Mögliche kardiotoxische Wirkungen einer onkologischen Therapie früh zu erkennen und zu behandeln ist von entscheidender Bedeutung. In der Behandlung der kardialen Dysfunktion sollten dabei alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden – auch um die Krebsbehandlung fortsetzen zu können. Dies betonte Dr. Dominik Berliner, Klinik für Kardiologie und Angiologie der Medizinischen Hochschule Hannover, bei der virtuellen Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK) [1].
Wird eine subklinische kardiotoxische Wirkung festgestellt, sollte die prophylaktische Gabe von ACE-Hemmer und/oder Betablocker in Erwägung gezogen werden. Eine symptomatische bzw. asymptomatische Herzinsuffizienz sollte nach den aktuellen Leitlinien behandelt werden.
Kardiotoxizität verschlechtere Prognose der Krebserkrankung
Berliner wies darauf hin, dass zwar zum einen Fortschritte in der Krebstherapie in den letzten Jahren die Überlebenschancen der Patienten deutlich gebessert haben, dass andererseits aber der klinische Nutzen der Tumortherapien häufig durch kardiovaskuläre Nebenwirkungen eingeschränkt wird.
Denn viele onkologische Therapieansätze haben – direkt oder indirekt, akut oder verzögert sowie prognostisch relevant, aber mit häufig noch nicht ganz verstandenen Mechanismen – Wirkungen auf das kardiovaskuläre System.
Für den Begriff Kardiotoxizität gibt es 2 Definitionen, und zwar im Sinne eines allgemeinen Begriffs für kardiovaskuläre Nebenwirkungen sowie als Beschreibung für eine Schädigung bzw. Abnahme der linksventrikulären Funktion. Bei rund einem Drittel der onkologischen Patienten kommt es zu einer Beeinträchtigung der kardialen Funktion. Etwa 3% erleiden schwere kardiotoxische Wirkungen mit einer deutlichen Verschlechterung der Prognose.
Zahlreiche Onkologika können die Herzfunktion beeinträchtigen. Besonders häufig sind kardiotoxische Wirkungen im Zusammenhang mit einer Anthrazyklin-Therapie.
Zahlreiche Risikofaktoren
Ein wichtiger Punkt ist es zunächst zu klären, bei welchen Patienten ein erhöhtes Risiko für kardiotoxische Wirkungen besteht, und wie diese frühzeitig erkannt werden können und mit welchen Strategien das Risiko vor oder während der Therapie minimiert werden kann.
Es gibt zahlreiche Faktoren, die das Risiko für kardiotoxische Wirkungen einer Therapie erhöhen. Dazu gehören: ein höheres Lebensalter, Rauchen, hoher Alkoholkonsum, inaktiver Lebensstil, zahlreiche Komorbiditäten (z.B. Diabetes, Fettstoffwechselstörungen, Hypertonie, Nierenfunktionsstörungen, Übergewicht oder Lungenerkrankungen).
Therapiebedingte Risikofaktoren sind z.B. eine frühere Anthrazyklin-Therapie oder Bestrahlung. Auch eine bestehende kardiovaskuläre Erkrankung sowie die Lokalisation der Krebserkrankung (vor allem Pankreas, Hirn, Magen, Nieren, Lunge, Lymphome oder Myelome) können das kardiotoxische Risiko erhöhen.
In einem Positionspapier haben Experten der kardioonkologischen Studiengruppe der ESC in Zusammenarbeit mit der internationalen kardioonkologischen Gesellschaft Risikofaktoren für die verschiedenen Krebstherapien erarbeitet und tabellarisch zusammengestellt.
Auch neue Therapien haben kardiotoxische Effekte und führen zu kardialer Dysfunktion, diese scheinen aber nach bisherigen Erkenntnissen eher reversibel zu sein.
Diagnostische Möglichkeiten
Prinzipiell gilt ein Abfall der Auswurffraktion um mehr als 10% als kardiotoxischer Effekt, wenngleich die Definition in den verschiedenen Leitlinien etwas unterschiedlich ist.
Die Bildgebung bezeichnete Berliner als diagnostischen Standard, wobei er vor allem die 3D-Echokardiographie als sehr hilfreich bezeichnete.
Der globale longitudinale Strain (GLS) ist ein neuerer, sehr hilfreicher Parameter. Er liefert schon frühzeitig Hinweise auf kardiotoxische Effekte einer Therapie – „das kann entscheidend sein“, so Berliner.
Unter den Biomarkern ist der Anstieg von Troponin ein Prädiktor für eine Dysfunktion des linken Ventrikels unter einer Chemotherapie, vor allem mit Anthrazyklinen. Zu den natriuretischen Peptiden BNP und NT-proBNP gibt es noch keine einheitlichen Daten, ihr Stellenwert ist derzeit noch unklar. Bislang gibt es auch noch keine einheitlichen Aussagen, zu welchem Zeitpunkt welcher Biomarker bestimmt werden sollte.
Therapie bei Abfall der Auswurffraktion
Fällt die linksventrikuläre Ejektionsfraktion, müssen die Patienten leitliniengerecht behandelt werden. In Herzinsuffizienz-Studien sind allerdings in der Regel wenig Patienten mit Onkologika-bedingter Erkrankung eingeschlossen.
Bei Patienten mit hohem Risiko, aber nur leichtem Anstieg der Biomarker, können präventive Therapieansätze z.B. mit ACE-Hemmer oder Betablocker überlegt werden.
Berliner wies darauf hin, dass die Therapie möglichst früh bei Verdacht auf Kardiotoxizität begonnen werden sollte. Bei zu spätem Beginn spricht der Patient eventuell auf die Behandlung nicht mehr an.
Für eine erfolgreiche Therapie ist eine enge Zusammenarbeit von Kardiologen und Onkologen erforderlich. Der Onkologe muss gefährdete Patienten frühzeitig erkennen und sie an den Kardiologen überweisen.
Medscape Nachrichten © 2021 WebMD, LLC
Diesen Artikel so zitieren: Jeder 3. Krebspatient hat Einschränkungen der kardialen Funktion: So können Sie Schadensbegrenzung erreichen - Medscape - 9. Apr 2021.
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