Die Zulassung von Pembrolizumab für Stadium-II-Melanome erwartet Prof. Dr. Christoffer Gebhardt nach der ESMO-Studie für nächsten Sommer. Aber welchen Patienten sollte man die Toxizität ersparen?
Transkript des Videos von Prof. Dr. med. Christoffer Gebhardt, Hamburg:
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
ich heiße Sie herzlich willkommen zu diesem Update Dermatoonkologie vom ESMO 2021, dem Europäischen Onkologen-Kongress, der auch in diesem Jahr virtuell stattfand.
Mein Name ist Christoffer Gebhardt, ich leite in Hamburg am UKE das Hauttumorzentrum.
Immuntherapie in der Adjuvans beim Melanom im Stadium IIB und IIC
Der ESMO 2021 war für uns Dermatoonkologen voller Vorspannung auf zu erwartende Daten der zulassungsrelevanten Studie in der Adjuvans beim Stadium-II-Melanom, der KEYNOTE-716-Studie [1].
Die Daten waren positiv und werden zu einer Zulassung führen, davon bin ich fest überzeugt. Dr. Jason Luke, Direktor des Cancer Immunotherapeutics Center am UPMC Hillman Cancer Center in Pittsburgh, Pennsylvania, hat die Daten in der Presidential Session prominent vortragen dürfen.
In diese große Phase-3-Studie wurden nach Resektion rund 1.000 Melanom-Patienten im Stadium IIB und IIC, also mit großen Primärtumoren, mit nicht befallenen Sentinel-Lymphknoten ohne Hinweise auf Fernmetastasierung eingeschlossen. Randomisiert erhielten sie im Behandlungsarm Pembrolizumab in der festen Dosis von 200 mg i.v. alle 3 Wochen und im Kontrollarm Placebo alle 3 Wochen i.v.
Die Auswertung dieser Studie erfolgte früh, trotzdem ist sie aussagekräftig. Ein rezidivfreies Überleben nach 12 Monaten zeigten 90,5% im Behandlungsarm versus 83,1% im Placeboarm. Das entspricht einer Hazard-Ratio von 0,65, das bedeutet eine Risikoreduktion für ein Rezidiv von 35%.
An der Stelle sei erwähnt, dass das Stadium IIB und IIC ähnlich hohe Rezidivraten und auch ein ähnliches 5-Jahres-Überleben haben wie das Stadium IIIA und IIIB, wo seit 2018 adjuvante Therapien zugelassen sind, nämlich die beiden PD1-Antikörper Pembrolizumab und Nivolumab sowie für BRAF-mutierte Patienten Dabrafenib und Trametinib.
Wir haben hier also eine neue Therapieoption, um das Rezidivrisiko dieser Hochrisiko-Primärmelanome zu senken.
Wichtig: Gespräch über Nebenwirkungen
Interessant war bei dieser Studie ganz besonders der Aspekt der Toxizität, denn das Risiko eines Rezidivs und das Risiko im Verlauf an dieser Erkrankung zu versterben muss mit der Verträglichkeit der Therapie abgewogen werden. Insofern ist das ein wichtiger Punkt. Die „adverse events“ vom Schweregrad 3/4 lagen bei 16,1% im Pembrolizumab-Arm, was den zu erwartenden Signalen entspricht, versus 4,3% im Placeboarm. Die Abbruchrate aufgrund von Nebenwirkungen betrug 15,3% vs. 2,5%.
Ein besonderer Aspekt sind die immunvermittelten Endokrinopathien, also immunvermittelte Nebenwirkungen, die zu einem Funktionsausfall der hormonproduzierenden Organe führen und zu den irreversiblen Nebenwirkungen unter Immuncheckpoint-Inhibition gehören.
Insgesamt brauchen 20% der Patienten in der Pembrolizumab-Kohorte eine Hormonersatztherapie. 14% von diesen 20% wegen einer Hypothyreoiditis, 2% wegen einer Hypophysitis und 0,4% (n = 2) wegen eines Diabetes mellitus Typ 1, also wegen eines insulinpflichtigen Diabetes.
Ein ganz wichtiger Aspekt der adjuvanten Therapie ist daher, dass sie uns bei der Aufklärung der Patienten vor Herausforderungen stellt und ganz sicher mit jedem Patienten individuell gemeinsam mit dem Onkologen entschieden werden muss.
Die Zulassung wird für nächstes Jahr erwartet. Im August 2022 werden wir diese Therapieoption haben.
Ich darf an dieser Stelle an die NivoMela-Studie erinnern, die hier in Deutschland läuft. Sie hat das Ziel, nicht nur Stadium-IIB-, sondern auch II-A-Patienten nach Genexpression-Profil-basierter Risikoselektion einer Therapie versus Nachbeobachtung zuzuführen.
Der Genexpressionstest für die Risikostratifizierung heißt MelanGenix-Test. Er ist möglicherweise eine Hilfe bei der Auswahl der Patienten mit Stadium-II-Melanom vor Beginn einer adjuvanter Therapie, um Patienten mit geringem Risiko die Therapie und damit auch die Toxizitäten zu ersparen.
Neue Kombinationstherapien
Ein weiterer, ganz spannenden Aspekt bei diesem ESMO-Kongress waren die neuen Kombinationen beim Melanom. Wir haben ja beim ASCO-Kongress 2021 von der Kombination aus LAG-3-Antikörper mit PD1-Antikörper gehört.
Diese Kombination wurde nochmal vorgestellt [2]. Es gab ein Update leider ohne Hinweise und Auswertungen zu den Ansprechraten.
Die 2. spannende Kombination war der Interleukin-6-Antikörper Tocilizumab kombiniert mit Nivolumab (PD1-Antikörper) und Ipilimumab (CTLA4-Antikörper) [3].
Hier stellte Prof. Dr. Jeffrey Weber, Perlmutter Cancer Center, New York City, Daten einer einarmigen Phase-2-Studie vor. Die Kombination erreichte eine Best Overall Response Rate von 58% bei insgesamt erstaunlich guter Verträglichkeit mit Grad-3/4-Nebenwirkungen bei 17%. Hier hat man ganz klar die Rationale für eine zweiarmige prospektive Phase-2-Studie, die wohl auch schon in Planung ist.
Spannend ist, dass Interleukin-8 nicht nur ein Marker ist für Patienten mit einer Resistenz, das heißt für ein schlechteres Ansprechen unter Therapie ist, sondern dass in einem möglichen Studienkonzept der Zukunft auch Anti-IL8-Antikörper zu dieser Dreifachkombination hinzugegeben werden können.
Das war der Update Dermatologie vom diesjährigen ESMO-Kongress. Ich hoffe, wir sehen uns bald wieder persönlich.
Damit Auf Wiederhören und Tschüss.
Medscape © 2021
Diesen Artikel so zitieren: Highlights zu Hautkrebs: Checkpoint-Inhibitor auch adjuvant – worüber Sie Patienten mit Stadium-II-Melanom aufklären sollten - Medscape - 23. Sep 2021.
Kommentar