Seltene, doch gefährliche Komplikation: Myokarditis durch Immuncheckpoint-Inhibitoren – das gilt es zu beachten

Dr. Susanne Heinzl

Interessenkonflikte

13. April 2021

Eine Myokarditis als Nebenwirkungen einer Behandlung mit Immuncheckpoint-Inhibitoren (ICI) ist eine schwere Komplikation. Die Prävalenz liegt bei etwa 1 bis 2%. Die Sterblichkeit der ICI-assoziierten Myokarditis ist mit 43 bis 46% hoch. Die Häufigkeit dieser Nebenwirkungen wird vermutlich unterschätzt, zumal die Diagnose schwierig ist.

Aufgrund des zunehmend breiteren Einsatzes der ICI ist nach Aussage von PD Dr. Lorenz H. Lehmann, Sektion Kardioonkologie, Universitätsklinikum Heidelberg, bei der virtuellen Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie ein besseres Verständnis der prädisponierenden Faktoren und eine sichere Diagnostik dieser Nebenwirkung wünschenswert.

Durch ICI aktivierte T-Zellen greifen auch Organe an

ICI werden in der Onkologie aufgrund ihrer teilweise sehr guten Therapieerfolge immer breiter eingesetzt. Sie führen zu einer Aktivierung des körpereigenen Immunsystems, das dann Krebszellen angreift.

Aber inflammatorische und autoimmune Antworten des Organismus zeigen sich nicht nur an der Krebszelle, sondern auch an anderen Organsystemen, so am Herzen z.B. in Form einer Myokarditis.

Die Myokarditis wird vermutlich durch die aktivierten T-Zellen direkt ausgelöst. Hinzu kommen indirekte, über Antikörper vermittelte Effekte. Beide Mechanismen führen zum Untergang von Kardiomyozyten.

„Diese Komplikation einer ICI-Therapie ist sehr schwer wiegend“, so Lehmann. Die Rate an plötzlichem Herztod, höhergradigen Rhythmusstörungen oder starker Einschränkung der Pumpfunktion liege bei etwa 50%.

Schwierig zu erkennen

Die klinischen Symptome sind oft nicht stark ausgeprägt, beispielsweise können Dyspnoe oder Angina-pectoris-ähnliche Symptome auftreten. Im EKG sind unspezifische T-Negativierungen, Tachykardie, manchmal Blockbilder und höhergradige Rhythmusstörungen zu sehen. Treten EKG-Veränderungen unter ICI-Therapie auf, muss eine weiterführende Diagnostik initiiert werden.

Kardiale Biomarker wie Troponin sind häufig erhöht. In der Histologie zeigt sich eine typische Infiltration mit CD3- und CD8-positiven Zellen.

Lehmann wies darauf hin, dass „Tools, auf die wir uns sonst verlassen, nämlich Echo und MRT, hier schlecht funktionieren“. Nur etwa die Hälfte der Patienten zeige dabei Auffälligkeiten.

Die ICI-assoziierte Myokarditis muss aufgrund von Symptomen und einer Reihe von diagnostischen Parametern diagnostiziert werden.

Studien zur Häufigkeit

Lehmann stellte 3 Studien vor, in denen die Häufigkeit der ICI-assoziierten Myokarditis untersucht worden ist.

In einer 2018 publizierten retrospektiven Pharmakovigilanz-Studie in Lancet Oncology wurde anhand des WHO-Register Vigibase untersucht, wie häufig immunbedingte kardiovaskuläre Nebenwirkungen unter ICI-Therapie auftreten. Die Studie lieferte, so Lehmann, die ersten klaren Hinweise, dass inflammatorische Reaktionen an Herz und Gefäßsystem, also Myokarditis, Vaskulitis und Perikarditis bei Behandlung mit ICI vermehrt auftreten.

Im European Heart Journal sind im Dezember 2020 Ergebnisse einer Analyse aus dem nationalen dänischen Register publiziert worden. Untersucht wurde die Häufigkeit kardialer Ereignisse bei Patienten mit Lungenkrebs oder malignem Melanom, die mit ICI behandelt worden waren.

Das absolute Risiko für ein kardiales Ereignis stieg bei Patienten mit Lungenkarzinom durch die ICI-Behandlung absolut um 1,8%, für Arrhythmien um 9 bis 14%. Nach Ansicht von Lehmann könnten aufgrund der schwierigen Diagnose hinter den Arrhythmien auch Patienten mit Myokarditiden stecken.

In einem systematischen Review mit Metaanalyse, die aktuell im European Journal of Cancer publiziert worden ist, ergab die Analyse von onkologischen klinischen Studien mit ICI, dass der Einsatz der ICI allein oder in Kombination nicht mit einem erhöhten kardiotoxischen Risiko assoziiert ist.

Diese wichtige Studie zeige damit, so der Heidelberger Kardioonkologe, wie schwierig die Datenanalyse sei.

In den klinischen onkologischen Studien seien Patienten mit kardiovaskulärem Risiko häufig ausgeschlossen. Außerdem seien diese klinischen Studien weder darauf ausgelegt noch ausreichend gepowert, diese seltenen Ereignisse zu erfassen, und die Patienten würden auch nicht aktiv auf solche Ereignisse gescreent.

Lehmann berichtete von seinen Erfahrungen in Heidelberg: Im Jahr 2020 wurden insgesamt 23 Patienten mit der Hauptdiagnose und 14 Patienten mit der Nebendiagnose Myokarditis behandelt. Bei rund 20 dieser 37 Patienten war die Myokarditis ICI-assoziiert. „Man sieht, dass diese Nebenwirkung zwar selten auftritt, aber bei uns Kardiologen akkumulieren kann.“

 
Man sieht, dass diese Nebenwirkung zwar selten auftritt, aber bei uns Kardiologen akkumulieren kann. PD Dr. Lorenz H. Lehmann
 

Langfristige Therapiestrategie erforderlich

Die Myokarditis tritt meist in den ersten 3 Monaten einer ICI-Behandlung auf. Für die Behandlung muss bedacht werden, dass die Halbwertszeit der meisten ICI lang ist, sie liegt z.B. bei Nivolumab bei 25 Tagen, bei Pembrolizumab bei 23 Tagen.

Jeder Patient muss deshalb initial mit einem Steroid behandelt werden. Im weiteren Verlauf können dann zusätzlich Immunsuppressiva eingesetzt werden.

Lehmann verwies auf die aktuellen Empfehlungen der DGK zur „Onkologischen Kardiologie“, in der sich ein Abschnitt ausführlich mit der ICI-assoziierten Myokarditis befasst.

 

Kommentar

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