Als weitere Option für das Management eines Her2neu-positiven Mammakarzinoms diskutiert PD Dr. Georgia Schilling den neuen Antikörper Margetuximab und die Ergebinsse der SOPHIA-Studie.
Transkript des Videos von PD Dr. Georgia Schilling:
Sehr geehrte Damen und Herren,
mein Name ist Georgia Schilling, ich bin leitende Oberärztin im Asklepios-Tumorzentrum in Hamburg und Chefärztin der internistisch-onkologischen Rehabilitation in der Asklepios-Nordsee-Klinik in Westerland auf Sylt.
Heute stelle ich Ihnen eine Studie vor, die im Januar 2021 in JAMA Oncology aus meinem bevorzugten onkologischen Bereich, nämlich aus dem Bereich der Mammakarzinome, publiziert worden ist.
SOPHIA-Studie mit Margetuximab
Die SOPHIA-Studie wurde von Dr. Hope Rugo, University of California, San Francisco, als Erstautor veröffentlicht.
Untersucht wurde in der offenen randomisierten Phase-3-Studie Margetuximab im Vergleich zu Trastuzumab bei Patientinnen mit einem fortgeschrittenen vorbehandelten HER2neu-positiven Mammakarzinom.
Wir wissen, dass das fortgeschrittene HER2neu-positive Mammakarzinom trotz aller Therapiefortschritte in den letzten Jahren weiterhin eine unheilbare Erkrankung ist. Wir konnten zwar das progressionsfreie Überleben verbessern und das Gesamtüberleben (OS) durch neue zielgerichtete Therapien signifikant verlängern, nach wie vor ist es jedoch eine unheilbare Erkrankung.
Durch den sequenziellen Einsatz vieler neuer Medikamente können wir sie aber eher zu einer chronischen Erkrankung als einer lebensbedrohlichen machen.
Hier reiht sich Margetuximab ein. Der Antikörper hat in einer Phase-1-Studie bei immerhin 17% der Frauen mit weit fortgeschrittenen Mammakarzinomen zu einer partiellen Remission geführt. 3 Patientinnen in dieser Studie haben die Monotherapie mit Margetuximab über mehr als 4 Jahre fortsetzen können. Das will was heißen!
Deshalb hat man Margetuximab nun direkt mit Trastuzumab verglichen, das wir schon seit 20 Jahren in der Behandlung des HER2neu-positiven Mammakarzinoms erfolgreich einsetzen.
Margetuximab ist ein chimärer monoklonaler Antikörper, der das anti-ERBB2-Immunglobulin G1 aktiviert und damit zu einer erhöhten anti-ERBB2-Immunantwort im Vergleich zu Trastuzumab führt. Es ist also ein etwas anderer zielgerichteter Ansatz am ERBB2-Rezeptor.
Studiendesign
Es handelte sich um eine randomisierte, offene Phase-3-Studie. Sponsor und zentrales Auswerter-Team waren allerdings verblindet. Also nur Patient und Arzt wussten, welche Substanz gegeben wurde.
Es wurden Patientinnen eingeschlossen mit einer Progression der Erkrankung nach mindestens 2 zielgerichteten ERBB2-Therapien inklusive Pertuzumab und 1 bis 3 nicht endokrinen Systemtherapien. Stabile Patientinnen, die zerebrale Metastasen hatten, konnten eingeschlossen werden.
Den Chemotherapie-Backbone konnte der Arzt unter Capecitabin, Eribulin, Gemcitabin oder Vinorelbin in den normalen üblichen Dosierungen auswählen.
Es wurden 3-Wochen-Zyklen gegeben. Primäre Endpunkte waren progressionsfreies Überleben (PFS) und Gesamtüberleben (OS). Sekundärer Endpunkt war die Gesamtansprechrate (ORR).
Ergebnisse
In 17 Ländern wurden in 166 Zentren 536 Patientinnen eingeschlossen. Das mediane Alter lag bei 56 Jahren. Alle bis auf 1 Patientin hatten bereits Trastuzumab und 91% auch TDM1, also mehrere gegen ERBB2-gerichtete Therapieverfahren erhalten. Ein Drittel der Patientinnen hatte bereits mindestens 3 Therapien bekommen.
