Tumorrisiko durch Antihypertensiva; Gliom bei Kindern: Erfolg mit veränderten Herpesviren; Coxib: kein Schutz bei Darmkrebs

Dr. Susanne Heinzl

Interessenkonflikte

13. April 2021

Im Onko-Blog dieser Woche geht es unter anderem um Nebenwirkungen der onkologischen Therapie am Herz-Kreislauf-System und um das Krebsrisiko durch eine den Blutdruck senkende Behandlung. Positives gibt es zur Gliom-Therapie bei Kindern mit einer neuen Immuntherapie zu berichten und über eine weitere Kombination zur Erstlinientherapie des fortgeschrittenen Nierenzellkarzinoms. Auch beim kleinzelligen Lungenkarzinom scheint es nach langer Zeit kleine Fortschritte zu geben – dank Atezolizumab plus Chemo. Schließlich noch eine Enttäuschung: Der COX2-Hemmer Celecoxib hat nicht wie erhofft bei Patienten mit Kolonkarzinom einen günstigen Einfluss auf das Überleben.

  • Krebsrisiko: Erhöht durch Blutdruck senkende Medikamente?

  • Gliom bei Kindern: Immuntherapie mit HSV-1 verlängert das Leben

  • Kolonkarzinom: Celecoxib verlängert Überleben nicht

  • Nierenzellkarzinom: Erstlinie mit Lenvatinib plus Pembrolizumab

  • Kleinzelliges Lungenkarzinom: Atezolizumab plus Carboplatin/Etoposid bestätigt Überlebensvorteil in der Erstlinie

  • Erfolge in der Krebstherapie, aber immer mehr kardiovaskuläre Folgen

Krebsrisiko: Erhöht durch Blutdruck senkende Medikamente?

Ein große Metaanalyse mit 33 Studien hat keine konsistenten Beweise dafür gefunden, dass blutdrucksenkende Medikamente das Krebsrisiko beeinflussen. Allerdings, so schränken die Autoren von der Universität Oxford in ihrer Publikation in Lancet Oncology ein, reiche, z.B. für Calciumantagonisten, die Evidenz nicht aus, um ein erhöhtes Risiko ganz ausschließen zu können.

Ob es eine Verbindung zwischen Krebs und der Einnahme von Blutdrucksenkern gibt, ist seit mehr als 40 Jahren umstritten. Verschiedene Analysen haben bislang zu widersprüchlichen Ergebnissen geführt. Die aktuelle Metaanalyse analysierte die Daten der einzelnen Teilnehmer (n = 260.447) von 33 randomisierten kontrollierten Studien mit einer mittleren Beobachtungsdauer von 4,2 Jahren. Die Datenanalyse auf Teilnehmerebene ermöglichte es, konkurrierende Risikofaktoren zu berücksichtigen und Untergruppen zu analysieren.

Insgesamt ergab sich keine Assoziation zwischen Krebshäufigkeit und Einnahme von ACE-Inhibitoren, Angiotensin-Rezeptorblockern (ARB) oder Betablockern. Eine geringe Assoziation ergab sich mit Calciumantagonisten (Hazard Ratio: 1,06) – dies insbesondere für Prostata- (HR: 1,15) und Hautkrebs (HR: 1,26) – sowie mit Thiaziddiuretika (HR: 1,14).

Im begleitenden Editorial weist Dr. Laurent Azoulay, Epidemiologe von der McGill-Universität, Montreal, Kanada, darauf hin, dass es bis zur Entwicklung einer Krebserkrankung in der Regel 5 bis 10 Jahre dauert und keine der randomisierten Studien mit Antihypertensiva die Patienten so lange nachverfolgt hat. Dies limitiere die Aussage der aktuellen Analyse auf den kurzzeitigen Gebrauch von Blutdrucksenkern. Die sorgfältige Arbeit müsse durch gut geplante Real-World-Studien in heterogenen Patientengruppen ergänzt werden, die über eine längere Zeit beobachtet werden, um das karzinogene Potenzial besser erfassen zu können.

Gliom bei Kindern: Immuntherapie mit HSV-1 verlängert das Leben

Eine Immuntherapie mit intratumoral appliziertem genetisch veränderten Herpes-simplex-Virus Typ 1 G207 verdoppelte bei 12 Kindern mit hochgradigem Gliom die Überlebenszeit – dies im Vergleich zu historischen Kontrollen.

Dr. Gregory Friedmann, Birmingham, USA, hat diese Ergebnisse einer Phase-1-Studie beim AACR Annual Meeting 2021 präsentiert und parallel im NEJM publiziert.

