Sacubitril/Valsartan ist eine der neueren Säulen in der Therapie der chronischen Herzinsuffizienz mit reduzierter Ejektionsfraktion, doch der Nachweis, dass er auch beim akuten Herzinfarkt Komplikationen wie Tod oder Herzinsuffizienz verhindert, gelang jetzt knapp nicht. So zumindest das Ergebnis einer Studie an über 5.600 Patienten, die einen Herzinfarkt erlitten und keine Herzinsuffizienz in der Vorgeschichte hatten.
Doch auch wenn die PARADISE-MI-Studie keinen signifikanten Benefit für Sacubitril/Valsartan (Entresto®) zeigte, war das Medikament im Hinblick auf Sicherheit und Verträglichkeit dem ACE-Hemmer Ramipril, der eine Hauptstütze in der Behandlung dieser Patienten ist, im direkten Vergleich nicht unterlegen.
„Dass man sicher behaupten kann, Sacubitril/Valsartan ist dem Ramipril als einem der am besten untersuchten ACE-Hemmer bei Patienten nach akutem Herzinfarkt in puncto Sicherheit und Verträglichkeit ebenbürtig, ist schon etwas“, meinte Prof. Dr. Marc A. Pfeffer anlässlich des virtuellen Jahreskongresses 2021 des American College of Cardiology (ACC) [1].
Diese hohe Sicherheit ohne schrittweise Aufdosierung von Sacubitril/Valsartan „sollte die Hürden“ für einen breiteren Einsatz des dualen Wirkstoffs für die zugelassene Indikation bei Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz senken, insbesondere bei unternormaler linksventrikulärer Ejektionsfraktion.
Darüber hinaus deuteten die Ergebnisse der PARADISE-MI-Studie darauf hin, dass „es einen Benefit für die Patienten gibt, bevor sie eine Herzinsuffizienz entwickeln. Wir konnten diesen Beweis nicht sicher erbringen, doch sollten wir auf diesen Anhaltspunkten aufbauen und den Patienten vermehrt dieser Therapie zuführen“, sagte Pfeffer auf einem Pressegespräch im Anschluss an seinen Vortrag.
Vorbeugung gegen drohendes Herzversagen?
Eine Behandlung innerhalb weniger Tage nach einem akuten Myokardinfarkt mit Sacubitril/Valsartan „könnte eine vorbeugende Wirkung vor einer späteren Herzinsuffizienz haben“, sagte Prof. Dr. Lynne W. Stevenson vom Vanderbilt University Medical Center in Nashville zu den Ergebnissen. „Patienten mit drohender Herzinsuffizienz könnten frühzeitig mit der Therapie beginnen. Laut der Subgruppenanalysen profitieren am ehesten die kränkeren Patienten davon.“
Aber Pfeffer betonte: „Ich glaube nicht, dass dies eine Subgruppen-Diskussion ist. Ich würde das gerne weiterverfolgen, aber das ist Sache des Sponsors Novartis, der Sacubitril/Valsartan vermarktet.“
Sicherheitsaspekt „äußerst beruhigend“
Die Sicherheitsdaten, die Pfeffer vorstellte, „sind äußerst beruhigend“, sagte Dr. Mary N. Walsh, medizinische Leiterin des Programms für Herzinsuffizienz und Herztransplantation am Ascension St. Vincent Heart Center of Indiana in Indianapolis. „Es gibt keine Anzeichen eines schädlichen Effektes, bei einigen der explorativen Endpunkte jedoch Hinweise auf einen Benefit, sodass wir dies als Ermutigung nehmen, um die Behandlungen fortzusetzen.“
In die PARADISE-MI-Studie (Prospective ARNI vs. ACE Inhibitor Trial to Determine Superiority in Reducing Heart Failure Events After MI) wurden zwischen 2016 und 2020 an 495 Standorten in 41 Ländern 5.669 Patienten aufgenommen. Sie waren ohne Herzinsuffizienz in der Vorgeschichte und wurden innerhalb von durchschnittlich 4 Tagen nach einem akuten Myokardinfarkt aufgenommen. 8% der Teilnehmer stammten aus den USA. Das Durchschnittsalter lag bei 64 Jahren, drei Viertel waren männlich, etwa 43% waren Diabetiker und nur 1% waren Schwarze. Dieser Umstand ist für Pfeffer darauf zurückzuführen, dass die meisten Patienten aus Ländern mit einem geringen schwarzen Bevölkerungsanteil kamen. Die Aufnahmekriterien verlangten eine linksventrikuläre Ejektionsfraktion von maximal 40%, und tatsächlich lag sie im Mittel bei 37%
