PPI: Viele Ältere nehmen sie ohne evidenzbasierte Indikation – nur 3 Situationen rechtfertigen eigentlich Langzeitgabe

Ute Eppinger

Interessenkonflikte

3. Mai 2021

Protonenpumpeninhibitoren (PPI) hemmen effektiv die Magensäuresekretion und sind das Mittel der Wahl bei Säure-assoziierten Erkrankungen. Sie haben sich bewährt und sind grundsätzlich gut verträglich. Pantoprazol ist deutschlandweit das dritthäufigst verschriebene Medikament, 2014 wurde es 20,3 Millionen mal verordnet.

Weil PPI vor allem in der Langzeitanwendung aber auch mit schweren Nebenwirkungen assoziiert sein können und Polypharmazie das Risiko für relevante Interaktionen erhöht, warb Dr. Christoph Ammer-Herrmenau, Klinik für Gastroenterologie der Universitätsmedizin Göttingen, auf der 127. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM) dafür, sich bei der Verordnung an den 3 Hauptindikationen zu orientieren und PPI ansonsten – wo möglich – abzusetzen [1].

Vor allem bei geriatrischen Patienten sind PPI weit verbreitet. „Etwa ein Drittel aller älteren Menschen – vor allem diejenigen, die ohnehin schon viele Medikamente einnehmen – nehmen auch noch Protonenpumpenhemmer ein. Der Großteil davon mit einer ‚low-value prescription‘ und das heißt: Für die Einnahme gibt es keine evidenzbasierte Indikation“, so Ammer-Herrmenau.

Eine Studie aus 2019 zeigt, dass das Risiko für klinisch relevante Interaktionen steigt, wenn Patienten viele andere Medikamente einnehmen. Wobei die meisten Interaktionen unter Omeprazol und Esomeprazol auftraten und sich Pantoprazol am verträglichsten erwies. „Einen Patienten, der schon viele Medikamente einnimmt und unbedingt einen Protonenpumpenhemmer braucht, sollte deshalb auf Pantoprazol umgestellt werden“, riet Ammer-Herrmenau.

 
Etwa ein Drittel aller älteren Menschen – vor allem diejenigen, die ohnehin schon viele Medikamente einnehmen – nehmen auch noch Protonenpumpenhemmer ein. Dr. Christoph Ammer-Herrmenau
 

Die 3 Haupt-Langzeitindikationen für Protonenpumpenhemmer sind die Refluxkrankheit (GERD), die chronische Einnahme von NSAR und die Plättchenhemmung bei Patienten mit einem erhöhten Risiko für gastrointestinale Blutungen.

Vorgehen bei Refluxkrankheit

Der leichtgradige Reflux wird 4 Wochen mit PPI behandelt und dann ein Auslassversuch gestartet. Sollten die Symptome anhalten, kann man entweder das PPI in der niedrigst möglichen Dosis weitergeben, das PPI intermittierend einsetzen (PPI für 2 Wochen, dann Pause, dann wieder PPI) oder auf Bedarfsmedikation setzen.

Beim höhergradigen Reflux sollten PPI über 8 Wochen mit der doppelten Standarddosis morgens und abends gegeben werden. Im Anschluss sollte eine Rezidivprophylaxe (mit Standarddosis) erfolgen. Kann darunter eine stabile Remission über 1 Jahr erreicht werden, sollte ein Auslassversuch begonnen werden. PPI sollten graduell reduziert werden, bevor sie abgesetzt werden, um einen Säure-Rebound zu verhindern.

Besteht ein therapierefraktärer Reflux, sollte wie folgt vorgegangen werden:

  • Die Compliance und den Einnahmemodus prüfen: Die Hälfte der Patienten, die PPI einnimmt, nimmt diese nicht richtig (30 Minuten vor dem Essen morgens, denn PPI brauchen 30 Minuten, um resorbiert zu werden) oder nimmt sie gar nicht mehr ein.

  • Gewichtsreduktion und aufrechteres Schlafen sind Stellschrauben, an denen man drehen kann.

  • Man kann auch die PPI-Dosis erhöhen.

  • Umstellen auf potentere PPI: z.B. von Omeprazol auf Esomeprazol.

  • Führt vor allem nachts das Sodbrennen zum Aufwachen, kann man H2-Blocker zur Nacht geben, die die Magensäure reduzieren.

