Bei Frauen mit HER2-negativem, frühem Mammakarzinom mit hohem Rezidivrisiko und BRCA-1/2-Mutationen in der Keimbahn verlängert eine adjuvante Therapie mit dem PARP-Inhibitor Olaparib das invasive krankheitsfreie Überleben (iDFS) und das Überleben ohne distante Metastasen (DDFS) im Vergleich zu Placebo jeweils signifikant.
Olaparib wurde in der Phase-3-Studie OlympiA über 1 Jahr hinweg nach (neo)adjuvanter Chemotherapie gegeben. Prof. Dr. Andrew Tutt, Institute of Cancer Research und Kings College, London, hat die Ergebnisse einer vordefinierten Interimsanalyse in der Plenarsitzung bei der virtuellen Jahrestagung der American Society of Clinical Oncology (ASCO) vorgestellt und parallel im NEJM publiziert [1,2]. „Dies ist die erste Studie, die den Nutzen einer adjuvanten Therapie mit Olaparib zeigt“, so Tutt.
ASCO-Präsidentin Prof. Dr. Lori Pierce, University Hospital, Ann Arbor (Michigan, USA), bezeichnete bei einer Vorab-Pressekonferenz der ASCO die Ergebnisse als wichtig. Sie belegten die Bedeutung der genetischen Testung, um zu erkennen, welche Patientinnen von welcher Therapie profitieren könnten.
Nach Aussage von Diskutantin Dr. Nadine Tung, Beth Israel Deaconess Medical Center, Boston (Massachusetts, USA), in der ASCO-Plenarsitzung würden Ergebnisse der Studie die Praxis verändern. Außerdem müssten nun Patienten mit frühem Mammakarzinom auf BRCA-1/2-Mutationen untersucht werden, um über die Therapie entscheiden zu können. Bislang werde diese Testung viel zu selten angeboten, so ihr Kritikpunkt.
Die Studie werfe eine Reihe interessanter Fragen auf, so Tung weiter. Offen sei beispielsweise, ob adjuvantes Olaparib für alle Patientinnen mit BRCA-Mutation sinnvoll sei oder nur für einen Teil. Unklar sei auch, ob 1 Jahr Behandlung als optimal angesehen werden könne und ob möglicherweise bei längerem Follow-Up häufiger myelodysplastische Syndrome (MDS) oder akute Myeloische Leukämien (AML) beobachtet würden.
BRCA-1/2-Mutation erhöht Rezidivrisiko
Zu den Details: Bei etwa 5% aller Frauen mit Mammakarzinom lassen sich BRCA-1- oder -2-Mutationen nachweisen. Bei Patientinnen mit einem HER2-negativem, frühem Brustkrebs sind diese Mutationen mit einem hohen Rezidivrisiko assoziiert.
Der PARP-Inhibitor Olaparib ist für die Behandlung von Frauen mit HER2-negativem, metastasiertem Mammakarzinom und BRCA1- oder -2-Mutationen zugelassen. Nun untersuchte die internationale Forschergruppe um Tutt in der randomisierten Phase-3-Studie OlympiA Wirksamkeit und Verträglichkeit des PARP-Inhibitors in der adjuvanten Therapie des frühen Mammakarzinoms im Vergleich zu Placebo.
Adjuvante Gabe von Olaparib bei hohem Rezidivrisiko
Tutt und Kollegen haben in die internationale, multizentrische, doppelblinde Studie zwischen Juni 2014 und Mai 2019 insgesamt 1.836 Patienten (davon 6 Männer) mit frühen HER2-negativem Brustkrebs (Stadium II-III) mit einer BRCA-1/2-Mutation in der Keimbahn aufgenommen. Teilnehmer waren zuvor bereits operiert, chemotherapiert und eventuell auch bestrahlt worden; alle hatten ein hohes Rezidivrisiko.
