Patienten, die an Herzinsuffizienz mit reduzierter Auswurfleistung (HFrEF) und an Typ-2-Diabetes zugleich leiden, benötigen eine speziell angepasste Medikation. Darin waren sich die Experten bei einem Symposium im Rahmen des virtuellen DGK-Kongresses einig [1].
„Wenn bei einem kardiologischen Patienten erstmals eine Diabetes-Diagnose gestellt wurde, ist es gut, einen Diabetologen einzuschalten, damit auch gezielt nach weiteren Folgeerkrankungen geschaut wird“, erklärte Prof. Dr. Baptist Gallwitz vom Universitätsklinikum Tübingen. Die medikamentöse Therapie per se könne aber langfristig der Kardiologe mit übernehmen.

Prof. Dr. Baptist Gallwitz
Gallwitz sprach sich für eine Präzisionsmedizin auch beim Diabetes aus und nannte ein Beispiel: „Ich denke, dass die Patienten natürlich eine der neuen antidiabetischen Substanzen brauchen: bei Herzinsuffizienz eher einen SGLT2-Inhibitor, bei PAVK und strukturellen Gefäßveränderungen sind auch GLP1-Rezeptoragonisten sehr gut.“
Diabetes-Therapien und ihre Effekte auf das Herz
„Patienten mit Diabetes haben nicht nur deutlich häufiger als andere eine Herzinsuffizienz, sondern auch in früherem Lebensalter, und die Herzinsuffizienz verschlechtert ihre Prognose“, konstatierte PD Dr. Katharina Schütt von der Uniklink der RWTH Aachen. Sie zitierte zum Beleg sowohl ältere als auch neuere klinische Studien.

PD Dr. Katharina Schütt
Anhand der Kasuistik eines 63-jährigen Patienten erläuterte Schütt, wie man die Medikation für HFrEF und Typ-2-Diabetes als Komorbidität optimieren kann. Zwar finde sich – etwa in einer Metaanalyse von 2009 – keine Evidenz dafür, dass eine gute Glukosekontrolle per se zu einem milderen Verlauf der Herzinsuffizienz beitragen könnte, so die Expertin. Die Ergebnisse etlicher kardiovaskulärer Endpunktstudien legten jedoch nahe, dass Antidiabetika das kardiovaskuläre Geschehen durch andere Mechanismen sehr wohl beeinflussen könnten, zum Vorteil wie auch zum Nachteil.
Antidiabetika mit ungünstigen kardiovaskulären Effekten
In dem Zusammenhang verwies Schütt auf die Häufung Herzinsuffizienz-bedingter Hospitalisierungen beim DPP4-Inhibitor Saxagliptin; diesen sollte man bei HFrEF-Patienten mit Diabetes absetzen bzw. durch ein anderes Medikament ersetzen. Für andere DPP4-Hemmer gelte dies jedoch nicht, und auch nicht für andere Antidiabetika – mit Ausnahme der „Glitazone“ (Thiazolidindione), so Schütt: „Alle anderen Blutzucker senkenden Substanzen waren für Hospitalisierungen aufgrund von Herzinsuffizienz neutral.“
Antidiabetika mit kardiovaskulärem Nutzen
Umgekehrt könne man Patienten durch die Auswahl der Antidiabetika auch „etwas Gutes tun“, betonte Schütt. Sie verwies auf die Outcomestudien für Empagliflozin und das in Deutschland derzeit nicht verfügbare Canagliflozin. Beide SGLT2-Hemmer konnten das Risiko sowohl für schwere kardiovaskulärer Ereignisse (MACE) als auch für Hospitalisierungen wegen Herzinsuffizienz (HF) deutlich reduzieren.
Dapagliflozin war hinsichtlich HF-Hospitalisierungen ebenfalls günstig und hinsichtlich MACE neutral. Es erwies sich in einer großen Studie bei HFrEF-Patienten mit oder ohne Diabetes kardiovaskulär vorteilhaft und ist seit November 2020 zur Therapie einer symptomatischen Herzinsuffizienz bei Diabetikern oder Nichtdiabetikern zugelassen.
Schütt vermutete, dass am ehesten hämodynamische oder kardiometabolische Nebeneffekte der SGLT2-Hemmer die Herzinsuffizienz (ganz unabhängig vom eigentlichen Effekt über die Niere – und sogar bei schlechter Nierenfunktion) günstig beeinflussen würden.
Grenzen und Kontraindikationen beachten
Der von Schütt präsentierte Patient hatte tatsächlich eine eingeschränkte Nierenfunktion. Seine geschätzte glomeruläre Filtrationsleistung (eGFR) lag bei 45 ml/min. Der Wert ist grenzwertig: SGLT2-Inhibitoren in der laufenden Diabetestherapie sollten bei so schlechter Nierenfunktion abgesetzt werden.
Der Patient sollte den SGLT2-Hemmer jedoch nicht nur wegen seines Typ-2-Diabetes, sondern auch wegen seiner Herzinsuffizienz bekommen. „Zur Behandlung der Herzinsuffizienz können wir Dapagliflozin bis zu einer unteren Grenze von 30 ml/min einsetzen“, so Schütt. Dies gelte auch, wenn „Dapa“ einem Patienten mit beiden Grunderkrankungen verordnet werde.
Allerdings sollte bei HFrEF/Typ-2-Diabetes-Patienten mit einer eGFR, die dauerhaft unter 45 ml/min liegt, zu einem SGLT2-Hemmer immer noch ein weiteres Glukose senkendes Medikament hinzugenommen werden. Es sollte nach den Empfehlungen der aktuellen ADA/EASD-Leitlinie ebenfalls einen nachgewiesenen kardiovaskulären Nutzen haben.
Laut Schütt bieten sich etwa die GLP1-Rezeptoragonisten Liraglutid, injizierbares Semaglutid, Albiglutid und Dulaglutid an: Sie haben zwar „nur“ einen neutralen Effekt hinsichtlich der Herzinsuffizienz, reduzieren dabei aber das Risiko für schwere (ischämische) kardiovaskuläre Ereignisse, kurz MACE. Auch ein oraler GLP-Rezeptoragonist werde voraussichtlich bald zur Verfügung stehen, berichtet die Referentin.
Blutdrucksenkung durch SGLT2-Hemmer
Zu beachten ist bei vorbehandelten HFrEF-Patienten der Blutdruck: Eine symptomatische Hypotonie soll vermieden werden. „Dapagliflozin senkt den Blutdruck bei Ausgangswerten von zirka 130 mmHg um etwa 5 bis 8 mmHg“, erklärte Schütt. „Wenn der Blutdruck aber vorher schon bei etwa 110 mmHg liegt, bewirkt die Substanz keine weitere Blutdruckreduktion“, erklärte sie mit Hinweis auf eine aktuelle Studie. „Für unseren hier vorgestellten Patienten käme sie also sicherlich in Frage.“
Medscape © 2021
Diesen Artikel so zitieren: Herzinsuffizienz und Typ-2-Diabetes: Von welchen Medikamenten Ihre Patienten am meisten profitieren - Medscape - 12. Apr 2021.
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