Bringt das keinen Erfolg, muss eine Endoskopie mit Biopsie folgen (mögliche Ösophagitis), es sollte aber auch eine 24-Stunden pH-Metrie durchgeführt werden, um zu prüfen. ob es wirklich ein saurer Reflux ist oder ob ein hypersensitiver Ösophagus oder ein Galle-Reflux dahintersteckt.

PPI bei Helicobacter-Nachweis

Bei Helicobacter pylori-Nachweis sollte tendenziell jede Infektion therapiert werden (die Leitlinien dazu werden gerade überarbeitet). Wahrscheinlich, so Ammer-Herrmenau, werde die 4-Fach-Kombination zur Erstlinien-Therapie für 10 bis 14 Tage empfohlen.

Der Nachweis von Helicobacter pylori ist eine Indikation, bei der PPI der 2. Generation (z.B. Esomeprazol) bessere Eradikationsraten zeigen als Pantoprazol und Omeprazol.

PPI zur Ulkus-Prophylaxe bei NSAR und Plättchenhemmung

Die chronische Einnahme von NSAR und die Plättchenhemmung bei Patienten mit erhöhtem Risiko für eine Gastrointestinal-Blutung sind ebenfalls Indikationen für eine PPI-Gabe.

Ein erhöhtes Risiko für eine GI-Blutung liegt ab einem Alter von 65 Jahren vor, bei Ulkus-Anamnese, einer Infektion mit Helicobacter pylori und wenn Kortison, Antikoagulanzien oder SSRI (selektive Serotonin-Reuptake-Inhibitoren) eingenommen werden.

Für den Einzelnen geringes Risiko, aber mit Nebenwirkungen assoziiert

„Auch wenn für den einzelnen Patienten ein geringes Risiko besteht – das Nebenwirkungspotenzial liegt bei ca. 1,5% –, ist die chronische Einnahme von PPI mit einer Reihe teils schwerwiegender Erkrankungen assoziiert“, so Ammer-Herrmenau.

Bei älteren Menschen (>60 Jahre) wird die chronische Einnahme mit einer erhöhten Rate ambulant erworbener Pneumonien in Verbindung gebracht, in Metaanalysen zeigte sich aber keine Signifikanz.

PPI werden auch mit schwereren Verläufen von COVID-19 in Verbindung gebracht, wobei auch hier eine Kausalität noch nicht belegt werden konnte.

Reviews und Populationsstudien deuten auf ein relevantes Risiko für schwere kardiale Ereignisse (MACE) und Myokardinfarkte hin, in randomisiert-kontrollierten Studien zeigte sich aber keine Signifikanz, so Ammer-Herrmenau.

PPI verändern die Darmflora – eine PPI-Einnahme erhöht nicht nur das Risiko für eine Infektion, sondern auch das Rezidivrisiko. Wird bei einem Patienten C. difficile nachgewiesen, sollten PPI möglichst abgesetzt werden.

 
Liegt keine der genannten 3 großen Langzeit-Indikationen vor, sollten PPI abgesetzt werden. Dr. Christoph Ammer-Herrmenau
 

Mehrere Studien zeigen eine Assoziation zwischen der Einnahme von PPI und einem erhöhten Risiko für Osteoporose-bezogene Frakturen (OR 1,20–1,56). Das Risiko erhöht sich mit Einnahmedauer und steigender Dosis. Wahrscheinlich ist die Ursache für die Assoziation multifaktoriell: Diskutiert werden eine verminderte Absorption von Kalzium und Vitamin B12, ein sekundärer Hyperparathyreoidismus und eine Abnahme der Knochenmineraldichte.

„Liegt keine der genannten 3 großen Langzeit-Indikationen vor, sollten PPI abgesetzt werden“, sagte Ammer-Herrmenau und riet, gerade bei älteren Patienten zu prüfen, welche Medikamente eingenommen werden. Eine Studie aus 2020 zeigt, dass bei geriatrischen Patienten unter Polymedikation in den meisten Fällen (90%) mehr als 1 Medikament (im Schnitt 1,3 Medikamente) abgesetzt werden konnten. „Bei einem Viertel der erfassten Patienten konnte so auf das PPI verzichtet werden“, berichtete Ammer-Herrmenau.

 

Kommentar

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