ASCO: Immuntherapie überzeugt als Erstlinie beim fortgeschrittenen Plattenepithelkarzinom der Speiseröhre

Dr. Susanne Heinzl

Interessenkonflikte

7. Juni 2021

Nivolumab in Kombination mit Chemotherapie oder in Kombination mit Ipilimumab verlängert bei unbehandelten Patienten mit fortgeschrittenem oder metastasiertem Plattenepithelkarzinom der Speiseröhre die Überlebenszeit signifikant im Vergleich zu Standard-Chemotherapie – von 10,7 auf 13,2 Monate (Nivo + CT) bzw. 12,8 Monate (Nivo + Ipi). Die Immuntherapie wirkt besonders gut bei Patienten mit positivem PD-L1-Nachweis. In der Phase-3-Studie CheckMate-648, die dies ergeben hat, wurden dabei keine neuen, bislang nicht bekannten Nebenwirkungen gesehen.

„Nivolumab plus Chemotherapie und Nivolumab plus Ipilimumab stellen jeweils einen neuen potenziellen Standard für die Erstlinienbehandlung von Patienten mit fortgeschrittenem Plattenepithelkarzinom des Ösophagus dar“, resümierte Dr. Ian Chau, MD, Royal Marsden Hospital, London und Surrey (Großbritannien), beim virtuellen Jahreskongress der American Society of Clinical Oncology aus den Ergebnissen der Studie [1].

Diskutant Prof. Dr. David Cunningham, Royal Marsden NHS Foundation Trust, London, wies darauf hin, dass die Patienten durch die Behandlung mit Nivolumab plus Ipilimumab mit 11,8 Monaten (im Median) langfristig auf die Therapie ansprachen, dass aber mehr Hauttoxizitäten und endokrine Nebenwirkungen beobachtet wurden, als unter Nivolumab plus Chemotherapie. Nivolumab plus Chemotherapie löste andererseits häufiger gastrointestinale und renale Nebenwirkungen aus als die duale Immuntherapie.

 
Die duale Immuntherapie mit Nivolumab und Ipilimumab bietet den Patienten nun eine alternative Chemotherapie-freie Behandlungsmöglichkeit an … Dr. Ian Chau
 

Cunningham zog aus den Ergebnissen das Fazit, dass bei lokal fortgeschrittenen oder metastasierten Plattenepithelkarzinomen der Speiseröhre eine Chemo-Immuntherapie oder die Kombination aus Nivolumab plus Ipilimumab nun als Therapiestandard angesehen werden könnten. „Die duale Immuntherapie mit Nivolumab und Ipilimumab bietet den Patienten nun eine alternative Chemotherapie-freie Behandlungsmöglichkeit an, die bei einem Ansprechen zu langen Remissionen führen kann.“

Karzinom mit schlechter Prognose

An einem Ösophaguskarzinom sterben weltweit etwa eine halbe Million Menschen pro Jahr. 85% aller Ösophaguskarzinome sind Plattenepithelkarzinome (ESCC). „Ein fortgeschrittenes Plattenepithelkarzinom des Ösophagus hat eine schlechte Prognose mit einer durchschnittlichen Überlebenszeit von etwa 10 Monaten“, erläuterte Chau. Die Erstlinien-Chemotherapie für das fortgeschrittene oder metastasierte ESCC verlängert die Überlebenszeit kaum, sie liegt unter einem Jahr.

In der ATTRACTION-3-Studie hatte Nivolumab bei vorbehandelten Patienten mit ESCC im Vergleich zu Chemotherapie das Gesamtüberleben der Patienten signifikant verlängert. Daraufhin wurde die Wirkung des Immuncheckpoint-Inhibitors in dieser großen Phase-3-Studie in der Erstlinientherapie untersucht.

