Selbst bei älteren gebrechlichen Patienten mit dekompensierter Herzinsuffizienz lassen sich mit einem gezielten individualisierten Reha-Programm über 12 Wochen körperliche Funktionen, Lebensqualität und Depressionen entscheidend bessern. Dies ergab die randomisierte multizentrische Studie Rehabilitation Therapy in Older Acute Heart Failure Patients (REHAB-HF), die einen Vergleich zu Patienten unter Standardtherapie vorgenommen hat.

Prof. Dr. Dalane Kitzman
Prof. Dr. Dalane Kitzman, Wake Forest School of Medicine, Winston-Salem, North Carolina, hat die Ergebnisse beim virtuellen Jahreskongress des American College of Cardiology (ACC.21) vorgestellt; sie sind parallel im New England Journal of Medicine publiziert worden [1,2].
Dr. Eileen M. Handberg, Shands Hospital, University of Florida, Gainesville, wies bei der ACC-Pressekonferenz darauf hin, dass die in der Studie gemessenen funktionellen Outcome-Parameter für die Patienten eine große Bedeutung haben. „Hierbei geht es darum, ohne Hilfe von einem Stuhl aufstehen zu können, nicht zu fallen, über größere Distanzen zu gehen und sich besser zu fühlen.“
Der deutsche Experte Prof. Dr. Stefan Anker, Charité Universitätsmedizin, Berlin, hat die Studie in einem begleitenden Editorial im New England Journal of Medicine kommentiert [3]. Er bezeichnet den Effekt der Behandlung als „beeindruckend“. Auch die positiven Wirkungen auf die 6-Minuten-Gehstrecke und die Geh-Geschwindigkeit seien klinisch bedeutsam.
Sehr positiv sei zudem die Verbesserung der Lebensqualität zu bewerten. Offensichtich würden die Patienten durch die Bewegung glücklicher oder zumindest weniger depressiv. Insgesamt lieferten die Ergebnisse der Studie „ein überzeugendes Argument für die Einführung solcher Reha-Maßnahmen als Standardbehandlung, auch für ältere gebrechliche Patienten mit akuter Herzinsuffizienz.“
Physiotherapie bislang nicht genutzt
Eine der häufigsten Entlassungs-Diagnosen bei älteren Patienten ist eine akute dekompensierte Herzinsuffizienz. Sie geht mit oft schlechter Lebensqualität, häufiger Rehospitalisierung, hoher Sterblichkeit, Verlust der Unabhängigkeit und Aufnahme in ein Pflegeheim einher.
Die meisten Interventionsstudien haben bislang keine überzeugenden Effekte ergeben, was nach Aussage von Kitzman darauf hinweist, dass bei der Erkrankung bislang noch übersehene Mechanismen eine Rolle spielen.
Schon bei Patienten mit stabiler und gut kompensierter Herzinsuffizienz sind schwere Störungen der körperlichen Funktion mit kardiovaskulärer Dysfunktion und Funktionseinschränkung der Skelettmuskulatur häufig. Kommt es zu einer akuten Dekompensation, verschlechtert sich die körperliche Funktion weiter und wird durch Krankenhausaufenthalt und Bettruhe weiter verschlimmert. Viele Patienten erholen sich davon nie.
In Therapie-Leitlinien für Patienten, die wegen Herzinsuffizienz hospitalisiert sind, wird die körperliche Beeinträchtigung jedoch nicht berücksichtigt. Bislang durchgeführte Studien mit körperlichem Training schlossen vor kurzem hospitalisierte Patienten mit Herzinsuffizienz aus.
REHAB-AF bei gebrechlichen Patienten mit akuter Herzinsuffizienz
In der multizentrischen, randomisierten, einfach-blinden kontrollierten REHAB-HF-Studie sollte deshalb bei gebrechlichen älteren Patienten mit akuter Herzinsuffizienz der Effekt einer frühen, individualisierten Rehabilitationsbehandlung untersucht werden.
