Was hilft am besten bei Cluster, wie behandelt man Schwangere oder Patienten mit posttraumatischem Kopfschmerz? Prof. Dr. Hans-Christoph Diener fasst die wichtigsten Erkenntnisse zusammen.
Transkript des Videos von Prof. Dr. Hans-Christoph Diener, Duisburg-Essen
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
ich bin Christoph Diener von der Medizinischen Fakultät der Universität Duisburg-Essen. Ich möchte über Neues in der Neurologie berichten. Leider gab es im Mai eine ganze Reihe von negativen Studien, die ich jetzt aber nicht darstellen will. Diesen Monat möchte ich mich auf das Thema „Kopfschmerzen“ konzentrieren.
1. Migräne und Verschluss eines offenen Foramen ovale
Beginnen möchte ich mit der Assoziation zwischen einem offenen Foramen ovale und Migräne. Man weiß, dass Menschen, die unter einer Migräne mit Aura leiden, eine höhere Prävalenz eines offenen Foramen ovale haben.
Daher haben interventionelle Kardiologen propagiert, dass man zur Prophylaxe der Migräne ein offenes Foramen ovale verschließen sollte. Es gibt 3 randomisierte kontrollierte Studien, die alle negativ waren. Inzwischen gibt es neue Erkenntnisse:
Zum Beispiel die CLOSE-Studie, die bei Patienten im Alter unter 60 Jahren mit kryptogenem Schlaganfall und offenem Foramen ovale einen PFO-Verschluss mit einer Thrombozyten-Funktionshemmung oder Antikoagulation verglichen hat [1].
Diese Studie hatte u.a. 145 Männer und Frauen eingeschlossen, die unter einer Migräne litten. Diese waren im Mittel 42 Jahre alt. Wenn diese Patienten über 5 Jahre verfolgt wurden, gab es keinen Nutzen eines PFO-Verschlusses im Vergleich z.B. zu Thrombozyten-Funktionshemmern. Dies galt für die Zahl der Migräneattacken, für die Beeinträchtigung durch die Migräne oder für die prophylaktische Einnahme von Medikamenten.
2. Therapiepause bei CGRP-Antagonisten?
Eine wichtige Frage ist auch, ob man bei den neuen monoklonalen Antikörpern gegen CGRP oder den CGRP-Rezeptor nach einer gewissen Zeit eine Therapiepause machen kann. Das wurde nun bei 52 Patienten untersucht [2]. Die Untersucher setzten den Antikörper nach einem Jahr ab und verfolgten die Patienten über 3 Monate.
Es zeigte sich jedoch leider, dass sich bei der Mehrzahl der Patienten die Migräne wieder verschlechterte. Fast 90% der Patienten wollten nach 3 Monaten die Therapie wieder fortsetzen.
Hier ist allerdings wichtig zu erwähnen, dass es sich um eine Negativauswahl von Patienten handelt. Einbezogen wurden jene, die besonders stark betroffen sind.
3. Antikörper in der Schwangerschaft?
In Cephalalgia ist eine weitere wichtige Studie erschienen. Es gibt ein Schwangerschaftsregister der Weltgesundheitsorganisation (WHO) [3]. Dort wurden in der Zwischenzeit 85 Schwangerschaften berichtet, die unter Applikation eines monoklonalen Antikörpers gegen CGRP aufgetreten sind. Erfreulicherweise gab es keine Komplikationen. Trotzdem sollten natürlich die monoklonalen Antikörper abgesetzt werden, wenn eine Frau schwanger wird.
4. Bisherige Prophylaktika versus monoklonale Antikörper
Eine weitere Studie hat einen indirekten Vergleich der bisherigen Prophylaktika mit den monoklonalen Antikörpern durchgeführt und Numbers needed to treat (NNT) und Numbers needed to harm (NNH) berechnet [4].
Für die episodische Migräne zeigt sich eine Überlegenheit der Antikörper in der Wirksamkeit gegenüber Propranolol und Topiramat. Das gilt auch für die chronische Migräne für den Vergleich mit Topiramat und Onabotulinumtoxin A. Nicht überraschend ist, dass das Nebenwirkungsprofil der monoklonalen Antikörper deutlich besser ist als das der bisherigen Migräneprophylaktika.
5. Real-Word-Daten zum Cluster-Kopfschmerz
Das dänische Kopfschmerzzentrum hat Real-World-Daten über 400 Patienten mit episodischem oder chronischem Cluster-Kopfschmerz berichtet [5]. Sie teilen mit, dass die beiden wirksamsten Therapien die subkutane Gabe von Sumatriptan und die Inhalation von Sauerstoff sind.
Der Therapieerfolg hängt allerdings von der Art des Cluster-Kopfschmerzes ab. Er ist beim episodischen Cluster-Kopfschmerz deutlich besser als beim chronischen Cluster-Kopfschmerz. Leider lässt die Wirkung der Akuttherapie im Lauf der Erkrankung nach.
Bei den prophylaktischen Medikamenten blieben nur 60% der Patienten auf einer Prophylaxe, am häufigsten wurde hier Verapamil angewendet.
6. Bariatrische Operation bei Pseudotumor cerebri
Eine ganz aufregende Studie wurde in JAMA Neurology publiziert [6]. Hier geht es um die idiopathische intrakraniale Hypertension, den Pseudotumor cerebri. Man weiß, dass Übergewicht der wichtigste Risikofaktor ist.
Diese Studie hat Frauen mit Pseudotumor cerebri und Übergewicht randomisiert zu einer bariatrischen Operation oder zu einem Gewichtsmanagement. Nach 12 Monaten zeigte sich, dass die Operation nicht nur zu einer signifikanten Reduktion des Liquordrucks führte, sondern auch zu einer Verbesserung visueller Funktionen und vor allem der Kopfschmerzen.
7. Empfehlungen zum posttraumatischen Kopfschmerz
Die letzte Arbeit ist in Lancet Neurology erschienen [7], eine sehr gute Übersichtsarbeit zum posttraumatischen Kopfschmerz. Die Empfehlung dort lautet, dass sich die Prophylaxe am Phänotyp der Kopfschmerzen orientieren sollte.
Wenn posttraumatische Kopfschmerzen einer Migräne ähneln, sollten Migräneprophylaktika eingesetzt werden. Wenn der Kopfschmerz eher dem Spannungskopfschmerz ähnelt, sollten trizyklische Antidepressiva verwendet werden.
Die wichtigste Message hier ist m.E., dass leider immer noch viele Patienten mit posttraumatischen Kopfschmerzen viel zu spät an einen Neurologen oder an einen Kopfschmerzspezialisten überwiesen werden, um die Kopfschmerzen zu behandeln.
Meine Damen und Herren, das waren eine ganze Reihe von Neuigkeiten im Bereich Kopfschmerz, die im Mai 2021 publiziert worden sind.
Ich bin Christoph Diener von der Medizinischen Fakultät der Universität Duisburg-Essen und bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Medscape © 2021
Diesen Artikel so zitieren: Neuro-Talk: Migräne, Trauma, Cluster, Pseudotumor – diese 7 Studien zur Therapie von Kopfschmerzen sollten Sie kennen - Medscape - 14. Jun 2021.
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