Das HSV-1 ist in G207 so verändert, dass es normale Zellen nicht mehr infiziert, in Tumorzellen kann es sich jedoch vermehren. Intratumoral appliziertes G207 kann die Menge an Tumor-infiltrierenden Lymphozyten erhöhen und dadurch immunologisch „kalte“ Hirntumoren in „heiße“ und „entzündete“ Formen umwandeln – so die zugrunde liegende Hypothese.

Die 12 Kinder und Jugendliche im Alter von 7 bis 18 Jahren waren mit oder ohne Bestrahlung intratumoral mit G207 behandelt worden. Dosislimitierende toxische Reaktionen wurden nicht gesehen.

Bei 11 Patienten wurden radiologische, neuropathologische oder klinische Reaktionen beobachtet. Die mediane Überlebenszeit betrug 12,2 Monate. 18 Monate nach der Behandlung lebten noch 4 Patienten. G207 soll nun in einer Phase-2-Studie weiter untersucht werden.

Kolonkarzinom: Celecoxib verlängert Überleben nicht

Der COX2-Hemmer Celecoxib, zusätzlich über 3 Jahre zur standardmäßigen adjuvanten Chemotherapie bei Patienten mit Kolonkarzinom im Stadium III gegeben, hat im Vergleich zu Placebo die krankheitsfreie Überlebenszeit nicht signifikant verlängert.

Dies ist das Ergebnis der großen randomisierten Studie CALGB/SWOG 80702 (Alliance), die von einer US-amerikanischen Arbeitsgruppe im JAMA publiziert worden ist.

In die Phase-3-Studie mit 2-mal-2-faktoriellem Design waren 2.526 Patienten mit Kolonkarzinom im Stadium III von Juni 2010 bis November 2015 aufgenommen und bis zum 10. August 2020 nachuntersucht worden. Randomisiert erhielten sie 3 vs 6 Monate FOLFOX (alle 2 Wochen) mit oder ohne Celecoxib über 3 Jahre (400 mg oral täglich; n = 1.263) vs Placebo (n = 1.261).

Nach einer medianen Beobachtungszeit von 6 Jahren hatten 76,3% der Patienten unter Celecoxib mindestens 3 Jahre krankheitsfrei überlebt im Vergleich zu 73,4% der Placebo-Patienten (Hazard Ratio: 0,89, p = 0,12). Das 5-Jahres-Gesamtüberleben betrug 84,3% für Celecoxib gegenüber 81,6% für Placebo (HR: 0,86, p = 0,13).

Die Einnahme von Celecoxib war dabei mit einem signifikant erhöhten Risiko für Bluthochdruck und einer Erhöhung des Kreatininspiegels verbunden. Nebenwirkungen vom Grad 3 oder höher waren jedoch nicht signifikant häufiger.

Die Ergebnisse der Studie bestätigen damit Befunde früherer Beobachtungsstudien nicht, nach denen nichtsteroidale Antiphlogistika und ASS bei Patienten mit Darmkrebs das Risiko für Rezidive und Tod senken. Die Gründe hierfür sind unklar. Möglicherweise haben unselektive COX-Hemmer in diesem Setting günstigere Effekte.

Nierenzellkarzinom: Erstlinie mit Lenvatinib plus Pembrolizumab

Eine weitere Kombination hat sich in der Erstlinien-Therapie des Nierenzellkarzinoms als wirksamer als Sunitinib erwiesen: Lenvatinib plus Pembrolizumab verlängerte sowohl die Zeit ohne Progression (HR: 0,39) als auch die Überlebenszeit (HR: 0,66) stärker als Sunitinib.

Bei der Erstlinientherapie von Patienten mit fortgeschrittenen Nierenzellkarzinomen mit Tyrosinkinase-Inhibitoren kommt es häufig zur Resistenzentwicklung. Daher haben sich mittlerweile Kombinationen mit Immuncheckpoint-Inhibitoren (ICI) durchgesetzt.

Eine Arbeitsgruppe um Prof. Dr. Robert Motzer, Memorial Sloan Kettering Cancer Center, New York, hat nun im NEJM die Ergebnisse der Phase-3-Studie CLEAR publiziert, in der sie Lenvatinib in Kombination mit Pembrolizumab oder Everolimus im Vergleich zu Sunitinib bei 1.069 Patienten mit fortgeschrittenem Nierenzellkarzinom untersucht hatten.