Primärer Endpunkt mit 10%iger nicht signifikanter relativer Risikominderung
Der kombinierte primäre Endpunkt der Studie bestand aus kardiovaskulär bedingten Todesfällen, Hospitalisierungen wegen Herzinsuffizienz oder Herzinsuffizienz-Entwicklung unter ambulanten Bedingungen. Während einer durchschnittlichen Nachbeobachtungdauer von 23 Monaten kam es dazu im Ramipril-Arm mit einer Häufigkeit von 7,4/100 Patientenjahren und im Sacubitril/Valsartan-Arm bei 6,7/100 Patientenjahren. Dies entspricht einer 10%igen relativen Risikoreduktion mit Sacubitril/Valsartan, die jedoch nicht signifikant ist. Alle anderen Wirksamkeitsanalysen seien explorativ gewesen, betonte Pfeffer.
Mehrere sekundäre Wirksamkeitsanalysen zeigten einen signifikanten Benefit von Sacubitril/Valsartan im Vergleich zu Ramipril, so z.B. bei der Gesamtzahl der Ereignisse, die den primären Endpunkt bildeten, mit einer 21%igen relativen Risikoverringerung unter Sacubitril/Valsartan, und bei den von den Prüfärzten gemeldeten Ereignissen.
Der Benefit von Sacubitril/Valsartan für den primären Endpunkt war auch in 2 Untergruppenanalysen signifikant:
bei Patienten im Alter von mindestens 65 Jahren (etwa die Hälfte der Studienkohorte), die unter Sacubitril/Valsartan einen Rückgang beim relativen Risiko von 24% im Vergleich zu Ramipril aufwiesen,
sowie bei 88% der Patienten, die wegen ihres akuten Herzinfarkts mit einer perkutanen Koronarintervention behandelt wurden und unter Sacubitril/Valsartan eine relative Risikominderung von 19% im Vergleich zu den mit Ramipril behandelten Patienten zeigten.
Die Daten zur Sicherheit lieferten in den beiden Behandlungsarmen nahezu identische Werte für die unerwünschten Ereignisse insgesamt, für schwerwiegende unerwünschte Ereignisse, für unerwünschte Ereignisse, die zum Absetzen des Studienmedikaments führten, sowie für die Laborparameter. Die größten Unterschiede zwischen den Behandlungsarmen waren ein leichter Anstieg bei der Hypotonie unter Sacubitril/Valsartan (28%) im Vergleich zu 22% unter Ramipril sowie ein leichter Anstieg beim Husten unter Ramipril (13%) im Vergleich zu 9% unter Sacubitril/Valsartan.
Diese zusätzlichen Erkenntnisse über Sacubitril/Valsartan kommen zu einer Zeit, in der US-Patienten weiterhin um eine Kostenerstattung bei ihren Versicherungsträgern für einen Wirkstoff kämpfen müssen, der in den USA seit 2015 zur Behandlung der Herzinsuffizienz zugelassen ist.
„Unsere Patienten haben keinen Zugang zu dieser wichtigen Behandlung“, sagte Walsh während des Pressebriefings. „Der Prozess der Vorabgenehmigung ist unglaublich, und einige Patienten haben keinen Zugang, sofern sie nicht die vollen Kosten selbst tragen wollen. Dies ist ein wichtiges, reales Problem, das wir leider mit diesem Medikament haben.“
Dieser Artikel wurde von Markus Vieten aus www.medscape.com übersetzt und adaptiert.
Medscape © 2021
Diesen Artikel so zitieren: PARADISE-MI: Früh nach Infarkt erweist sich der ARNI Sacubitril/Valsartan als nicht besser als das etablierte Ramipril - Medscape - 18. Jun 2021.
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