Teilzeit für Ärzte: Häufig gewünscht, die Hürden – und Lösungsmöglichkeiten

Marc Fröhling

Interessenkonflikte

28. April 2021

Die Gründe für den Wunsch einer Anstellung in Teilzeit sind vielschichtig. Welche Hürden und Möglichkeiten dabei aus Sicht von Führungspersonal und Assistenzärzten existieren, veranschaulichte ein Vortrag im Rahmen des 127. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM) [1].

Gründe für Teilzeitarbeit im ärztlichen Dienst

Prof. Dr. Stephan Holmer, Ärztlicher Direktor des Klinikums Landshut in Bayern, nannte eine ganze Reihe an Gründen für die Teilzeitarbeit seiner Angestellten, die im Wesentlichen von den Mitarbeitern selbst ausgehen:

  • Kinderbetreuung und Familiengründung,

  • andere familiäre Gründe (z.B. die Pflege von Angehörigen),

  • zusätzliche weitere Beschäftigungen (betrifft häufig Mitarbeiter, die bereits den Facharztstatus erreicht haben)

  • und der Wunsch nach mehr Freizeit und einer besseren Work-Life-Balance.

 
Wir müssen uns zunehmend auf die Umsetzung von Teilzeitarbeit in den klinischen Bereichen einstellen. Prof. Dr. Sabine Blaschke
 

Bestätigen kann den Trend hin zur Teilzeitarbeit Prof. Dr. Sabine Blaschke, ärztliche Leitung der Zentralen Notaufnahme an der Universitätsmedizin Göttingen. „Wir müssen uns zunehmend auf die Umsetzung von Teilzeitarbeit in den klinischen Bereichen einstellen.“ Sie sprach weiter von einem Kulturwandel, der sich in der Berücksichtigung der Teilzeitkräfte in den Kliniken abbilden muss.

Klinikum Landshut: Aktuell 40% der Fachärzte in Teilzeit

Am Klinikum Landshut wurde aktuell eine Mitarbeitererhebung zum Thema Teilzeitarbeit im ärztlichen Dienst durchgeführt. Dabei zeigte sich folgendes Bild: 21% der rund 200 ärztlich Tätigen am Klinikum Landshut sind in Teilzeit angestellt, mit einem gleichen Anteil von Männern und Frauen.

Dass diese Quote nicht die Regel sein muss, erklärte Dr. Juliane Knust, die an der Klinik für Hämatologie und medizinische Onkologie der Universitätsmedizin Göttingen tätig ist. An Unikliniken werden demnach Teilzeitarbeit und Weiterbildung in Teilzeit zum weit überwiegenden Teil von Frauen geleistet.

Unter den Fachärzten am Klinikum Landshut gab es deutlich mehr Teilzeitbeschäftigte (41%) als bei den Ärzten in Weiterbildung (12%). Fachabteilungen, in denen eine Tätigkeit in Teilzeit ausgeübt wurde, waren neben der Inneren Medizin auch die Frauenklinik, die Radiologie, die Chirurgie, die Anästhesie und die Notaufnahme.

Probleme aus Sicht der Mitarbeiter …

Knust führte zunächst die grundlegenden Probleme an: Teilzeitarbeit und Weiterbildung in Teilzeit gerade an Universitäten werden zum überwiegenden Teil von Frauen geleistet, die Weiterbildungszeit verlängert sich. Die Weiterbildung in Teilzeit stelle weiterhin ein Karrierehemmnis dar, aus den folgenden Gründen:

  • Die langsamere Qualifikation: So nimmt die internistische Fortbildung bei einer 50%-Tätigkeit 10 Jahre in Anspruch, was in der Folge einen schwierigeren und späteren Aufstieg in der Hierarchie mit sich bringt.

  • Anerkennung durch die Ärztekammern: Die Teilzeittätigkeit soll mindestens die Hälfte der wöchentlichen Teilzeitarbeit betragen, wobei sich die Weiterbildungszeit entsprechend verlängert. In einigen Landesärztekammern sind die Stundenzeiten jedoch inzwischen niedriger angesetzt. „Vollzeit-/ Teilzeitäquivalenz ist jedoch noch ein absolutes Tabuthema und wird in keiner Landesärztekammer thematisiert“, so Knust.