CheckMate-648-Studie mit 3 Behandlungsarmen

Die internationale randomisierte offene CheckMate-648-Studie hat Wirksamkeit und Verträglichkeit von 3 Therapieregimen bei Patienten mit histologisch bestätigtem, fortgeschrittenem, rezidiviertem oder metastasiertem Plattenepithelkarzinom der Speiseröhre verglichen. Randomisiert erhielten die Teilnehmer

  • Nivolumab plus Chemotherapie: Nivolumab 240 mg an Tag 1 und Tag 15; Fluorouracil 800 mg/m2 pro Tag an Tag 1 bis Tag 5; Cisplatin 80 mg/m2 an Tag 1 des 4-Wochen-Zyklus (n = 321).

  • Nivolumab plus Ipilimumab: Nivolumab 3 mg/kg alle 2 Wochen, gefolgt von Ipilimumab 1 mg/kg alle 6 Wochen bis zur inakzeptablen Toxizität oder Krankheitsprogression (n = 325).

  • Chemotherapie: Cisplatin und Fluorouracil (n = 324).

Primäre Endpunkte waren das Gesamtüberleben (OS) und das progressionsfreie Überleben (PFS) bei den Patienten, deren Tumoren eine PD-L1-Expression von mindestens 1% aufwiesen. Sekundäre Endpunkte waren OS und PFS bei allen Patienten sowie die objektive Ansprechrate (ORR) bei Patienten mit PD-L1 von mindestens 1% und bei allen Patienten.

Die Patienten waren im Median 64 Jahre alt, etwa 80% waren Männer. Rund 70% waren Asiaten. Etwa die Hälfte der Patienten exprimierte PD-L1 von mindestens 1%.

Die Patienten im Nivolumab/Chemotherapie-Arm wurden mit 5,7 Monaten am längsten behandelt, gefolgt vom Chemotherapie-Arm mit 3,4 Monaten und vom Nivolumab/Ipilimumab-Arm mit 2,8 Monaten.

Von allen randomisierten Patienten erhielten nach der Studienmedikation 55% weitere Therapien, meist eine Chemotherapie. Etwa 5% der Patienten aus den beiden Nivolumab-Armen und 16% aus dem Chemotherapie-Arm erhielten eine weitere Immuntherapie.

Nivolumab plus Chemo versus Chemo allein

Nach einer Nachbeobachtungszeit von 12,9 Monaten betrug das mediane Gesamtüberleben bei Patienten mit PD-L1 von mindestens 1% unter Nivolumab plus Chemotherapie (n = 158) 15,4 Monate, unter Chemotherapie allein 9,1 Monate (Hazard-Ratio: 0,54, p < 0,0001). „Dies bedeutet eine Verlängerung des medianen Gesamtüberlebens von mehr als 6 Monaten durch Nivolumab“, so Chau.

Nach einem Jahr lebten in der Nivolumab/Chemotherapie-Gruppe noch 58% der Patienten, in der Chemotherapie-Gruppe 37%, was eine Verbesserung um 21 Prozentpunkte durch den Immuncheckpoint-Blocker bedeutete.

Unabhängig von der PD-L1-Expression betrug das mediane Gesamtübeleben in der gesamten Studiengruppe unter Nivolumab plus Chemotherapie 13,2 Monate im Vergleich zu 10,7 Monaten unter Chemotherapie allein (HR: 0,74; p = 0,0021).

Die günstige Wirkung von Nivolumab zeigte sich in fast allen vordefinierten Subgruppen. „Interessanterweise zeigten Frauen unter alleiniger Chemotherapie ein sehr gutes Überleben mit einem Median von fast 15 Monaten“, merkte Chau an.

Das PFS wurde bei Patienten mit Tumorzell-PD-L1 von mindestens 1% unter Nivolumab plus Chemotherapie gegenüber Chemotherapie allein signifikant von 4,4 auf 6,9 Monate im Median verlängert (HR: 0,65; p = 0,0023). Die PFS-Rate nach 12 Monaten betrug in der Kombinationsgruppe 25%, in der Vergleichsgruppe 10%. In der Gesamtgruppe der Patienten zeigte sich ein Trend zu einem leicht verbesserten progressionsfreien Überleben (5,8 vs 5,6 Monate).