Ein- und Ausschlusskriterien waren relativ einfach gehalten. Die Patienten mussten eine Episode einer akuten dekompensierten Herzinsuffizienz hinter sich haben und klinisch stabil sein. Sie sollten, auch mit Stock oder Rollator, mindestens 4 Meter gehen können, und sie sollten nach Hause und nicht ins Pflegeheim entlassen werden.
Ausschlusskriterien waren z.B. akuter Herzinfarkt, schwere Nierenerkrankung oder Dialysepflicht, Lebenserwartung unter einem Jahr sowie Beeinträchtigungen durch einen Schlaganfall oder Demenz.
Individualisierte Intervention
Die Intervention zielte zunächst auf die Wiederherstellung von Kraft, Gleichgewicht und Mobilität ab, um damit eine sichere Teilnahme an der Rehabilitation zu ermöglichen. „Wenn man nicht sicher stehen kann, kann man auch nicht auf einem Laufband gehen“, erläuterte Kitzman.
Dieses stufenweise Vorgehen stammt aus der geriatrischen Forschung und ermöglicht es, die Ausdauer der Patienten sicher zu verbessern. „Aus geriatrischen Studien weiß man, dass mit einem direkt einsetzenden Ausdauertraining bei diesen gebrechlichen älteren Patienten wenige Erfolge erzielt werden und oft Verletzungen und Unfälle auftreten.“
Ziel der Interventionen insgesamt war es, die funktionellen Leistungen in den 4 Bereichen Kraft, Gleichgewicht, Mobilität und Ausdauer durch reproduzierbare, zielgerichtete Übungen zu steigern.
Die Interventionen begannen während des Krankenhausaufenthalts und wurden über 12 Wochen in einer ambulanten Reha-Einrichtung mit 3-mal wöchentlichem Training fortgesetzt. 2-mal pro Woche sollten die Patienten ohne Anleitung zu Hause trainieren. Daran anschließend war ein Heimtraining vorgesehen, bei dem der Patient 5-mal pro Woche ohne Anleitung übte.
Primärer Endpunkt der Studie war die Veränderung der „Short Physical Performance Battery“ (SPPB). Dieser Score ermöglicht es, bis zu einem gewissen Grad das klinische Outcome vorherzusagen.
In die Interventionsgruppe waren 175 Patienten, in die Vergleichsgruppe 174 Patienten aufgenommen worden. Sie waren im Mittel 73 Jahre alt und wiesen 5,4 Komorbiditäten auf. 97% galten nach den Fried-Kriterien als gebrechlich oder annähernd gebrechlich. Etwa 18% litten an einer Depression.
Die Adhärenz der Patienten war sehr hoch: 83% der Interventionsgruppe übte nach 6 Monaten noch regelmäßig zu Hause. Dies führte zur einer deutlichen Verbesserung von Gleichgewicht, Kraft, Mobilität und Ausdauer. Bei der Ausdauer (gemessen anhand der Gehdauer) erreichten 2 Drittel der Patienten die höchste oder zweithöchste Belastungsstufe.
Der primäre Endpunkt SPPB nahm nach 3 Monaten im Vergleich zur Kontrollgruppe um 1,5 Punkte signifikant zu, wobei als klinisch bedeutsamer Unterschied schon eine Änderung um 0,5 Punkte angesehen wird. Diese Verbesserung des SPPB wurde in allen vordefinierten Subgruppen erreicht.
Der sekundäre Endpunkt, die Rehospitalisierungsrate aus allen Gründen nach 6 Monaten, hatte sich im Vergleich zur Kontrollgruppe nicht verändert.
Weitere Analysen zeigten, dass sich in der Interventionsgruppe die 6-Minuten-Gehstrecke, die Lebensqualität, der Gebrechlichkeits-Score nach Fried und die Depression besserten.
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Diesen Artikel so zitieren: REHAB-HF: Alt, gebrechlich, akut dekompensierte Herzinsuffizienz – solche Kranke profitieren viel von gezielter Reha - Medscape - 20. Mai 2021.
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