Kalorienrestriktion und Therapieansprechen; Checkpoint-Hemmer beim NSCLC; Kardiotoxizität von BRAF-Hemmern

Dr. Susanne Heinzl

Interessenkonflikte

1. Juni 2021

Im Onko-Blog dieser Woche geht es um den Nutzen einer Kalorienrestriktion zur Verbesserung des Therapieansprechens bei jugendlichen ALL-Patienten. Medicare-Daten zeigen, dass Pembrolizumab das Überleben von NSCLC-Patienten unter Real-World-Bedingungen deutlich weniger verlängert als in klinischen Studien gefunden. Bei Magenkrebs ist das Ergebnis zur Bestimmung des HER2-Status in der Klinik oder Praxis vor Ort bei 22% der Patienten nicht korrekt. Immer noch werden von viel zu wenig onkologischen Studien die Ergebnisse innerhalb von 2 Jahren nach Abschluss mitgeteilt.

  • Akute lymphatische Leukämie: Kalorienrestriktion verbessert Ansprechen auf Chemotherapie bei Jugendlichen

  • NSCLC: Überleben mit Immuncheckpoint-Inhibitoren unter Real-World-Bedingungen deutlich schlechter als in klinischen Studien

  • Magenkrebs: HER2-Bestimmung bei jedem 4. Patienten fraglich

  • Kolonkarzinom: Vorsorgeprogramme senken Inzidenz

  • Onkologische Studien: Nur 40% berichten Ergebnisse innerhalb von 2 Jahren nach Abschluss

  • Kardiotoxizität: BRAF/MEK-Hemmer-Kombi führt häufiger zu kardiovaskulären Nebenwirkungen als BRAF-Hemmer allein

Akute lymphatische Leukämie: Kalorienrestriktion verbessert Ansprechen auf Chemotherapie bei Jugendlichen

In der IDEAL-Studie (Improving Diet and Exercise in ALL) konnte erstmals prospektiv bei einer malignen hämatologischen Erkrankung gezeigt werden, dass eine Kalorienrestriktion mit Ernährungsumstellung und vermehrter körperlicher Aktivität das Ansprechen auf die Chemotherapie verbessern kann. Eine amerikanische Arbeitsgruppe hat die Ergebnisse in Blood Advances veröffentlicht.

In die prospektive, nichtrandomisierte kontrollierte Studie wurden 40 neu diagnostizierte Patienten mit B-ALL im Alter zwischen 10 und 21 Jahren aufgenommen. Als Vergleich diente eine Gruppe von 80 historischen Kontrollpatienten. Durch Kalorienrestriktion und vermehrte körperliche Aktivität sollte ein Kaloriendefizit von mindestens 20% erreicht werden. Diese Intervention wurde in der 4 Wochen dauernden Induktionsphase durchgeführt.

Primärer Endpunkt war die Änderung der Fettmasse während der Induktionsphase. Diese unterschied sich jedoch nicht vom Ausgangswert und von der Kontrollgruppe. Eine exploratorische Subgruppenanalyse zeigte aber, dass übergewichtige Patienten der Verumgruppe signifikant weniger an Fettmasse zulegten als übergewichtige Patienten der Kontrollgruppe.

Unter Berücksichtigung verschiedener Prognosefaktoren reduzierte die Intervention in der IDEAL-Studie bei allen Patienten das Risiko einer minimalen Resterkrankung (MRD). Die Befunde müssen nun in weiteren Studien bestätigt werden.

NSCLC: Überleben mit Immuncheckpoint-Inhibitoren unter Real-World-Bedingungen deutlich schlechter als in klinischen Studien

Eine retrospektive Kohortenstudie mit 19.529 Medicare-Versicherten mit fortgeschrittenem nichtkleinzelligen Bronchialkarzinom (NSCLC) ergab, dass eine Erstlinientherapie mit einem Immuncheckpoint-Inhibitor unter Real-World-Bedingungen zu kürzeren Überlebenszeiten als in klinischen Studien führte. So überlebten die mit Pembrolizumab unter Real-World-Bedingungen behandelten Patienten 11,4 Monate, während sie in der KEYNOTE-024-Studie etwa 15 Monate länger lebten. Diese Ergebnisse einer amerikanischen Arbeitsgruppe wurden in JAMA Netw. Open publiziert.

Von den 19.529 analysierten Medicare-Patienten waren 3.079 mit Pembrolizumab, 5.159 mit Platin/Pemetrexed, 9.866 mit Platin/Taxan und 1.425 mit Platin/Pemetrexed/Pembrolizumab behandelt worden.

Das Überleben unter Pembrolizumab war mit 11,4 Monaten etwa 15 Monate kürzer, als in der klinischen Studie KEYNOTE-024 beobachtet. Das Überleben unter Platin/Pemetrexed/Pembrolizumab war mit 12,9 Monaten etwa 10 Monate kürzer als in der KEYNOTE-189-Studie berichtet worden ist.