Randomisiert waren 355 Patienten mit Lenvatinib plus Pembrolizumab, 357 Patienten mit Lenvatinib plus Everolimus und 357 Patienten mit Sunitinib behandelt worden.

Das progressionsfreie Überleben (PFS) war mit Lenvatinib plus Pembrolizumab länger als mit Sunitinib (Median 23,9 vs. 9,2 Monate; HR: 0,39; p < 0,001). Auch mit Lenvatinib plus Everolimus war das PFS länger als mit Sunitinib (Median 14,7 vs. 9,2 Monate; HR: 0,65; p < 0,001).

Mit Lenvatinib plus Pembrolizumab war zudem das Gesamtüberleben verlängert im Vergleich zu Sunitinib (HR: 0,66; p = 0,005). Lenvatinib plus Everolimus führte dagegen nicht zu einer längeren Überlebenszeit (HR: 1,15; p = 0,30).

Nebenwirkungen vom Grad 3 oder höher traten bei 82,4% der Patienten unter Lenvatinib plus Pembrolizumab auf, bei 83,1% der Patienten unter Lenvatinib plus Everolimus sowie bei 71,8% der Patienten unter Sunitinib.

Kleinzelliges Lungenkarzinom: Atezolizumab plus Carboplatin/Etoposid bestätigt Überlebensvorteil in der Erstlinie

Eine aktualisierte Analyse der IMpower133-Studie nach 22,9 Monaten Nachbeobachtungszeit, publiziert im J Clin Oncol. , ergab, dass die Zugabe von Atezolizumab zur Carboplatin/Etoposid die Überlebenszeit von Patienten mit kleinzelligem Bronchialkarzinom im Stadium IV signifikant um 2 Monate verlängerte im Vergleich zu Placebo plus Carboplatin/Etoposid.

Trotz einiger Einschränkungen war dies die erste Studie seit Jahrzehnten, die bei therapienaiven SCLC-Patienten im Stadium IV für einen Wirkstoff einen Überlebensvorteil ergab.

Auch die Zeit bis zur Progression verbesserte sich: von im Median 4,3 auf 5,2 Monate und die mediane Ansprechdauer nahm von 3,9 auf 4,2 Monate mit der Atezolizumab-Kombination zu. Allerdings war die objektive Ansprechrate mit der Atezolizumab-Kombination nicht höher. Der Nutzen von Atezolizumab war unabhängig vom PD-L1-Status und der Tumormutationslast.

Die Autoren sehen damit die Kombination mit Atezolizumab als neuen Erstlinien-Standard beim SCLC bestätigt. Atezolizumab war im September 2019 in Kombination mit Carboplatin/Etoposid von der EU-Kommission für die Erstlinientherapie des SCLC zugelassen worden.

Erfolge in der Krebstherapie, aber immer mehr kardiovaskuläre Folgen

„Mit Verbesserungen der Krebstherapie durch wissenschaftliche Fortschritte in der Onkologie und in der Folge einer erhöhten Anzahl von Langzeit-Überlebenden nach Krebs, sind Nebenwirkungen am Herz-Kreislaufsystem ein immer drängenderes Gesundheitsproblem“, konstatiert Prof. Dr. Tienush Rassaf, Universitätsklinikum Essen, in einem Pressestatement zur 87. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK).

Die Kardio-Onkologie war ein Schwerpunkt der diesjährigen DGK-Tagung. Die noch junge Disziplin will Mechanismen identifizieren, die durch Krebs und dessen Therapie zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen beitragen, und zudem Maßnahmen festlegen, wie man diese am besten diagnostiziert, therapiert oder ihnen vorbeugt.

Einige Fachgesellschaften, etwa die European Society of Cardiology (ESC) und die DGK haben onko-kardiologische Arbeitsgruppen eingerichtet. Zudem finden onko-kardiologische Register und Datenbanken immer mehr Verbreitung. Die umfangreichen Datensätze zu vielfältigen klinischen Konstellationen ermöglichen neue Erkenntnisse zur Entstehung, zu Charakteristika und zur Behandlung von kardiovaskulären Nebenwirkungen.

„Die onkologische Kardiologie wird sich einer steigenden Zahl von betroffenen Patienten stellen müssen“, so Rassaf. Denn nicht nur klassische Chemotherapeutika, wie die Anthrazykline wirken kardiotoxisch, auch neue Substanzen wie die Immuncheckpoint-Inhibitoren können zu schwerwiegenden kardiovaskulären Komplikationen führen.

 

Kommentar

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