Bei Patienten mit valvulärem Vorhofflimmern war die Behandlung mit direkten oralen Antikoagulanzien (DOAK) im Vergleich zum Vitamin-K-Antagonisten Warfarin in einer großen Kohortenstudie mit einem geringeren Risiko für ischämische Schlaganfälle oder systemische Embolien (Hazard Ratio 0,64) beziehungsweise für schwere Blutungen (HR 0,67) assoziiert. Das berichten Dr. Ghadeer K. Dawwas von der University of Pennsylvania, Philadelphia, und ihre Kollegen in den Annals of Internal Medicine [1].
„Die Analyse zeigt ziemlich eindeutig, dass es ohne Probleme möglich ist, DOAK bei Vorhofflimmern in Begleitung von Klappenerkrankungen einzusetzen“, sagt Prof. Dr. Thomas Meinertz zu Medscape. Er war bis zu seiner Emeritierung Ärztlicher Direktor des Universitären Herzzentrums Hamburg am UKE und ist Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat der Deutschen Herzstiftung.

Prof. Dr. Thomas Meinertz
Als Limitation erwähnt er, dass es sich um keine prospektive, randomisierte Studie handele. „Mit dem Design sind Schwächen verbunden; dies kennt man“, so Meinertz. „Man kann sich aber ziemlich sicher sein, dass bei der großen Anzahl der eingeschlossenen Patienten Imbalancen zwischen den Gruppen ausgeglichen worden sind.“
Was wird sich in der Praxis durch die Studie ändern? „Wenn bis dato ein Patient mit Vorhofflimmern aufgrund einer Klappenerkrankung zu uns kam, haben wir ihn mit Antikoagulanzien vom Cumarin-Typ behandelt“, berichtet Meinertz. In diesem Fall seien DOAK sogar verboten gewesen; nur bei Patienten mit Vorhofflimmern und Klappenerkrankung als separate Entitäten ohne Kausalzusammenhang sei dies bislang möglich gewesen. „Nach den Daten dieser Studie kann man diese Patienten generell mit DOAK therapieren“, resümiert der Experte.
Offene Fragen zur Therapie
Zum Hintergrund: Vorhofflimmern ist die häufigste Herzrhythmusstörung mit rund 1,8 Millionen Patienten allein in Deutschland. Schätzungen zufolge verdoppelt sich die Zahl an Patienten bis zum Jahr 2050. Ärzte verordnen Cumarin-Derivate zur Prävention von Schlaganfällen. Doch die Pharmaka haben bekannte Nachteile wie ein enges therapeutisches Fenster, Dosis-Wirkungs-Variabilitäten sowie Wechselwirkungen mit zahlreichen Medikamenten und Lebensmitteln.
Bei Patienten mit nicht-valvulärem Vorhofflimmern haben randomisierte klinische Studien gezeigt, dass DOAK eine ähnliche oder bessere antithrombotische Wirkung als z.B. Warfarin zeigen und das Blutungsrisiko senken. DOAK haben eine relativ kurze Halbwertszeit und sind einfacher dosierbar. Engmaschige Laborkontrollen entfallen. Außerdem ist das Risiko möglicher Wechselwirkungen geringer. Diese Vorteile haben zu einer schnellen Akzeptanz der Wirkstoffklasse bei Patienten mit nicht-valvulärem Vorhofflimmern geführt – inklusive der Aufnahme in Leitlinien als Erstlinien-Therapie.
Als Problem bleibt, dass Herzklappenerkrankungen und Vorhofflimmern oft gemeinsam auftreten. Bei Patienten mit valvulärem Vorhofflimmern gab es bislang kaum Daten zur Wirksamkeit und Sicherheit von DOAK.
Bekannte Studien wie ROCKET AF (Rivaroxaban Once Daily Oral Direct Factor Xa Inhibition Compared with Vitamin K Antagonism for Prevention of Stroke and Embolism Trial in Atrial Fibrillation) rekrutierten explizit keine Patienten mit Vorhofflimmern und gleichzeitiger Mitralstenose oder Herzklappenprothese. Sekundäranalysen von ARISTOTLE (Apixaban for Reduction in Stroke and Other Thromboembolic Events in Atrial Fibrillation) und RE-LY (Randomized Evaluation of Long-Term Anticoagulation Therapy) legen nahe, dass Apixaban und Dabigatran bei Patienten mit und ohne Erkrankungen der Herzklappen ähnlich wirksam wie Warfarin sind. Zu dieser therapeutischen Option gab es bislang aber kaum Evidenz.