Margetuximab hat das PFS auf 5,8 Monate gegenüber 4,9 Monaten unter Trastuzumab verlängern können. Das war statistisch signifikant (Hazard Ratio 0,76, p = 0,03) und bedeutet eine Risikoreduktion für Progression um 24%.
Das mediane OS betrug 19,8 Monate im Trastuzumab-Arm versus 21,6 Monate im Margetuximab-Arm. Allerdings wird die finale OS-Analyse erst nach 385 Todesfällen durchgeführt werden, dies wird noch in diesem Jahr erwartet.
Die Ansprechrate stieg durch die Gabe von Margetuximab von 16% auf 22%. Die mittlere Ansprechdauer war aber unter beiden Antikörpern mit 6 Monaten gleich.
Toxizität
Hauptnebenwirkungen waren Fatigue, Übelkeit, Diarrhö, Neutropenie in beiden Gruppen, Erbrechen unter Margetuximab und Anämie unter Trastuzumab. Behandlungsabbrüche in beiden Gruppen waren vergleichbar.
3 tödliche Ereignisse im Margetuximab- und 2 im Trastuzumab-Arm wurden als nicht Therapie-assoziiert gewertet.
Das Sicherheitsprofil beider Substanzen ist vergleichbar. Unter Margetuximab kam es im ersten Zyklus vermehrt zu infusionsbedingten Reaktionen, die aber alle reversibel waren. Die kardiale Toxizität war ähnlich. Bei 3 Patienten unter Margetuximab und 1 Patient unter Trastuzumab kam es zu einem reversiblen Abfall der linksventrikulären Funktion vom Grad 3.
Klinische Relevanz
Die Studie hat eine klinische Relevanz. Es ist ein positives Ergebnis im Sinne des primären Endpunkts „progressionsfreies Überleben“ erreicht worden, was für mich auch in dieser weit fortgeschrittenen Therapiesituation durchaus ein würdiger Endpunkt ist.
Das OS können wir final noch nicht beurteilen, dazu müssen wir die letzte Analyse abwarten. Weil der primäre Endpunkt erreicht wurde, ist die Substanz auch von der FDA im Dezember 2020 zugelassen worden.
Einordnung von Margetuximab
Wo ordnet sich Margetuximab jetzt in der Therapie des HER2neu-positiven Mammakarzinoms ein?
Als Alternativen in diesem weit fortgeschrittenen Setting mit T-DM1, Trastuzumab und auch Pertuzumab bieten sich Neratinib, Tucatinib oder Trastuzumab deruxtecan an. Alle Substanzen haben auch substanzielle Nebenwirkungen.
Es gibt sicher Patientinnen, die sich nicht für diese toxischen Therapien eignen, weil sie diese Nebenwirkungen nicht tolerieren würden oder auch nicht tolerieren möchten. Für diese Patientinnen bietet sich der Einsatz von Margetuximab an.
Es läuft derzeit eine Studie in der neoadjuvanten Therapie, weil vermutet wird, dass die Effektivität einer noch zusätzlich immunvermittelten Therapie in einem früheren Krankheitssetting höher ist als in diesem weit fortgeschrittenem Stadium. Auf die Ergebnisse warten wir noch.
Insgesamt haben wir wieder eine neue Substanz, die sich für bestimmte Patientengruppen anbietet. Es gibt zwar keinen Vergleich zu den anderen 3 genannten Substanzen. Aber es bereichert natürlich unser therapeutisches Portfolio, wenn man etwas in der Hand hat, was gut toleriert wird und wenig Nebenwirkungen auslöst. Da findet sich sicher auch die geeignete Patientin, die von dieser Substanz profitiert.
Ich freue mich immer, wenn es etwas Neues gibt für die Patientinnen mit Mammakarzinom. Und Ihnen wird es ähnlich gehen.
Damit danke ich Ihnen für heute fürs Zuhören – bis zum nächsten Mal.
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Diesen Artikel so zitieren: „Das will was heißen!“ SOPHIA-Studie bietet neue Therapie-Option für fortgeschrittenes HER2neu+ Mammakarzinom - Medscape - 31. Mai 2021.
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