  • Rotationen: Knust beklagte hier vor allem mangelnde Kooperation zwischen den unterschiedlichen Abteilungen und Kliniken. Sehr schwierig wird es bei der Umsetzung der Rotationsschemata, wenn ein Angestellter über individuelle Zeiten verfügt, für eine 6-monatige Rotation äquivalent beispielsweise 8 Monate benötigen würde. Immer noch gibt es mancherorts eine grundsätzliche Ablehnung von Rotationen in Teilzeit. Dies konnte auch Holmer bestätigen: Häufig sind in größeren Krankenhäusern Blockaden bei den Rotationssystemen ein Problem, wo „Halbtages-Rotanten“ mitunter nur ungern angenommen werden, was letztlich zu verzögert abgearbeiteten Funktions- oder OP-Katalogen führt.

  • Mangel an strukturierten Weiterbildungskonzepten und regelmäßiger Reevaluation.

  • Ein weiteres Problem sind historisch gewachsene Strukturen und No-Gos, wie der Gedanke, dass Schichtdienst oder OP-Tätigkeit in Teilzeit nicht möglich seien.

Auch nach abgeschlossener Weiterbildung gibt es Probleme für Teilzeitbeschäftigte im ärztlichen Dienst. So dauern Zusatzweiterbildungen sehr lange. Die Mitarbeiter erhalten weniger Gehalt und geringere Anwartschaften für die spätere Rente.

… und aus Sicht der Chefetage und der Kollegen

  • Ein Problem aus chef- und oberärztlicher Sicht ist die häufig schwierige Umsetzung der Rotationsmodelle von den Teilzeitbeschäftigten in Weiterbildung. Fingerspitzengefühl ist erforderlich, da der Rotationsersatz durch Vollzeitkräfte meist ungerecht ist. Organisatorisch schwierig kann sich außerdem die verlängerte Rotationszeit von Teilzeitbeschäftigten gestalten. Zu berücksichtigen ist, dass selbstständige Tätigkeiten erst verzögert ausgeführt werden können.

  • Im Einsatz auf den Stationen sind mehr sorgfältige Übergaben erforderlich, um eine kontinuierliche Patientenversorgung zu gewährleisten, was zu Zeitverlusten führt.

  • Ein Problem, dass nicht nur Teilzeitbeschäftigte in Weiterbildung betrifft, ist laut Holmer die Tatsache, dass Mehrarbeit der Teilzeitkräfte von den Kollegen in Vollzeit häufig nicht wahrgenommen wird, da diese eben länger vor Ort sind.

  • Mitarbeiter-Neurekrutierung ist aufwendig und teuer, Fluktuation soll vermieden werden. Viel Personal in Teilzeit bedeutet auch insgesamt einen höheren Personalbedarf. Möglicherweise müssen Arbeitsplätze im Jobsharing geschaffen werden, was gerade in der Inneren Medizin schwierig sein kann.

Was sind die Zielvorstellungen …

Ausgehend von den genannten Hürden, führte Knust folgende Zielvorstellungen auf, was das Themenfeld Teilzeitarbeit und Weiterbildung in Teilzeit anbelangt:

  • Facharzt-Ausbildung in Teilzeit in akzeptabler Gesamtzeit, darüber hinaus Äquivalenzanerkennung von Teilzeit,

  • aufgestockte Personalmittel in Kliniken,

  • Ausbau flexibler, betriebsnaher Kinderbetreuungen,

  • Förderung akademischer Karrieren von Frauen,

  • Schaffung von Perspektiven und frühzeitige Reevaluation und

  • Anpassung und Optimierung von Organisationsstrukturen.

und welche Lösungsansätze gibt es?

