Die elektronische Patientenakte hat offenbar wenig wahre Fans – warum?

Christian Beneker

Interessenkonflikte

31. März 2021

Auf dem Talk der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM) zur elektronischen Patientenakte (ePA) erklärten die Vertreter der gematik, was die neue Patientenakte kann und soll. Vertreter der Ärzteschaft und Teilnehmer, die sich zu der Online-Veranstaltung zugeschaltet hatten, hingegen blieben skeptisch. Sahen sie doch ganz praktische Probleme.

Auf die Frage, welche Erfahrungen sie bisher mit der Telematik-Infrastruktur (TI) gemacht haben, erklärte fast die Hälfte bei der Online-Befragung im Zuge der Diskussion, dass ihre Praxis zwar angeschlossen sei an die TI, aber nur der Stammdatenabgleich laufe. 38% waren noch gar nicht an die TI angeschlossen. Und nur 3% verfügten über erste Erfahrungen mit der ePA. Ihnen dürfte der Titel der Veranstaltung „Was bringt die Einführung der elektronischen Patientenakte ePA für Klinik und Praxis?“ aus dem Herzen gesprochen haben.

Seit Beginn des Jahres können mehr als 73 Millionen gesetzlich Versicherte die elektronische Patientenakte (ePA) bei ihrer Krankenkasse beantragen. Richtig starten werde die ePa aber erst im Sommer, wenn die neue digitale Anwendung beworben wird, kündigte Lars Gottwald an, Leiter der Business Teams der gematik GmbH, Berlin.

Flächendeckende Vernetzung

Dr. Markus Leyck Dieken, Vorsitzender der gematik, betonte, die Digitalisierung sei unverzichtbar. Die wissenschaftlichen Erkenntnisse wüchsen exponentiell. Der damit heraufziehenden Datenflut sei nur digital beizukommen. „Wir sehen natürlich auch die demographische Last“, sagte Leyck Dieken. Sie fordere mehr Effizienz und Kostensenkung – auch hier sei die Digitalisierung gefordert. Schließlich sei die Medizin in Deutschland immer noch eine sehr „papierlastige Fakultät“, wie Leyck Dieken sagte, was letztlich nur über die Digitalisierung geändert werden könne. Kurz: An der ePA gehe kein Weg vorbei

Seit dem 1. Januar 2020 läuft die Phase eins, die Testphase der Einführung. Ab Januar 2022, also ab Phase 2, der Rollout-Phase, werden auch die PKV-Versicherten eine ePA beantragen können. Zugleich werden die Versicherten bei den 102 Krankenkassen der GKV genauer festlegen können, wem sie welche Daten zugänglich machen. Phase 3 ab dem 1. Januar 2023 umfasst z.B. die Integration von digitalen Gesundheitsleistungen oder des E-Rezeptes. Auch die Datenfreigabe zu Forschungszwecken soll ab Januar 2023 möglich werden. Die gematik spricht von flächendeckender Vernetzung.

Mehr Informationen für Ärzte

Die Akte soll die Dokumentation erleichtern, Befunde und Untersuchungsergebnisse jederzeit verfügbar machen und Ärzten die Krankheitsgeschichte ihrer Patienten auf einen Blick darstellen. „Wenn wir genau wissen, welche Untersuchungen der überweisende Arzt bereits durchgeführt hat und die Ergebnisse einsehen können, kann die die elektronische Patientenakte dazu beitragen, unnötige Mehrfachbehandlungen zu vermeiden“, sagt Prof. Dr. Sebastian Schellong, Vorsitzender der DGIM und Chefarzt der zweiten Medizinischen Klinik am Städtischen Klinikum Dresden.

Die Akte werde auch im Krankenhaus ihren Nutzen entfalten. Zum Beispiel dann, wenn sich die Ärzte schon 15 Minuten vor der Untersuchung eines Notfallpatienten anhand der Akte ein Bild machen können, etwa über Vorerkrankungen des Patienten. Mehr noch: In der ePA können Ärzte, Zahnärzte, Psychotherapeuten oder Apotheker zukünftig Daten zu Untersuchungen und Behandlungen digital speichern und abrufen. Im Sommer würden die Verbreitung und die Werbung der Akte richtig losgehen, und die Bürger werden die ePA herunterladen, hieß es.

„Wenn Patienten erstmals oder mit einer Überweisung zu uns in die Klinik oder in eine neue Arztpraxis kommen, hatten die Kolleginnen und Kollegen bislang nur einen sehr beschränkten Einblick in ihre Krankengeschichte“, sagt Schellong. Hier könne die ePA sinnvoll Abhilfe schaffen.

„ePA müsste praktisch und intuitiv zu handhaben sein“

Dr. Marcel Schorrlepp, Sprecher der DGIM-Arbeitsgruppe hausärztliche Internisten, goss indessen Wasser in den Wein der schönen, neuen ePA-Welt. „Die ePA-Software wirkt auf mich, wie ein neues PVS-System, das wir präsentiert bekommen. Unsere Sorge ist, dass der Zeitaufwand zu groß wird und die ganze Anwendung zu unkomfortabel“, sagte Schorrlepp. „Warum brauchen wir für die ePA einen eignen Konnektor? Die ePA müsste eigentlich praktisch und intuitiv zu handhaben sein.“ Ob und wie die Handhabung im Regelbetrieb funktioniere, lasse sich noch gar nicht beurteilen, auch weil bislang kaum Nachfrage auf Seiten der Patienten bestehe, so der Mainzer Hausarzt.

 
Warum brauchen wir für die ePA einen eignen Konnektor? Die ePA müsste eigentlich praktisch und intuitiv zu handhaben sein. Dr. Marcel Schorrlepp
 

Kein Wunder, dass auch viele der online zugeschalteten Zuhörer der Veranstaltung, die ePA auch kritisch sahen. Einen besseren Informationsaustausch und eine bessere Übersicht über die Patientenanamnese versprachen sich nur jeweils 35% und nur 21% erwarteten, dass sich durch die ePA die Zahl der Doppeluntersuchungen verringert. Auch die Chancen für die Patienten schätzten die Zuhörer denkbar gering ein.

Nur 3% der abstimmenden Ärzte erwartete eine höhere Patientensouveränität durch die Akte. Dagegen fürchten 41% einen höheren Zeitaufwand durch die zusätzliche Dokumentation oder durch technische Probleme oder beim Suchen und Lesen von Dokumenten (17%). Bei 65% des Online-Publikums der Veranstaltung blieben denn auch „viele Fragen offen“.

 

Kommentar

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