Nach Propensity Score Stratifizierung überlebten die Patienten unter Pembrolizumab ähnlich wie bei Behandlung mit Platin/Pemetrexed oder Platin/Taxan. Auch mit der Dreifachkombination aus Platin/Pemetrexed/Pembrolizumab überlebten sie ähnlich lang wie bei Behandlung mit Platin/Pemetrexed.

Patienten, die mit Pembrolizumab allein behandelt worden waren, waren häufiger älter, weiblich und hatten ein höheres Sterberisiko, als die mit Chemotherapie behandelten Patienten, was nach Ansicht der Autoren ein Grund für den schlechteren Outcome unter Pembrolizumab sein könnte.

Die Ergebnisse dieser Analyse könnten die Gespräche von Arzt und Patient zu den Erwartungen an eine Therapie beeinflussen.

Magenkrebs: HER2-Bestimmung bei jedem 4. Patienten fraglich

Ein lokal in Praxis oder Klinik bestimmter HER2-Status von Patienten mit Magenkarzinom konnte in 22,7% der Fälle bei zentraler Bestimmung in der Leipziger Universitätspathologie nicht bestätigt werden. Damit besteht das Risiko, dass die Patienten nicht optimal behandelt werden. Dies ergab die deutsche prospektive multizentrische Studie VARIANZ, die eine Arbeitsgruppe um Prof. Dr. Florian Lordick, Direktor des Universitären Krebszentrums Leipzig (UCCL), im Journal of Clinical Oncology publiziert hat.

Zwischen Mai 2014 und Januar 2018 waren in 35 deutschen Zentren Patienten mit metastasiertem Magenkarzinom in die Studie aufgenommen worden. Bei 374 Patienten wurde der HER2-Status sowohl lokal vor Ort als auch zentral bestimmt.

In 20,6% der Fälle (n = 77) bestätigte der zentrale Test den positiven lokalen Befund. Bei 22,7% der Fälle (n = 83) stimmte das zentrale Testergebnis jedoch nicht mit dem lokalen Befund überein. Meist war ein lokal als positiv eingeordneter Befund zentral negativ (n = 74), während ein lokal als negativ beurteilter Test nur in 9 Fällen zentral als HER2-positiv eingestuft wurde.

Mit Trastuzumab behandelte Patienten, deren positiver HER2-Status zentral bestätigt war (n = 60), lebten mit 20,5 Monaten signifikant länger als Patienten (n = 65), deren HER2-Status lokal positiv aber zentral negativ war (10,9 Monate, p < 0,001).

Die Autoren schlagen aufgrund der Ergebnisse ihrer Studie vor, die HER2-Schwellenwerte für Magenkarzinom-Patienten, die mit Trastuzumab behandelt werden sollen, zu optimieren: Sie sollten mindestens 40% HER2+-Tumorzellen, nachgewiesen durch ICH, und eine HER2-Amplifikationsrate von ≥ 3,0 aufweisen.

Kolonkarzinom: Vorsorgeprogramme senken Inzidenz

In allen Ländern, die früh ein Vorsorgeprogramm mit Stuhltests und Darmspiegelung eingeführt haben, etwa Deutschland, Österreich oder Tschechien, sank die altersstandardisierte Darmkrebs-Inzidenz zwischen 2000 und 2016 erheblich. Sie nahm bei Männern um 1,6 bis 2,5 Prozentpunkte pro Jahr, bei Frauen um 1,3 bis 2,4 Prozentpunkte ab. Auch die Sterblichkeit an Darmkrebs sank in diesen Ländern deutlich.

In Ländern, die keine bevölkerungsweiten Programme zur Darmkrebsvorsorge anbieten, etwa Bulgarien, Estland, Norwegen, stieg die Inzidenz um bis zu 1,9 Prozentpunkte pro Jahr bei Männern; bei Frauen um bis zu 1,1 Prozentpunkte.

Dies zeigte eine Untersuchung aus dem Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ), die online in Lancet Oncology erschienen ist. Die Wissenschaftler analysierten, wie sich die Neuerkrankungs- und Sterberaten in einzelnen europäischen Ländern in Abhängigkeit von den jeweiligen Screening-Angeboten entwickelt haben. In die Analyse flossen Daten von 3,1 Mio. Patienten aus 21 Ländern ein. Sie werteten dazu Krebsregisterdaten sowie Sterblichkeitsdaten der WHO aus dem Zeitraum zwischen 2000 und 2016 aus.

Einige Länder hatten während des Untersuchungszeitraums einladungsbasierte Vorsorgeprogramme mit immunologischen Stuhltests eingeführt und konnten hohe Teilnahmeraten erzielen, z. B. Belgien, Dänemark oder die Niederlande. Während der ersten Jahre nach dem Start stieg die Inzidenz von Karzinomen im Stadium I zunächst scheinbar an, sank jedoch in den darauffolgenden Jahren. Hier wurden bereits bestehende, aber klinisch noch nicht diagnostizierte Karzinome früher erkannt, was die Heilungschancen der Betroffenen verbesserte.

