Diskussion
Das klinische Erscheinungsbild des Jungen war von Allgemeinsymptomen wie Müdigkeit, Abgeschlagenheit, Erbrechen, Bauchschmerzen und Gewichtsverlust geprägt. Hinweise auf Symptome wie einen makulopapulösen Ausschlag, Erythema nodosum, Arthritis, chronische Lymphozytopenie, Hepatomegalie, Splenomegalie, Lymphadenopathie oder Uveitis fehlten. Ebensowenig litt er unter Husten oder unter einer Belastungsdyspnoe. Das Erbrechen und die Polyurie konnten der Hyperkalzämie zugeschrieben werden.
Die Auswertung der Nierenbiopsie brachte eine akute tubulointerstitielle Nephritis in Verbindung mit tubulären Kalziumablagerungen jedoch ohne glomeruläre Anomalien ans Licht. Darüber hinaus zeigte der Röntgenthorax eine kombinierte hiläre Lymphadenopathie sowie retikulonoduläre interstitielle Infiltrate in der oberen Lungenzone (s. Abb. 2).
Abb. 2
Der Röntgenthoraxbefund passt zusammen mit der Hyperkalzämie, dem Ausschlag und den Ergebnissen der Nierenbiopsie zu der Diagnose einer Sarkoidose im Stadium 2.
Eine Hyperkalzämie in Kombination mit einer Hyperkalziurie und einer Nephrokalzinose ist im Kindesalter selten, kann jedoch viele Ursachen haben [1]. Die häufigste Ursache ist iatrogen, gefolgt von der idiopathischen infantilen Hyperkalzämie in ihrer leichten oder schweren Form (Williams-Syndrom).
Eine Vitamin-D-Intoxikation ist eine seltene Ursache einer klinisch manifesten Hyperkalzämie. Sie ist mit einer erheblichen Morbidität verbunden. Sie kann durch endogene Synthese von 1,25-Dihydroxyvitamin D aus subkutanen Fettnekrosen und bei granulomatösen Erkrankungen oder durch eine übermäßige exogene Vitamin-D-Zufuhr verursacht werden.
Eine Hyperkalzämie kann auch aus einem primären Hyperparathyreoidismus oder aus erhöhten Spiegeln des Parathormon-verwandten Peptids (Parathyroid Hormone-related Protein, PTHrP) als paraneoplastisches Syndrom resultieren.
Weitere Ursachen einer Hyperkalzämie sind die metaphysäre Chondrodysplasie Typ Jansen, die Hypophosphatämie, eine Vitamin-A-Intoxikation oder das Blue-Diaper-Syndrom.
Schließlich kann sie auch in Verbindung mit der Einnahme bestimmter Medikamente wie vor allem Hydrochlorothiazid und anderen Thiaziddiuretika auftreten [1,2].
Ein normaler Parathormon-(PTH)-Spiegel zum Zeitpunkt der Hyperkalzämie grenzt die Differenzialdiagnosen entscheidend ein. Ist der PTH-Spiegel erhöht, muss intensiv nach den Ursachen des Hyperparathyreoidismus gesucht werden, und eventuell ist ein dringender chirurgischer Eingriff erforderlich.
Wenn der PTH-Spiegel niedrig ist (wie bei diesem Patienten), können – wenn entsprechende Testmöglichkeiten zur Verfügung stehen – die Werte der kalziotropen Hormone bestimmt werden. Fällt hier ein abnormaler Wert auf, kann eine spezifische Ursache den Pathomechanismus der Hyperkalzämie aufklären und eine optimale Therapie ermöglichen.
Krankheitsbild Sarkoidose
Die Sarkoidose ist eine Multisystemerkrankung, die sich durch eine verstärkte zelluläre Immunreaktion auf ein unbekanntes Antigen und die Bildung von nicht verkäsenden Granulomen in den betroffenen Geweben auszeichnet. Obwohl die Lunge und die Lymphknoten die vorherrschenden Manifestationsorte der Sarkoidose sind (75 bis 90%), können auch andere Organe wie die Augen, das Knochenmark, die Nieren, die Leber und die Milz betroffen sein [2,3].
Eine extrapulmonale Sarkoidose mit renalem Befall ist selten. Meistens liegt dann eine Nephrokalzinose oder Nephrolithiasis vor (3,6%). Ein Nierenversagen ist eine extrem seltene Manifestation [4,5].
Eine Hyperkalzämie ist bei einer Sarkoidose eher ungewöhnlich und kommt bei etwa 10% der Fälle vor [2,3]. In der Regel geht sie auf die autonome Produktion von 1,25-Dihydroxyvitamin D (Calcitriol) durch Makrophagen innerhalb des Granuloms zurück. Die Makrophagen können das in der Leber produzierte 25-Hydroxyvitamin D in Calcitriol mithilfe des Enzyms 1-Alpha-Hydroxylase umwandeln. Calcitriol wandert dann zu den Darmzellen und fördert die luminale Resorption von Kalzium und Phosphat in den Kreislauf. Die Hyperkalzämie wird dann von einer Hyperkalziurie und schließlich wie im vorliegenden Fall von einer Nephrokalzinose begleitet. Sie kann dann auch sowohl durch Dehydrierung als auch durch Induktion einer renalen Vasokonstriktion, welche die glomeruläre Filtrationsrate reduziert, zum Nierenversagen führen.
Zur Behandlung einer Hyperkalzämie im Zusammenhang mit einer Sarkoidose können systemische Kortikosteroide eingesetzt werden, da sie die Calcitriol-Produktion in den Makrophagen hemmen [1,3,4].
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Diesen Artikel so zitieren: Fall: Kränklicher, müder Teenager mit Magenschmerzen und Erbrechen – was hat dieser schmächtige 13-Jährige? - Medscape - 12. Apr 2021.
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