Sie wurden sie über 1 Jahr hinweg randomisiert mit Olaparib 300 mg oral 2-mal täglich oder Placebo behandelt. Zusätzlich konnten alle Patienten eine endokrine Therapie oder Bisphosphonate erhalten.
Primärer Endpunkt war das invasive krankheitsfreie Überleben (iDFS), sekundäre Endpunkte waren das Überleben ohne distante Metastasen (DDFS), das Gesamtüberleben (OS) und die Lebensqualität. Die Studienteilnehmer sollen insgesamt bis zu 10 Jahre nachbeobachtet werden.
Für eine geplante Zwischenanalyse waren strenge Kriterien zu erfüllen, die nach einer relativ kurzen medianen Nachbeobachtungszeit von 2,5 Jahren in der ITT-Population erreicht waren.
Die demographischen Parameter der beiden Gruppen waren gut vergleichbar. Die Studienteilnehmer waren im Median rund 42 Jahre alt und damit relativ jung. Die Rate an Mastektomien war aufgrund der genetischen Belastung mit fast 75% hoch. Etwa 18% litten an Hormonrezeptor-positiven Tumoren, 82% wiesen ein 3-fach negatives Mammakarzinom auf. Eine adjuvante und eine neoadjuvante Chemotherapie hatten jeweils etwa 50% erhalten. In über 90% der Fälle waren Anthracyclin- und Taxan-haltige Regimes eingesetzt worden.
Primärer und sekundäre Endpunkte erreicht
Das iDFS in der ITT-Population war mit Olaparib länger als unter Placebo. In der Verum-Gruppe wurden 106 (11,5%), in der Placebo-Gruppe 178 Ereignisse (19,5%) beobachtet. Olaparib senkte damit das Risiko für ein lokales Rezidiv, für Metastasen, für andere neue Karzinome und für Tod jeder Ursache um 42% im Vergleich zu Placebo (HR 0,58, p<0,0001).
Nach 3 Jahren lebten in der Olaparib-Gruppe mit 85,9% mehr Frauen ohne invasive Erkrankung als in der Placebo-Gruppe mit 77,1%: ein Unterschied von 8,8 Prozentpunkten.
Der sekundäre Endpunkt DDFS war in der Olaparib-Gruppe ebenfalls signifikant länger als in der Placebo-Gruppe. In der Olaparib-Gruppe waren 89, in der Placebo-Gruppe 152 Ereignisse aufgetreten. Olaparib senkte das Risiko für ein metastasiertes Mammakarzinom, ein neues Karzinom und Tod jeder Ursache um 43% im Vergleich zu Placebo (HR 0,57, p<0,0001).
Nach 3 Jahren lebten in der Olaparib-Gruppe mit 87,5% mehr Patienten ohne distante Erkrankung als in der Placebo-Gruppe mit 80,4%, ein Unterschied von 7,1 Prozentpunkten.
Die Daten zum Gesamtüberleben sind nach der kurzen Nachbeobachtungszeit noch nicht reif. In der Olaparib-Gruppe waren 59, in der Placebo-Gruppe 86 Todesfälle aufgetreten. Nach 3 Jahren lebten noch 92% der Patienten in der Verum-Gruppe und 88,3% in der Placebo-Gruppe: ein Unterschied von 3,7 Prozentpunkten.
Es wurden keine bislang unbekannten Sicherheitssignale beobachtet. Nebenwirkungen vom Schweregrad ≥ 3 waren in der Olaparib-Gruppe häufiger als unter Placebo. Es kam zu Anämie, Neutropenie, Leukopenie und Fatigue. Deshalb brachen 9,9% der Olaparib- und 4,2% der Placebo-Patienten ihre Behandlung ab.
Die Lebensqualität war in beiden Behandlungsgruppen ähnlich.
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Diesen Artikel so zitieren: Frühes Hochrisiko-Mammakarzinom: Adjuvantes Olaparib verlängert krankheitsfreies Überleben – Daten „verändern Praxis“ - Medscape - 10. Jun 2021.
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