Der Rückgang der Inzidenz durch Vorsorgeprogramme fiel für Tumoren im unteren Bereich des Dickdarms insgesamt deutlicher aus. Die wahrscheinliche Ursache dafür ist, dass Krebsvorstufen im oberen (proximalen) Bereich des Dickdarms sowohl mit dem Stuhltest als auch bei der Darmspiegelung schlechter zu erkennen sind und außerdem andere biologische Eigenschaften aufweisen, so dass sie häufiger zu bösartigen Tumoren entarten.

Onkologische Studien: Nur 40% berichten Ergebnisse innerhalb von 2 Jahren nach Abschluss

Von 12.240 in ClinicalTrials.gov registrierten und abgeschlossenen oder abgebrochenen klinischen Studien teilten 60,7% ihre Ergebnisse auf ClinicalTrials.gov (37,8%) oder in Publikationen mit. Während im Jahr 2007 nur von 5,1% der Studien Ergebnisse innerhalb von 2 Jahren berichtet worden waren, stieg dieser Prozentsatz im Jahr 2017 auf 39,1%. Dies berichtet eine chinesisch-amerikanische Autorengruppe in JAMA Netw. Open .

Nach multivariablen Analysen werden Ergebnisse neuerer Studien und von Studien mit größeren Patientenzahlen eher berichtet. Ergebnisse von abgebrochenen Studien werden seltener mitgeteilt als von abgeschlossenen Studien.

Von den National Institutes of Health finanzierte Studien werden im Vergleich zu von der Industrie finanzierten Studien häufiger berichtet, während Ergebnisse von anderen akademischen oder gemeinnützigen Organisationen finanzierten Studien weniger wahrscheinlich mitgeteilt wurden.

Studien, deren Ergebnisse nur auf ClinicalTrials.gov veröffentlicht worden sind, waren in der Regel vorzeitig abgebrochen worden und hatten im Vergleich zu Studien, die in Fachzeitschriften publiziert worden sind, weniger Patienten eingeschlossen (≤ 50 Patienten).

Vanessa Piechotta und Nina Kreuzberger von der Arbeitsgruppe für evidenzbasierte Onkologie, Universitätsklinik Köln, weisen im begleitenden Editorial darauf hin, dass verschiedene Faktoren diese Befunde beeinflusst haben können, z.B. die Tendenz von Fachzeitschriften, bevorzugt Manuskripte mit experimentellen Therapien und starken Schlussfolgerungen zu akzeptieren.

Die  unterlassene Publikation von Studienergebnissen sei, auch bei ungünstigen Resultaten, eine Verschwendung von Ressourcen und könne zu doppelter Arbeit und einer Verzerrung der Zusammenhänge zwischen Therapie und Ergebnissen führen. „Darüber hinaus kann diese Praxis die Forscher ermutigen, ihre Resultate zu schönen (to spin), um ihre Chancen auf eine Publikation zu erhöhen.“

Außerdem weisen Piechotta und Kreuzberger darauf hin, dass neben der Verzerrung durch fehlende Studienberichte auch die selektive Berichterstattung der Ergebnisse ein weiteres komplexes Thema sei. So fehlten in Publikationen häufig Sicherheits- und Lebensqualitätsdaten.

Kardiotoxizität: BRAF/MEK-Hemmer-Kombi führt häufiger zu kardiovaskulären Nebenwirkungen als BRAF-Hemmer allein

In 2 unabhängigen Real-World-Kohorten war die Kombinationstherapie mit BRAF/MEK-Inhibitoren mit mehr kardiovaskulären Nebenwirkungen assoziiert als die Monotherapie mit BRAF-Inhibitoren. Häufiger traten vor allem Herzinsuffizienz und Hypertonie auf. Eine amerikanische Arbeitsgruppe hat diese Ergebnisse in Cancer Medicine publiziert.

Sie analysierten mit Hilfe des FDA’s Adverse Event Reporting Systems (FAERS) und der Truven Health Analytics/IBM MarketScan Datenbank die Daten aller Patienten, die zwischen 2011 und 2018 BRAF-Inhibitoren (Vemurafenib, Dabrafenib, Encorafenib) oder Kombinationen mit MEK-Inhibitoren(Vemurafenib/Cobimetinib; Dabrafenib/Trametinib; Encorafenib/Binimetinib) erhalten hatten. Die Mehrzahl der Patienten litt an einem Melanom.

Bei FAERS wurden 7.752 Nebenwirkungen berichtet (40% BRAF und 60% BRAF/MEK). Hiervon waren 567 Nebenwirkungen (7,4%) kardiovaskulärer Art. Im Vergleich zur Monotherapie war die Kombinationstherapie mit einem erhöhten Risiko für Herzinsuffizienz (p = 0,007), Hypertonie (p = 0,02) und venöse Thromboembolien (p = 0,02) assoziiert.

Bei MarketScan berichteten 657 Patienten Nebenwirkungen. 26,2% waren kardiovaskulärer Art innerhalb von 6 Monaten nach Beginn der Kombinationstherapie, während es unter Monotherapie 16,7% waren (p = 0,045).

Patienten unter BRAF/MEK-Kombinationstherapie sollten nach Ansicht der Autoren engmaschig kardioonkologisch überwacht werden.

 

Kommentar

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