Bessere Arbeitseffizienz: Aus Sicht des Chefarztes sieht Holmer bei Teilzeitbeschäftigten eine bessere Arbeitseffizienz. Gerade für Funktionsstellen und Schichtdienst ist Teilzeitarbeit gut geeignet. Probleme sieht Holmer dagegen, wenn ein bestimmter Bereich von Teilzeitbeschäftigten fest verantwortet werden muss, was vor allen Dingen in Übergaben gut kommuniziert und gesteuert werden muss. Auch die Konstanz auf der Station kann darunter leiden und bedarf guter Organisation. Am Klinikum Landsberg wird daher ein Jahresrotationsplan unter Beteiligung aller Kliniken erstellt.

Rotationsmöglichkeiten: Optimal wäre eine geteilte Stelle mit gemeinsamer Rotation, was nicht immer gelingt. Fehlende Arbeitszeiten an der anderen Klinik müssen dabei ausgeglichen werden. Es sollte eine gute Absprache mit den Chefärzten der anderen Fachabteilungen herrschen. Verlängerte Rotationen und nochmaliger Turnus können teils sinnvoll sein.

Der Schichtplan und die anderen Teilnehmer müssen dabei möglichst flexibel sein. Eine gute Lösung wäre ein regelhafter Stations- und Bereitschaftsdienst mit festen ganzen Tagen am Stück, was aber häufig in der Praxis nicht möglich ist (Beispiel Kinderbetreuung). Eine Halbtagestätigkeit ist eher schlecht anwendbar, es sei denn, es handelt sich um eine geteilte Stelle mit komplementären Arbeitszeiten.

Blocktätigkeit: Eine Empfehlung von Holmer ist im Funktionsdienst eine Blocktätigkeit von Teilzeitarbeitern, um schnell die nötigen Skills zu erlernen und selbstständig zu werden.

 
Die Zeiten starrer Vorgaben von oben herab sind eigentlich vorbei. Prof. Dr. Stephan Holmer
 

Karriere & Mitarbeiterbindung: Darüber hinaus sollten Karrierechancen für Mitarbeiter in Teilzeit entwickelt werden sowie die Mitarbeiterbindung während Familiengründung gestärkt werden.

Organisation & Kommunikation: Insgesamt ist auf Führungsebene Organisationstalent gefragt. Zudem sind genau definierte Kommunikationswege wichtig, da ein Teil der Mitarbeiter nicht immer verfügbar ist.

Transparente Personalplanung: Die Dienstpläne sollten nicht im Hinterzimmer gemacht werden, sondern in einer gemeinsamen Besprechung, um auch alle Mitarbeiter selbst mit in die Verantwortung zu nehmen. „Die Zeiten starrer Vorgaben von oben herab sind eigentlich vorbei“, so Holmer. Werden alle miteinbezogen, steigert dies die Selbstorganisation und Eigenverantwortung der Mitarbeiter.

Fazit: „Bleiben Sie im Austausch!“

Homogenisierung und Flexibilisierung sind nötig, um 24/7-Abdeckung zu gewährleisten. Besonders Schicht- und Funktionsdienst eignen sich sehr gut für Teilzeitarbeit, die meist in hoher Effizienz ausgeführt wird. Gerade für Teilzeitarbeit bei Kollegen in Weiterbildung ist viel Verständnis von Supervisoren, Dienstplanschreibern und den Vollzeit-Kollegen erforderlich. Es ist wichtig, dass der Teilzeitbeschäftigte rasch eine Basis-Expertise gewinnt. „Starre Wunschzeiten sind jedoch mitunter schwierig umzusetzen“, merkte Holmer an.

 
Starre Wunschzeiten sind jedoch mitunter schwierig umzusetzen. Prof. Dr. Stephan Holmer
 

Im individuellen Fall rät Knust unbedingt dazu, mit den Kollegen im eigenen Haus aber auch über die eigene Klinik hinaus im Austausch zu bleiben, um Netzwerke zu schaffen. Sie rät außerdem zur Teilnahme an Gremienarbeit. Durchhaltevermögen, eine hohe Frustrationstoleranz und Optimismus sind auf diesem Weg hilfreich. Insgesamt sprach Knust von einem langsamen Prozess, der viel Energie kostet, jedoch mache sich ein Bewusstseinswandel bereits jetzt deutlich bemerkbar.

Dieser Artikel ist im Original erschienen auf Coliquio.de.

 

Kommentar

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