikationen (in 30% der Proben). Diese Befunde könnten zur Entwicklung neuer Behandlungsstrategien für Patientinnen mit metastasiertem Mammakarzinom führen.
RNA-Sequenzierungen an Proben von primären Tumoren und Metastasen derselben Patientin ergaben, dass sich der Subtyp in 36% der Fälle im Verlauf der Erkrankung geändert hat – und zwar meist zu einer aggressiveren Form.
Die Hälfte der Patientinnen wies molekulare Veränderungen auf, die mit derzeit zur Verfügung stehenden Substanzen zielgerichtet behandelt werden können.
Brustkrebs: 5 Jahre Zoledronsäure sind unnötig
Bei Frauen mit frühem Mammakarzinom hat eine adjuvante Zoledronsäure-Therapie über 5 Jahre keinen zusätzlichen Nutzen im Vergleich zu einer Therapie über 2 Jahre. Nebenwirkungen waren bei längerer Behandlung häufiger.
Fazit der deutschen Studiengruppe in ihrer Publikation in JAMA Oncology : „Unsere Ergebnisse legen nahe, dass eine verlängerte adjuvante Bisphosphonat-Behandlung mit Zoledronsäure über 5 Jahre bei Patientinnen mit frühem Mammakarzinom und normaler Knochendichte nicht in Betracht gezogen werden sollte. Basierend auf unseren Ergebnissen könnte die derzeit in Leitlinien empfohlene adjuvante Bisphosphonat-Behandlung für Patienten mit Hochrisiko-Mammakarzinom über 3 bis 5 Jahre verkürzt werden.“
In der SUCCESS-A-Studie erhielten 2.987 prä- und postmenopausale Frauen mit frühem Hochrisiko-Mammakarzinom nach adjuvanter Chemotherapie randomisiert Zoledronsäure für 5 Jahre (4 mg i.v. alle 3 Monate für 2 Jahre, dann alle 6 Monate für 3 Jahre) oder für 2 Jahre (4 mg intravenös alle 3 Monate).
Das krankheitsfreie Überleben (DFS), primärer Endpunkt der Studie, unterschied sich jedoch nicht zwischen den beiden Studienarmen (Hazard Ratio: 0,97; p = 0,81). Auch die sekundären Endpunkte Gesamtüberleben (HR: 0,98; p = 0,90) und metastasenfreies Überleben (HR: 0,87; p = 0,38) unterschieden sich zwischen den beiden Gruppen nicht.
In der 5-Jahresgruppe traten mit 46,2% mehr Nebenwirkungen auf als in der 2-Jahres-Gruppe mit 27,2%, insbesondere kam es häufiger zu Knochenschmerzen und Arthralgien.
Die Autoren des begleitenden Editorials in JAMA Oncology sind der Meinung, dass eine kürzere Behandlung mit Zoledronsäure, wenn sie angezeigt ist, auf jeden Fall ausreicht. Allerdings müsse vor dem Hintergrund der mäßigen Ergebnisse einer Bisphosphonat-Therapie im Vergleich zu keiner am Knochen angreifenden Behandlung die Frage erlaubt sein, welchen Nutzen adjuvante Bisphosphonate überhaupt hätten. Auf jeden Fall sei es Zeit, die Leitlinien zu überdenken.
Biliäre Karzinome: Erstmals S3-Leitlinien erschienen
Erstmals gibt es S3-Leitlinienempfehlungen zu biliären Karzinomen, zu denen das Gallenblasen-Karzinom und Tumore der Gallenwege zählen. Das Leitlinienprogramm Onkologie hat unter Federführung der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten e. V. (DGVS) die S3-Leitlinie zum hepatozellulären Karzinom aktualisiert und um die biliären Karzinome erweitert.
Tumoren der Gallenblase und Gallenwege werden häufig operativ entfernt und aufgrund des hohen Rezidivrisikos im Anschluss mit einer Systemtherapie behandelt. „Biliäre Karzinome können molekulare Veränderungen aufweisen, die Angriffspunkte für neue gezielte Therapeutika darstellen. Art und Häufigkeit der Veränderungen unterscheiden sich aber erheblich zwischen den verschiedenen Typen. Umso wichtiger ist eine histologische, immunhistologische und gegebenenfalls auch molekularpathologische Differenzialdiagnostik. Die Leitlinie gibt hier entsprechende Empfehlungen“, so Prof. Dr. Nisar Malek, Medizinische Klinik Universitätsklinikum Tübingen, in einer Pressemitteilung.
An der S3-Leitlinie Diagnostik und Therapie des hepatozellulären Karzinoms und biliärer Karzinome waren 60 ehrenamtlich arbeitende Experten aus 33 Fachgesellschaften und Organisationen beteiligt.
Krebsrisiko: Unter Statintherapie bei Herzinsuffizienz-Patienten reduziert
Die Einnahme von Statinen ist bei Patienten mit Herzinsuffizienz mit einem verringerten Risiko für Krebserkrankungen und krebsbedingte Sterblichkeit assoziiert. Dieser Befund einer großen retrospektiven Kohortenstudie sollte nun nach Ansicht der Arbeitsgruppe aus Hongkong prospektiv in randomisierten Studien untersucht werden.
Wie im European Heart Journal berichtet, analysierten die Forscher mit Hilfe eines Registers die Daten von 87.102 Patienten mit Herzinsuffizienz, von denen 50.926 kein Statin nahmen und 36.176 Statine einsetzten. In einer medianen Nachbeobachtungszeit von 4,1 Jahren erkrankten 11.052 Personen (12,7%) an Krebs.
