Fast jeder dritte Patient mit chronisch-entzündlicher Darmerkrankung (CED) hat Symptome einer Angststörung und 25% der CED-Patienten haben Depressionen. Das geht aus einer im Lancet veröffentlichten großen Metaanalyse hervor. Die gefundene Prävalenz psychischer Störungen ist höher als erwartet.
Biologische Zusammenhänge zwischen CED und Befinden?
CED bestehen meist lebenslang und betreffen häufig auch jüngere Menschen. Eine reduzierte Lebensqualität und Einschränkungen im Sozialleben können indirekte Folgen sein. Darüber hinaus vermuten Forscher über die Darm-Hirn-Achse auch direkte biologische Zusammenhänge zwischen CED und der Befindlichkeit der Patienten. Ziel einer umfangreichen Metaanalyse war es, diese zu quantifizieren.
Die Forscher um Dr. Brigida Barberio, Universität von Padua, Italien, führten dazu einen systematischen Review wissenschaftlicher Publikationen mit Metaanalyse durch. Sie wählten dafür Studien (bis September 2020) mit jeweils mindestens 100 CED-Patienten aus, bei denen Symptome von Depression und Angst mit validierten Methoden erhoben worden waren.
Symptome bei jedem dritten bis vierten
77 international publizierte Studien mit insgesamt 30.118 Patienten erfüllten die Auswahlkriterien. Die gepoolte Prävalenz für Angstsymptome betrug 32,1% (95%-Konfidenzintervall: 28,3–36,0) und für Depressivität 25,2% (95%-KI: 22,0–28,5).
Patienten mit Morbus Crohn hatten in Studien, die auch Colitis ulcerosa erfassten, ein um 20% erhöhtes Risiko für Angst oder Depressionen (Odds Ratio bei beiden psychischen Störungen jeweils 1,2).
Frauen mit CED zeigten häufiger Symptome der Angst als Männer (33,8% vs 22,8%; OR: 1,7). Auch Symptome der Depressivität waren bei weiblichen Patienten häufiger (21,2% vs 16,2%).
Bei aktiver Erkrankung wurde deutlich häufiger eine psychische Symptomatik diagnostiziert als bei inaktiver Erkrankung (Angst: 57,6% vs 38,1%; Depression: 38,9% vs 24,2%)
Screening auf Ängste und Depressionen sinnvoll
Jeder dritte bis vierte Patient mit CED leidet an Angst- und/oder Depressivitätssymptomen. Dies ist nach Angaben der Studienautoren weit mehr, als bislang durch Daten gesichert. Zwar würden in den meisten internationalen Leitlinien diese Zusammenhänge thematisiert und Kooperationen mit Psychotherapeuten und Psychosomatikern empfohlen. Ein generelles Screening auf psychische Störungen aber werde im Allgemeinen nicht empfohlen.
Dies sei jedoch vor dem Hintergrund der weiten Verbreitung von Angst und Depression in dieser Patientenpopulation sinnvoll, um die Lebensqualität zu verbessern und psychosomatisch bedingten Krankheitsaktivitäten oder -komplikationen unter CED-Therapie vorzubeugen. Auch für Allgemeinmediziner mit psychosomatischer Grundversorgung könne dies praktisch relevant sein.
Dieser Artikel ist im Original erschienen auf Univadis.de.
Medscape Nachrichten © 2021
Diesen Artikel so zitieren: Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen: Die Psyche leidet weit stärker als erwartet - Medscape - 9. Apr 2021.
Kommentar