Mit Nivolumab plus Chemotherapie verbesserte sich die Ansprechrate im Vergleich zur alleinigen Chemotherapie sowohl bei den Patienten mit Tumorzell-PD-L1 von mindestens 1% als auch bei der Gesamtgruppe jeweils signifikant von 20 auf 55% bzw. von 27 auf 47%. 16% der Patienten mit Tumorzell-PD-L1 von mindestens 1% sprachen komplett auf die Zugabe von Nivolumab an, dies waren dreimal mehr als die Rate von 5% unter Chemotherapie. Das Ansprechen hielt mit 8,4 Monaten unter Nivolumab plus Chemotherapie deutlich länger an als mit 5,7 Monaten unter Chemotherapie allein.

Nivolumab/Ipilimumab versus Chemotherapie

Auch die Behandlung mit Nivolumab/Ipilimumab verlängerte das Gesamtüberleben (OS) im Vergleich zu alleiniger Chemotherapie signifikant, und zwar von 9,1 auf 13,7 Monaten bei PD-L1-Expression von mindestens 1% (HR 0,64, p = 0,001) und von 10,7 auf 12,8 Monate bei allen Patienten (HR 0,78, p = 0,011).

Die OS-Kurven in beiden Populationen zeigten nach etwa 6 Monaten einen Cross-Over zugunsten der Immuntherapie. Nach 12 Monaten hatte sich die Überlebensrate in der Gruppe mit PD-L1-Expression von mindestens 1% um 20 Prozentpunkte und in der Gesamtgruppe um 10 Prozentpunkte verbessert.

Auch hier ergab die Subgruppen-Analyse, dass fast alle vordefinierten Subgruppen von der Immuntherapie stärker profitierten als von der Chemotherapie. Nur bei Frauen hatte wiederum die Chemotherapie eher einen Vorteil.

Das PFS war bei Behandlung mit Nivolumab/Ipilimumab im Vergleich zu Chemotherapie in beiden Patientenpopulationen nicht statistisch signifikant unterschiedlich.

Die Gesamtansprechrate bei Patienten mit PD-L1-positiven Tumoren betrug unter Nivolumab plus Ipilimumab 35% und unter Chemotherapie 20%. Bei allen Patienten lagen die Gesamtansprechraten bei 28% unter Immun- bzw. 27% unter Chemotherapie.

Die Immuntherapie verdreifachte die Rate an kompletten Ansprechern von 5 auf 18% bei PD-L1-Expression von mindestens 1%. Allerdings war auch die Progressionsrate mit 30% unter der Immuntherapie doppelt so hoch wie unter der Chemotherapie mit 15%.

 
Wichtig: Therapiebedingte Todesfälle waren selten und in allen 3 Armen vergleichbar. Dr. Ian Chau
 

Die duale Immuntherapie mit Nivolumab und Ipilimumab bietet den Patienten nun eine alternative Chemotherapie-freie Behandlungsmöglichkeit an … Dr. Ian Chau

Das Ansprechen hielt bei Patienten mit PD-L1-positiven Tumoren unter Nivolumab/Ipilimumab 11,8 Monate und unter Chemotherapie 5,7 Monate an, bei allen Patienten 11,1 bzw. 7,1 Monate.

Die häufigsten therapiebedingten unerwünschten Ereignisse (TRAEs) waren in den Chemotherapie-haltigen Armen Übelkeit, verminderter Appetit und Stomatitis. Im Nivolumab/Ipilimumab-Arm waren es Hautausschlag, Pruritus und Hypothyreose. „Wichtig: Therapiebedingte Todesfälle waren selten und in allen 3 Armen vergleichbar“, betonte Chau. Immunbedingte Nebenwirkungen vom Schweregrad von mindestens 3 wurden bei weniger als 6% der Patienten beobachtet.

Damit ist Nivolumab der erste PD1-Inhibitor, für den eine Verlängerung des Gesamtüberlebens in Kombination mit Ipilimumab oder Chemotherapie bei Patienten mit fortgeschrittenem Speiseröhrenkrebs in dieser bislang größten Phase-3-Studie in der Erstlinienbehandlung gezeigt werden konnte.
 

Kommentar

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