Dass sich Klinik und Forschung nicht ausschließen, sondern ergänzen können, illustrierte der angehende Kardiologe Dr. Moritz Hundertmark im Rahmen der Sitzung „Karrierewege in der Forschung“ auf dem DGIM-Kongress 2021 anhand seines persönlichen Werdegangs [1].
Aus eigener Erfahrung weiß Hundertmark: Die Liste der Hürden, die man als Arzt und klinischer Forscher meistern muss, ist lang. 2007 hat er sein Medizinstudium aufgenommen. 3 Jahre später hat er seinen ersten Schritt in die Forschung gewagt und in einem Labor für experimentelle Kardiologie promoviert.
Im Rahmen seiner Weiterbildung zum Kardiologen war er anschließend an den Unikliniken in Würzburg und Halle tätig. Seit 2017 arbeitet er als wissenschaftlicher Mitarbeiter (Doktorand, PhD) an der Universität Oxford in England, wo er klinische Studien zu Herzinsuffizienz durchführt.
Dreifachbelastung und finanzielle Einbußen
Für forschende Ärzte sind Publikationen wichtig, betonte der junge Mediziner: „Idealerweise hat man eine Publikation zumindest schon mal aus seiner Promotion. Nachher ist es dann deutlich einfacher, sich um Start-Up-Förderungen zu bewerben.“
Um Forschung und klinische Tätigkeit zu vereinen, empfiehlt sich eine Anstellung an einer Universitätsklinik. Doch dort sind Forschung, Krankenversorgung und Lehre unter einen Hut zu bringen. Dafür stehe häufig „Wochenend- und Feierabend-Forschung an“, so Hundertmark. Auf Dauer könne sich diese Dreifachbelastung negativ auf die Motivation auswirken. Aus diesem Grund sollte man eine Freistellung anstreben, was allerdings auch nicht immer so einfach sei.
Ärzte, die forschen, müssen außerdem mit finanziellen Einbußen rechnen, zieht man Vergleiche mit ärztlich tätigen Kollegen. „Man braucht ein bisschen Idealismus, für Geld sollte man das nicht machen“, betont Hundertmark. Die Länge der Weiterbildung ist eine weitere Hürde, da Forschungstätigkeit oftmals nicht als Weiterbildungszeit anerkannt wird. Und auch in punkto Familienplanung gilt es Abstriche zu machen. Diese stehe bei vielen Ärzten und Ärztinnen aufgrund der Doppelbelastung erstmal hinten an.
Wer über eine längere Zeit nur experimentell arbeitet, verliert möglicherweise seine klinischen Fertigkeiten, etwa das schnelle Legen von Zugängen. Diese müssten später nochmal geübt werden.
Für klinische Studien braucht es einen langen Atem: Sowohl die Betreuung der Patienten als auch die Vorbereitung und Durchführung der Studien nehmen viel Zeit in Anspruch. Und dabei muss man sich immer im Klaren sein, dass das Outcome der Studien ungewiss und nicht immer von Erfolg gekrönt ist. „Ein exzellenter Kliniker und ein exzellenter Forscher zu sein, halte ich für sehr schwierig“, resümiert Hundertmark.
Weitere Herausforderungen und Probleme:
Kurzzeitverträge von wissenschaftlichen Angestellten
Krankenversorgung konkurriert mit Wissenschaft: Dienste, „Lückenfüllerfunktion“ trotz Freistellung
Vorträge und Besuch von Konferenzen
Suche nach Mentoren, die Freiräume schaffen und Türen öffnen
Internationale und multidisziplinäre Arbeit
Trotz all dieser Herausforderungen überwiegen für Hundertmark aber die Vorteile. Er selbst führt klinische Studien durch und kann so sowohl als Forscher als auch als Arzt mit Patienten in Kontakt treten. Auf diese Weise bleibe die klinische Fertigkeit nicht auf der Strecke und gleichzeitig fördere man seine klinische Spezialisierung, erklärte der junge Forscher.
So habe er im Rahmen seiner Herzinsuffizienz-Forschung kardiale MRT und MR-Spektroskopien sowie zahlreiche Echokardiographien durchgeführt und damit für seine spätere Tätigkeit als Kardiologe wichtige Erfahrungen sammeln können. Außerdem erlaube ihm seine Arbeit in der Herzinsuffizienz-Ambulanz, Patienten für seine klinische Studien selbst zu rekrutieren.
Als besonders wertvoll sieht der junge Forscher die internationale Zusammenarbeit mit Gleichgesinnten. Diese sei „hilfreich in der Entwicklung von Ideen und um Feedback zu bekommen“. Ebenso lerne man durch die multidisziplinäre Arbeit mit anderen Fachbereichen neue Methoden wie etwa das Auswerten großer Datenmengen mit Hilfe von Statistikern.
Die Arbeit als klinischer Forscher ist trotz aller Hürden vielseitig und bietet Ärzten viele Möglichkeiten. Man könne etwa als Bindeglied zwischen experimenteller Forschung und Markteinführung von Medikamenten fungieren. Zudem sei der Bedarf an Ärzten mit klinischer Forschungserfahrung sehr groß, betont Hundertmark: „Die Pharmaforschung sucht händeringend nach Ärzten mit klinischer Erfahrung, die auch klinisch geforscht haben.“
Hundertmarks Take-Home-Messages für angehende Forscher sind:
Motivation muss Interesse am Thema sein
Ergebnisoffen und flexibel bleiben
Längere Weiterbildung und finanzielle Einbußen hinnehmen
Bereitschaft zum Netzwerken ist essentiell
Lebenslanges Lernen
Früh um Förderungen bewerben (z.B. Förderprogramme der DGIM)
Dieser Artikel ist im Original erschienen auf Coliquio.de .
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Diesen Artikel so zitieren: Dreifachbelastung und finanzielle Einbußen: Warum es sich trotzdem lohnt, als Arzt zu forschen - Medscape - 26. Mai 2021.
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