Anspruch auf Zweitmeinung: IQWiG identifiziert 15 weitere Eingriffe oder Maßnahmen

Dr. Nina Mörsch

Interessenkonflikte

28. April 2021

Von der Herzkatheter-Untersuchung bis zur Prostatektomie: Das IQWiG hat 15 weitere Eingriffe und Eingriffsgruppen identifiziert, bei denen Patienten von einem Zweitmeinungsverfahren besonders profitieren könnten [1].

Bei der individuellen Entscheidungsfindung „für“ oder „gegen“ einen bestimmten planbaren medizinischen Eingriff haben gesetzlich Krankenversicherte bekanntlich in definierten Fällen einen Anspruch darauf, sich eine unabhängige 2. ärztliche Meinung einzuholen. Für welche Eingriffe dies konkret gilt, legt der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) in der Richtlinie zum Zweitmeinungsverfahren fest.

Dieser Anspruch auf Einholung einer Zweitmeinung soll auf weitere Eingriffe ausgeweitet werden. Deshalb beauftragte der G-BA das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) damit, therapeutische Eingriffe oder diagnostische Maßnahmen zu identifizieren, die für eine Aufnahme in die Zweitmeinungs-Richtlinie des G-BA infrage kommen.

In einer nationalen und internationalen Literaturrecherche identifizierte das Institut Prozeduren und Eingriffe, bei denen eine mögliche Überversorgung besonders intensiv diskutiert wird. Folgende Kriterien lagen den darauffolgenden empirischen Analysen zugrunde: Eingriffshäufigkeit, Mengendynamik, regionale Variation und Elektivität.

Die 15 identifizierten Eingriffe und Eingriffsgruppen

Die Auswertung und Kombination dieser Kriterien zeigte für die folgenden 15 Eingriffe und Eingriffsgruppen die deutlichsten Hinweise darauf, dass ein Zweitmeinungsverfahren für Patienten eine Entscheidungsunterstützung bieten könnte:

  • Herzkatheter-Untersuchung

  • Myokard-Perfusionsbildgebung (radiologische Herzdurchblutungsdiagnostik)

  • Myringotomie (Trommelfellschnitt zur Einlage eines Paukenröhrchens bei chronisch rezidivierenden Mittelohrentzündungen)

  • Nasenoperationen: Operationen an unterer Nasenmuschel und submuköse Resektion und plastische Rekonstruktion des Nasenseptums (Nasenscheidewand-Operationen)

  • Herzklappen-Ersatz

  • Koronararterien-Bypassoperation (CABG; operative Anlage von Umgehungsgefäßen bei Verengung der Herzkranzarterien)

  • Implantation eines Defibrillators/Herzschrittmachers

  • Endarteriektomie (Arterienausschälung)

  • Aortenaneurysma-Eingriffe

  • bariatrische Chirurgie (Adipositas-Operationen)

  • Cholezystektomie (Entfernung der Gallenblase)

  • Prostatektomie (benigne und maligne Erkrankungen)

  • Hüftgelenk-Ersatz

  • elektrophysiologische Untersuchung und Ablation am Herzen (Untersuchung und Ausschaltung übererregbaren Herzgewebes)

  • perkutane Koronarintervention (PCI; kathetergestützte Eingriffe zur Durchblutungsverbesserung in verengten Herzkranzarterien)

Das IQWiG weist darauf hin, dass für die Erstellung des Rapid Reports – anders als für die ausgewertete Fachliteratur – kurzfristig nur empirische Daten für die stationäre Versorgung aus der Gesundheitsberichterstattung des Bundes verfügbar waren. Ein vollständiges Abbild der Versorgungssituation ergebe sich für einige Eingriffe aber nur mit dem Einbezug der ambulanten Leistungserbringung durch niedergelassene Ärzte/Operateure.

Mit der PCI und der CABG sind 2 gegebenenfalls alternative und unterschiedlich invasive Therapieoptionen bei Herzkranzgefäß-Verengungen in der Auswahl enthalten, die in einem Zweitmeinungsverfahren fallweise gegeneinander abzuwägen und in einer Entscheidungshilfe für Patienten entsprechend darzustellen wären, betonen die Autoren des Berichts.

Das Gleiche gelte für den Fall einer Erstdiagnostik einer stabilen chronischen koronaren Herzkrankheit (KHK), wo die noch überwiegend angewendete Herzkatheter-Untersuchung gegen eine weniger invasive Bildgebungsdiagnostik mit CT- und MRT-gestützten Prozeduren (Myokard-Perfusionsbildgebung) abzuwägen sei.

Solide Grundlage für weitere Auswahldiskussionen im G-BA

Eine differenzierte Nutzenbewertung der einzelnen für das Zweitmeinungsverfahren vorgeschlagenen Eingriffe und Prozeduren war im Rahmen dieses Projekts nicht möglich. Allerdings hat das Projektteam systematische Übersichten und evidenzbasierte Leitlinien recherchiert, die in vielen Fällen bei den zumeist schon länger angewendeten diagnostischen und therapeutischen Eingriffen und Prozeduren beurteilen ließen, wie gut belegt deren Nutzen ist.

„Auch wenn noch weiterer Klärungsbedarf besteht, bildet der vorliegende Bericht eine solide Grundlage für weitere Auswahldiskussionen im Gemeinsamen Bundesausschuss“, sagt IQWiG-Leiter Prof. Dr. Jürgen Windeler

 
Auch wenn noch weiterer Klärungsbedarf besteht, bildet der vorliegende Bericht eine solide Grundlage für weitere Auswahldiskussionen im Gemeinsamen Bundesausschuss. Prof. Dr. Jürgen Windeler
 

Zum Ablauf der Berichterstellung

Der G-BA hat das IQWiG am 16. April 2020 beauftragt, eine Auswahl von circa 15 elektiven Eingriffen zu empfehlen, die für eine potenzielle Aufnahme in die Zweitmeinungs-Richtlinie infrage kommen. Laut Beauftragung sollte der Bericht in einem beschleunigten Verfahren als sogenannter Rapid Report erstellt werden. Zwischenprodukte wurden daher nicht veröffentlicht und nicht zur Anhörung gestellt. Der vorliegende Rapid Report wurde am 26. Februar 2021 an den Auftraggeber versandt.

Dieser Artikel ist im Original erschienen auf Coliquio.de

 

Kommentar

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