Warum ist Gemüse gesund? Forscher finden im Blut niedrigere Entzündungswerte – und Veränderungen im Darmmikrobiom

Dr. Nicola Siegmund-Schultze

Interessenkonflikte

29. März 2021

Diverse Gemüsesorten, vor allem Kohl, haben günstige, immunmodulierende Eigenschaften. Sie wirken antiinflammatorisch. Das lässt sich aus den Analysen von Surrogatparametern, die Entzündungen anzeigen, schließen. Vermittelt werden solche Effekte wahrscheinlich über das Mikrobiom, mit einer Anreicherung bestimmter gastrointestinaler Bakterienspezies. Das berichten Dr. Cristina Menni vom King’s College London und Kollegen jetzt in BMC Medicine. Sie haben Daten einer klinischen Studie ausgewertet [1].

Chronisch-inflammatorische Vorgänge erhöhen das Mortalitätsrisiko

Zum Hintergrund: Sterile, chronische Entzündungen entstehen häufig als Folge von Übergewicht und metabolischen Störungen. Sie gelten als Promotoren für Tumoren wie hepatozelluläre Karzinome. Außerdem sind Inflammationen mit einem höheren Risiko für Arteriosklerose und für schwere Verläufe von bakteriellen oder viralen Infektionen assoziiert. Bei COVID-19 sehen Forscher in leichten Entzündungen im Gewebe eine Erklärung für das erhöhte Mortalitätsrisiko von Menschen mit Adipositas.

Zytokine wie Interleukin-6 (IL-6), aber auch das normale Blutbild, zeigen Entzündungszustände an. In einer großen klinischen Studie haben Menni und ihre Koautoren Assoziationen zwischen der Zusammensetzung der Nahrung, Entzündungsmediatoren und dem Mikrobiom untersucht.

Studie mit knapp 1.000 Teilnehmern

Eingeschlossen wurden 986 gesunde Personen aus der britischen PREDICT-1-Studie. Ihr durchschnittliches Alter lag bei 45,6 Jahren. Als Ausschlusskriterien definierten die Forscher akute und chronische Infektionen und Komorbiditäten wie kardiovaskuläre Erkrankungen.

Zu Beginn der Studie verbrachten alle Probanden 1 Tag im Studienzentrum. Ärzte klärten ab, ob Stoffwechselstörungen vorliegen. Dazu gehörten labormedizinische Untersuchungen mit einem Differenzialblutbild inklusive der Bestimmung von Entzündungsparametern. Auch Stuhlproben wurden untersucht. Hier ging es Mennis Team um Prokaryonten im intestinale Mikrobiom. Diese lassen sich durch Sequenzierung von ribosomaler 16S-RNA bestimmen. Nicht zuletzt füllten alle Teilnehmer einen umfangreichen Fragebogen über Ernährungsgewohnheiten von Tag 1 bis 14 aus.

Blutbild-Veränderungen mit Gemüse-Konsum assoziiert

Zu den Ergebnissen:

  • Bei Probanden mit niedrigem Gemüse-Konsum fanden die Wissenschaftler vergleichsweise hohen Leukozytenzahlen, darunter vor allem Lymphozyten und basophile Granulozyten, außerdem eine erhöhte Konzentration von IL-6 im Plasma und erhöhte postprandiale Blutglukosewerte.

  • Teilnehmer, die regelmäßig viel Gemüse verspeisten, hatten niedrigere Entzündungswerte und eine normale postprandiale Glukose-Response.

  • Zwischen 3,6% und 6,8% der Variation bei den Leukozytenzahlen ließ sich mit dem hohen oder niedrigen Gemüseanteil im Essen erklären.

  • Ein niedriger Anteil frisch zubereiteten Gemüses und häufiges Essen von Fertiggerichten stand mit einer Verschiebung der Zusammensetzung des Mikrobioms hin zu Collinsella-Spezies in Verbindung. Das Bakterium wird vermehrt im Darm von Patienten mit Fettleber gefunden.

Die relative Dominanz von Collinsella-Spezies war mit erhöhten Lymphozytenwerten assoziiert.

Plädoyer für mehr Gemüse

Wie die Autoren schreiben, sei der ständige Konsum von gemüsearmem Essen mit einem chronischen Entzündungszustand assoziiert. Sie vermuten, dies hänge mit der Regulation inflammatorischer Vorgänge durch hohe Nitrat-Mengen aus dem Gemüse zusammen – speziell bei Kohlarten. Nitrate wirkten vermutlich auch der Vermehrung von Collinsella-Spezies im Darm entgegen. Da die Mikrobiota immunmodulierende Effekte hat, sehen die Autoren im Bakterium einen möglichen Link zwischen Ernährung und Leukozytenzahlen.

Zur Frage, welchen Effekt Obst zeigt, fanden die Wissenschaftler in ihrer Studie jedoch keine Antworten. Es sei, wie sie betonen, keine interventionelle Studie gewesen, so dass sich kausale Zusammenhänge nicht ableiten ließen.

Dieser Artikel ist im Original erschienen auf Univadis.de.

 

Kommentar

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