Vorhofflimmern effektiver therapieren: Aktuelle ESC-Leitlinie bietet mit ABC-Schema einen neuen Ansatz

Dr. Susanne Heinzl

Interessenkonflikte

13. April 2021

Im August 2020 wurden die neuen Leitlinien der European Society of Cardiology (ESC) zu Diagnose und Behandlung von Vorhofflimmern (VHF) veröffentlicht (wie  Medscape berichtete). Sie ersetzen die 2016 publizierten Leitlinien. Prof. Dr. Gerhard Hindricks, Herzzentrum Leipzig, stellte bei der virtuellen Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK) am 7. April 2021 die wichtigsten Neuerungen vor [1].

Hindricks nannte 2 Gründe, die eine Überarbeitung der Leitlinie erforderten: die starke Zunahme von Vorhofflimmern sowie zahlreiche Innovationen und neue Studiendaten.

Eine Leitlinie müsse Evidenzen nachvollziehbar auflisten und daraus klinische Empfehlungen und Perspektiven ableiten. Die neue Leitlinie beinhalte 2 Perspektivwechsel, und zwar die Einführung eines 4S-AF-Schemas mit 4 Domänen bei der Klassifizierung (anstelle von paroxysmal, persistierend, permanent) sowie den ABC-Behandlungspfad mit 3 Behandlungssäulen. Die Perspektive sei genauso wichtig wie die Evidenz, um die Übertragung in klinisches Handeln möglich zu machen, so Hindricks.

Das 4S-AF-Schema

Die bislang übliche Klassifizierung des VHF nach dem zeitlichen Muster (paroxysmal, persistierend, permanent) wird als nicht mehr ausreichend angesehen.

Die neue strukturierte Bewertung des VHF nach dem 4S-AF-Schema umfasst eine klinische Bewertung:

  • des Schlaganfall-Risikos mit Hilfe des CHA2DS2-VASc-Scores,

  • des Schweregrades der Symptome anhand des EHRA-Scores,

  • des Schweregrades der VHF-Last, abschätzbar anhand von Zeitmuster und Terminierung oder beurteilbar mit Monitoring,

  • des Schweregrades des Substrats, also der funktionellen, strukturellen oder anatomischen Basis der Arrhythmie.

Der ABC-Behandlungspfad

„ABC ist eine wirklich einfache Vorgabe für einen Behandlungspfad, um Patienten mit Vorhofflimmern sicher und möglichst gut behandeln zu können“, so Hindricks.

Die 3 Säulen der Behandlung umfassen:

  • A = Antikoagulation/Vermeidung von Schlaganfall,

  • B = besseres Symptom-Management,

  • C = kardiovaskuläre Optimierung sowie Optimierung der Komorbiditäten.

In Säule A sind die Definitionen des CHA2DS2-VASc-Scores ergänzt worden. Unter C(ongestive heart failure) wurde die hypertrophe Kardiopathie hinzugefügt. Bei H(ypertonie) wurde als Blutdruck-Zielwert 120-129/<80 mmHg eingefügt. Bei D(iabetes mellitus) wurden Behandlung mit oralen blutzuckersenkenden Substanzen und/oder Insulin sowie eine Nüchtern-Blutzuckerspiegel >125 mg/dl ergänzt. Bei S(chlaganfall) ist nun auch der hämorrhagische Schlaganfall explizit aufgeführt.

 
ABC ist eine wirklich einfache Vorgabe für einen Behandlungspfad, um Patienten mit Vorhofflimmern sicher und möglichst gut behandeln zu können. Prof. Dr. Gerhard Hindricks
 

In Säule B hat sich im Bereich der Frequenzkontrolle relativ wenig verändert. Betablocker, Kalziumantagonisten und Digitalis-Glykoside bleiben die Therapie der Wahl.

Im Bereich der Rhythmuskontrolle ist nach Aussage von Hindricks die Katheterablation deutlich aufgewertet worden. Dies gelte insbesondere für Patienten mit Tachykardie-induzierter linksventrikulärer Funktionsstörung und für Patienten mit Herzinsuffizienz und reduzierter Auswurffraktion.

Das Flussdiagramm sei nun zwar etwas komplizierter, aber auch individualisierter. Als ganz wichtig sieht es der Leipziger Kardiologe an, dass vor der Ablation die Risikofaktoren für Rezidive so gut wie möglich erfasst werden sollten.

Zu Säule C merkte er an, dass Vorhofflimmern fast nie alleine komme, sondern in der Regel von einer Reihe sehr gut bekannter Komorbiditäten und Kofaktoren begleitet sei, die man in der Vergangenheit möglicherweise zu wenig beachtet habe.

Eine große Bedeutung habe die Modifikation des Lebensstils zur Unterstützung der Rhythmus-kontrollierenden Maßnahmen. So zeigte eine aktuelle prospektive Studie im New England Journal of Medicine , dass Alkoholverzicht zu einer deutlichen Reduktion der VHF-Last und des Auftretens von Vorhofflimmern geführt habe. Allerdings: „Man muss wissen, dass die Studie abgebrochen werden musste, weil diejenigen, die trocken gelegt waren, nicht bereit waren, langfristig auf ihr Bierchen zu verzichten.“

Ebenso wurde für Übergewicht und Vorhofflimmern eine klare Beziehung gezeigt. Gewichtsreduktion hat ebenfalls einen deutlichen Effekt auf das Vorhofflimmern.
 

Kommentar

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