Einer zunehmenden Verbreitung von sexuell übertragbaren Erkrankungen (STI) durch orale Praktiken lässt sich durch Listerine-Mundspülungen nicht effektiver entgegenwirken als mit Placebo-Mundspülungen. Das ergeben 2 große, prospektiv-randomisierte Studien [1,2]. Sie relativieren früher veröffentlichte positive Ergebnisse mit kleineren Kohorten.
Zum Hintergrund: In den westlichen Ländern, Deutschland eingeschlossen, erkranken Menschen immer öfter an STI wie Gonorrhoe oder Syphilis. Für die Gonorrhoe zum Beispiel haben sich in Sachsen die Fallzahlen pro 100.000 Einwohner zwischen 2001 und 2015 mehr als verzehnfacht. Besonders stark betroffen sind Männer, die Sex mit Männern haben (MSM).
Gonokokken werden nicht nur durch analen oder vaginalen Sex, sondern auch auf oropharyngealem Weg, leicht übertragen. Doch schützen regelmäßige Mundspülungen mit Listerine? Das wurde anhand von 2 prospektiv-randomisierten Studien jetzt untersucht.
Effekte auf Placebo-Level
Die PreGo-Studie ist eine randomisierte, placebo-kontrollierte Untersuchung mit Cross-over-Design. Aufgenommen wurden 343 Männer, die MSM praktizieren. Sie hatten Infektionen mit Gonorrhoe, Syphilis oder Chlamydien und verwendeten eine systemische HIV-Präexpositionsprophylaxe (PreP).
Alle Teilnehmer wurden 1:1 randomisiert. Die Verum-Gruppe sollte täglich und zusätzlich vor und nach jedem Geschlechtsverkehr mit Listerine gurgeln. Teilnehmer der Placebo-Gruppe erhielten ähnliche Anweisungen, jedoch ein Präparat ohne Wirkstoff. Nach 3 Monaten wurden die Gruppen getauscht. Die nächste Studienphase dauerte ebenfalls 3 Monate.
In der OMEGA-Studie wurden 262 Teilnehmer, ebenfalls MSM, randomisiert 2 Gruppen zugeordnet. Teilnehmer sollten täglich für 3 Monate Mundspülungen mit Listerine oder mit dem aus virologischer Sicht unwirksamen Präparat Biotène verwenden.
In beiden Studien nahmen Ärzte regelmäßig Abstriche des Orophyarynx, der Anorektalregion und der Urethra. Via PCR wurden die Proben auf STI-Erreger getestet – in der PreGo-Studie auf Neisseria gonorrhoeae, Chlamydia trachomatis und Treponema pallidum, in der OMEGA-Studie nur auf Gonokokken.
Die PreGo-Studie ergab keine statistisch signifikanten Unterschiede bei den Inzidenzen der 3 bakteriellen STI zwischen beiden Gruppen: weder nach den ersten 3 Monaten noch nach weiteren 3 Monaten.
Auch in der OMEGA-Studie fanden sich keine statistisch signifikanten Unterschiede. Eine orophyrangeale Gonorrhoe wurde bei 4% aller Männer in der Kontrollgruppe und bei 7% in der Gruppe mit Listerine-Mundspülungen nachgewiesen.
Ältere Daten widerlegt
Frühere, kleinere Studien hätten ergeben, dass sich durch Listerine-Mundspülungen das Wachstum von Gonokokken im Oropharynx bremsen lasse, heißt es in einem begleitenden Kommentar [3]. Diese positiven Ergebnisse hätten sich in größeren, prospektiv randomisierten und kontrollierten Studien nicht bestätigt.
Andere Präventionsstrategien wie die Information über Risiken ungeschützten Geschlechtsverkehrs müssten daher weiterverfolgt werden, schreiben die Editorialisten. Dies sei vor allem in der Gruppe der PreP-Nutzer eine Herausforderung. Denn für sie sei einer der Hauptgründe, Sex ohne Kondom zu haben.
Auch asymptomatische STI werden antibiotisch therapiert. Parallel zu den steigenden Inzidenzen nehmen die Antibiotikaresistenzen zu. Es gebe derzeit kein topisches Antiseptikum, welches der oropharyngealen Übertragung bakterieller STI wie Gonorrhoe, Syphilis und Chlamydien entgegenwirke, so das Fazit der Autoren.
Dieser Artikel ist im Original erschienen auf Univadis.de.
Medscape Nachrichten © 2021
Diesen Artikel so zitieren: Gurgeln gegen Gonorrhoe? Warum beim Oralsex Listerine gegen STI keine Alternative zum Kondom ist - Medscape - 10. Mai 2021.
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