„Um diese Wissenslücke zu schließen, haben wir die Wirksamkeit und Sicherheit von DOAK im Vergleich zu Warfarin bei Patienten mit valvulärem Vorhofflimmern untersucht und den klasseninternen Effekt von Apixaban, Rivaroxaban und Dabigatran im Vergleich zu Warfarin bewertet“, schreiben Dawwas und ihre Kollegen.
Auswertung einer US-amerikanischen Patientendatenbank
Grundlage der retrospektiven Kohortenstudie war eine US-amerikanische Datenbank aus dem Gesundheitswesen. Patienten hatten mindestens 1 Rezept für DOAK oder Warfarin erhalten. Daten aus den 12 Monaten vor dieser Verordnung wurden ausgewertet, um die Patienten hinsichtlich sonstiger Vorerkrankungen zu charakterisieren. Um eingeschlossen zu werden, musste mindestens eine Diagnose von Vorhofflimmern, die bei mindestens einer stationären oder 2 ambulanten Behandlungen dokumentiert worden war, vorliegen. Hinzu kam eine Herzklappenerkrankung, etwa der Aorten-, Mitral-, Trikuspidal- oder Pulmonalklappe, mit mindestens 1 stationären Therapie oder 2 ambulanten Behandlungen.
Die Autoren haben Patienten mit einer Nierenerkrankung im Endstadium, mit Hüft- oder Kniegelenkersatz, mit Schlaganfällen, systemischen Embolien in der Vorgeschichte sowie mit bioprothetischem oder mechanischem Herzklappenersatz ausgeschlossen. Für die statistische Analyse arbeiteten sie mit Daten, die vom 1. Januar 2010 bis zum 30. Juni 2019 erhoben worden waren.
Zu Bestimmung der Wirksamkeit definierten die Forscher einen zusammengesetzten Endpunkt aus ischämischem Schlaganfall oder systemischer Embolie. Bei der Sicherheit waren es gastrointestinale oder intrakranielle Blutungen.
Patienten profitieren von DOAK
In der Stichprobe hatten 787 von 28.168 Patienten, denen Ärzte DOAK verordnet hatten, einen ischämischen Schlaganfall oder eine systemische Embolie. Das entspricht 3,9 Ereignissen pro 100 Personenjahren. Unter Warfarin traf das auf 1.211 von 28.168 Patienten zu, sprich 6,0 Ereignisse pro 100 Personenjahre. Als HR geben die Autoren 0,64 (95%-KI 0,59 bis 0,70) an.
Die absolute Verringerung der Wahrscheinlichkeit dieser Ereignisse mit DOAK versus Warfarin betrug 0,015 innerhalb von 6 Monaten und 0,026 innerhalb von 1 Jahr nach Beginn der jeweiligen Behandlung. Für unterschiedliche DOAK waren die Daten konsistent.
In der Kohorte hatten 1.465 von 28.168 Patienten schwere Blutungen (7,1 Ereignisse pro 100 Personenjahre), verglichen mit 2.155 Ereignissen bei 28.168 Warfarin-Anwendern (10,6 Ereignisse pro 100 Personenjahre). Als HR geben die Autoren 0,67 (95%-KI 0,63 bis 0,72) an.
Die absolute Reduktion der Wahrscheinlichkeit einer schweren Blutung mit DOAK im Vergleich zu Warfarin betrug 0,019 innerhalb von 6 Monaten und 0,035 innerhalb eines Jahres nach Beginn der Behandlung. Auch hier waren die Ergebnisse für verschiedene DOAK konsistent.
Stärken und Schwächen der Studie
Zu den Stärken dieser Studie gehören die Längsschnittdaten, die große Stichprobe und die Teilnahme von Patienten mit unterschiedlichen Herzklappenerkrankungen. Dem stehen mehrere Einschränkungen gegenüber. Es fehlten Daten zu rezeptfreien Medikamenten, beispielsweise ASS, und dem Schweregrad der Herzklappenerkrankung. Außerdem waren keine Informationen über die verschreibenden Ärzte verfügbar. Ein Bias aufgrund von ICD-Diagnosecodes erscheint den Autoren möglich. Ihnen fehlten auch Angaben zum Alkohol- oder Nikotin-Abusus, zum Body Mass Index und zur Adhärenz bei der antikoagulativen Pharmakotherapie.
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Diesen Artikel so zitieren: DOAK auch bei valvulärem Vorhofflimmern eine gute Wahl? In großer Kohortenstudie besser als Warfarin - Medscape - 30. Mär 2021.
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