Benigne Hypothyreose: Hormone substituieren oder nicht, das ist oft die Frage – Experten geben einen Überblick

Dr. Laura Cabrera

Interessenkonflikte

1. Juni 2021

Die alte Kontroverse, wie man eine benigne Hypothyreose richtig behandelt, geht in die nächste Runde. Beim Kongress der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM) 2021 fasst Dr. Viktoria Köhler vom Klinikum der Universität München den Kenntnisstand zusammen [1] .

Abwarten oder behandeln?

Ob man eine subklinische Hypothyreose, also einen erhöhten TSH-Wert bei normwertigen T3- und T4-Werten, behandelt, liegt im Ermessen des Arztes. Um die richtige Diagnose zu stellen, sollte er beachten, dass der TSH-Spiegel natürlichen Schwankungen unterliegt. Der Tiefpunkt liegt am frühen Nachmittag, der Gipfel wird gegen Mitternacht erreicht. Sprich: Der Zeitpunkt der Blutabnahme spielt eine wichtige Rolle.

Bei einer Studie aus dem Jahr 2007 mit 350.000 Patienten hatten 60% der Teilnehmer bei der 1. Messung einen TSH-Wert zwischen 5,5 und 10 mlU/l, und bei 25 % lag der TSH-Spiegel über 10 mlU/l. Dennoch normalisierten sich die Werte nach 3 Monaten von selbst.

Unter Berücksichtigung des individuellen Falls kann es durchaus gerechtfertigt sein, bei einem TSH-Wert unter 10 mlU/l abzuwarten und eine erneute Verlaufskontrolle in 2-3 Monaten anzusetzen.

Auch bei Senioren gibt es Besonderheiten. Mit steigendem Alter verringern sich die TSH-Normwerte. In niederländischen Beobachtungsstudien lebten Menschen über 85 Jahren, die physiologisch einen eher niedrigen TSH-Wert hatten, sogar länger. Bei alten Patienten sollte man deshalb hinterfragen, ob eine subklinische Hypothyreose wirklich ausgeglichen werden muss.

Einige Krankheiten und Pharmakotherapien beeinflussen die Schilddrüse

Entscheiden sich Ärzte für eine Substitution oder liegt eine Indikation vor, so beträgt bei einem ansonsten gesunden Erwachsenen die übliche Erhaltungsdosis bei 1,5 µg/kg Körpergewicht. In einem Übersichtsbeitrag haben Prof. Dr. Roland Gärtner vom Klinikum der Universität München und Kollegen Zieldosen nach Alter und Begleitfaktoren zusammengestellt. Wie sie schreiben, sei bei bestimmten Medikamenten und Erkrankungen eine Dosisanpassung erforderlich.

Eine atrophische Gastritis, ein Malabsorptions-Syndrom sowie Helicobacter-pylori-Infektionen hemmen die intestinale T4-Resorption. Den gleichen Effekt haben Arzneistoffe wie Antazida, Eisensulfat, Multivitaminpäparate und Protonenpumpeninhibitoren. Auch Androgene und Östrogene, Carbamazepin, Sertralin, Rifampicin und diverse onkologische Therapeutika erhöhen den T4-Bedarf. Köhler und Kollegen haben in einem Übersichtsartikel Details zusammengestellt.

Ist TSH der richtige Verlaufsmarker?

Bei benignen Thyreopathien ohne keine sekundäre Hypothyreose und ohne Hormonresistenz orientiert man sich zur Therapiekontrolle am TSH-Spiegel. Dieser sollte bei adäquater Dosierung zwischen 0,4 und 4,0 mU/l liegen. Ob der Wert am oberen oder unteren Ende dieser Spanne liegt, ist laut der Datenlage nicht relevant. Für Schwangere existieren Referenzwerte entsprechend des Trimesters.

Eine Studie aus dem vergangenen Jahr hat gezeigt, dass der fT4-Wert besser mit klinischen Symptomen wie Vorhofflimmern oder Osteoporose korreliert als der TSH-Wert. Allerdings reichen die Daten noch nicht aus, um vom aktuellen Goldstandard abzuweichen.

Welchen Sinn machen Kombinationspräparate?

Die Monotherapie mit L-Thyroxin (T4) basiert auf der Annahme, dass der aktive Metabolit T3 in den Organen durch die Aktivität von Deiodasen zur Verfügung gestellt wird. Polymorphismen bei diesen Enzymen oder bei Hormontransportern hebeln diesen Mechanismus aus.

Außerdem vermutet man, dass die Monotherapie mit T4 zu einer Hemmung der D2- Deiodase-Aktivität führt – mit weniger Umwandlung von T4 zu T3 in Organen. Gleichzeitig bleibt der TSH-Spiegel im Normbereich. Dies würde erklären, warum manche Patienten trotz guter Laborwerte weiterhin Symptome haben.

Leider sei die Datenlage zur Kombinationstherapie schlecht – und stamme aus „unkontrollierten, kleinen oder schlecht dokumentierten Studien“, so Köhler. Zwar bevorzugen Patienten Kombinationspräparate. Die Gründe dafür sind jedoch nicht objektivierbar. Zudem entsprechen die erhältlichen Kombinationspräparate nicht dem natürlichen Verhältnis von T4 zu T3 (14:1).

Langzeitdaten gibt es in dem Bereich kaum. Eine schottische Studie fand 2016 zwar kein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko, dafür aber eine Korrelation mit Mammakarzinomen sowie antidepressiver und antipsychotischer Medikation.

Wie sollte man eine Kombinationstherapie durchführen?

Entscheidet man sich nun bei einem Patienten individuell für eine Kombinationstherapie, so geben die europäischen Leitlinien mehrere Algorithmen, mit denen die richtigen Dosierungen berechnet werden können.

Ein Beispiel:

  • x=T4-Dosis, die ein normwertiges TSH erzeugt (alte T4-Dosis)

  • y=x/20=T3-Dosis

  • z=x-3y=neue T4-Dosis für die Kombinationstherapie

T4 wird einmal pro Tag und T3 zweimal pro Tag gegeben, die niedrigere Dosis morgens, die höhere abends. Als Überprüfung der Therapie sollte man etwa 3 Stunden nach der Einnahme den fT3-Wert sowie das TSH bestimmen. Allerdings ist diese Art des Monitorings schlecht untersucht. Zur langfristigen Überwachung empfiehlt die Leitlinie, regelmäßig EKGs zu schreiben und bei postmenopausalen Frauen alle 3 Jahre eine Knochendichtemessung durchführen.

Bei Schwangeren darf eine Kombinationstherapie wegen unklarer Risiken für das ungeborene Kind nicht durchgeführt werden.

Dieser Artikel ist im Original erschienen auf Coliquio.de.

 

Kommentar

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