Die Einnahme von Statinen war im Vergleich zur Nichteinnahme mit einem 16% geringeren Risiko für eine Krebserkrankung assoziiert. Diese Assoziation war von der Dauer der Statin-Einnahme abhängig. Je länger die Patienten Statine nahmen, umso starker war die Assoziation mit einem geringeren Krebsrisiko: Die adjustierte Hazard-Ratio lag bei Einnahme zwischen 2 und 4 Jahren bei 0,99, bei 4 bis 6 Jahren bei 0,82, bei mehr als 6 Jahren bei 0,78. Die krebsbedingte Sterblichkeit über 10 Jahre betrug in der Statin-Gruppe 3,8%, in der Nicht-Statin-Gruppe 5,2% (HR: 0,74).
Melanom: Phase-2-Studie mit mRNA-Impfstoff begonnen
BioNTech hat mit dem mRNA-Impfstoff BNT111 eine offene Studie der Phase 2 bei Patienten mit anti-PD1-refraktärem/rezidiviertem, inoperablem Melanom (Stadium III oder IV) begonnen. Die Patienten werden randomisiert mit BNT111 In Kombination mit dem PD1-Antikörper Cemiplimab sowie nur mit BNT111 oder nur mit Cemiplimab behandelt.
In Zusammenarbeit mit Regeneron sollen 120 Patienten aufgenommen werden. Primärer Endpunkt ist die Gesamtansprechrate auf BNT111 plus Cemiplimab, zu den sekundären Endpunkten gehört das Ansprechen auf die jeweilige Monotherapie, die Dauer des Ansprechens sowie die Sicherheit.
BNT111 wird intravenös appliziert. Es kodiert für eine Kombination aus 4 krebsspezifischen Antigenen und soll die Immunantwort optimieren. Mehr als 90% der Melanome exprimieren mindestens 1 dieser 4 tumorassoziierten Antigene.
„In der frühen klinischen Untersuchung konnten wir für BNT111 bereits ein vorteilhaftes Sicherheitsprofil sowie ermutigende erste Ergebnisse feststellen. Die Behandlung des ersten Patienten in unserer Phase-2-Studie ermutigt uns, unser ursprüngliches Ziel, das Potenzial von mRNA-basierten Impfstoffen für die Behandlung von Krebspatienten, weiter zu verfolgen und zu verwirklichen“, so Mitgründerin und Chief Medical Officer bei BioNTech Dr. Özlem Türeci, in einer Pressemitteilung des Unternehmens.
Multiples Myelom: Transkriptionsfaktor JunB fördert Angiogenese
Das Auftreten eines multiplen Myeloms wird durch den Transkriptionsfaktor JunB gefördert, der die Produktion und Sekretion von angiogenen Faktoren und damit die Angiogenese im Knochenmark stimuliert. Eine internationale Arbeitsgruppe schussfolgert in Leukemia , dass eine Therapie des multiplen Myeloms mit gezielt auf JunB wirkenden Substanzen vielversprechend sein könnte.
Die Hinweise zur Entdeckung der neuen Funktion von JunB sammelte das Forscherteam in zahlreichen, einander ergänzenden Experimenten.
In Tumorzell-Modellen wurde gezeigt, dass ein An- oder Abschalten der für JunB verantwortlichen Gene stark mit der Aktivierung von Genen korrelierte, die für die Angiogenese wichtig sind (VEGF, VEGFB, IGF1). Nährmedien von Zellmodellen, in denen JunB aktiviert war, stimulierten die Angiogenese.
Weitere Experimente, wie 3D-Modelle, Fremdtransplantationen in Tiermodellen und Knochenmarkbiopsien von Patienten bestätigten, dass JunB eine Schlüsselrolle bei der Initiierung der Angiogenese hat. Diese Funktion ist unabhängig von der Sauerstoffsituation im Gewebe.
De Aktivierung von JunB erfolgt in einer frühen Phase während des Übergangs des multiplen Myeloms in einen aggressiven Verlauf.
MGUS und SMM: Neuer Biomarker sBCMA erlaubt Vorhersage des Progressionsrisikos
Die Bestimmung des löslichen B-Zell-Reifungs-Antigen (sBCMA) im Serum von Patienten mit monoklonaler Gammopathie unklarer Signifikanz (MGUS) und Smoldering-Myelom (SMM) erlaubt Rückschlüsse auf das Risiko der Progression in ein multiples Myelom. Eine amerikanisch-kanadische Arbeitsgruppe hat die Assoziation in einer retrospektiven Studie untersucht und das Ergebnis im Blood Cancer Journal publiziert.
Sie analysierte die sBCMA-Basiswerte in gelagerten Proben von 99 MGUS- und 184 SMM-Patienten. Die sBCMA-Werte waren bei den Patienten signifikant höher, deren Erkrankung in ein multiples Myelom fortgeschritten war. Höhere sBCMA-Ausgangswerte waren mit einem kürzeren progressionsfreien Überleben verbunden.
Untersuchungen an gepaarten Proben zeigten, dass sBCMA-Werte bei den MGUS- und SMM-Patienten mit Übergang in ein multiples Myelom signifikant angestiegen waren, während sie bei nichtprogredienten Patienten stabil geblieben waren.
Diese Ergebnisse müssen in weiteren Studien validiert werden. Dennoch legen sie nach Ansicht der Autoren nahe, dass sBCMA ein nützlicher Biomarker sein könnte, um bei Patienten mit MGUS und SMM ein erhöhtes Progressionsrisiko unabhängig von den derzeit etablierten Risikomodellen zu erkennen.
Medscape Nachrichten © 2021 WebMD, LLC
Diesen Artikel so zitieren: Neue Targets, Biomarker und Leitlinien; Neues zu Bisphosphonat bei Brustkrebs und Krebsrisiko unter Statinen - Medscape - 29. Jun 2021.
Kommentar