Im Onko-Blog dieser Woche geht es um neuartige infektiöse Darmerreger, die bei der Entstehung von Darmkrebs eine Rolle spielen könnten. Bei der Behandlung mit Angiogenese-Inhibitoren wurde eine Assoziation mit dem Auftreten von Aortendissektionen und Aneurysmen beobachtet. Immunbezogene Nebenwirkungen unter Immuncheckpoint-Inhibitoren treten unabhängig vom Geschlecht der Patienten auf. Chronische muskuloskelettale Beschwerden bei Langzeitüberlebenden nach Krebserkrankung bessern sich mit Akupunktur.
Darmkrebs: Welche Rolle spielen BMMF – neuartige infektiöse Erreger?
Gallenblasen- und Gallengangskrebs: Weltweite Zunahme der Inzidenz
Angiogenese-Hemmer: Assoziation mit Aortendissektion und Aneurysmen
Immuncheckpoint-Inhibitoren: Immunbezogene Nebenwirkungen treten unabhängig vom Geschlecht auf
Schmerzbehandlung: Akupunktur verringert chronische muskuloskelettale Schmerzen
Darmkrebs: Welche Rolle spielen BMMF – neuartige infektiöse Erreger?
BMMF (Bovine Meat and Milk Factors), neuartige infektiöse Erreger in Milchprodukten und Rinderseren, könnten eine Rolle bei der Entstehung von Darmkrebs spielen. Wie bereits schon früher berichtet, haben Wissenschaftler um Prof. Dr. Dr. Harald zur Hausen, Heidelberg, diese Erreger bei Darmkrebs-Patienten in unmittelbarer Nähe der Tumoren nachgewiesen. Ihre Hypothese: Diese lösen dort lokale chronische Entzündungen aus, die über aktivierte Sauerstoffmoleküle (oxidativen Stress) Mutationen hervorrufen und damit langfristig die Krebsentstehung fördern.
Wie die Forscher am Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg mit In-vitro-Experimenten zeigen konnten, vermehren sich BMMF in menschlichen Zellen und bilden dort das Proteinprodukt Rep, das sie für ihre Vermehrung benötigen.
Zudem haben die Wissenschaftler nachgewiesen, dass die BMMF chronisch-entzündliche Prozesse im Darmgewebe auslösen können, die möglicherweise an der Entstehung von Darmkrebs beteiligt sind. Unter anderem fanden sie erhöhte Spiegel von reaktiven Sauerstoffverbindungen in der Umgebung von Rep-positiven Zellen.
„Solche Sauerstoffradikale begünstigen die Entstehung von Erbgutveränderungen“, wird zur Hausen in einer Pressemitteilung des DKFZ zitiert. Die Entzündungen waren insbesondere in der direkten Umgebung der Darmkrypten lokalisiert. In diesen schlauchförmigen Vertiefungen sitzen die Stammzellen des Darms, die für die ständige Regeneration der Darmschleimhaut verantwortlich sind.
„Wir betrachten die BMMF daher als indirekte Krebserreger, die teilweise wahrscheinlich über Jahrzehnte hinweg auf die sich teilenden Zellen der Darmschleimhaut einwirken“, so zur Hausen. Er geht davon aus, dass die Infektion mit den BMMF meist früh im Leben erfolge, etwa zum Zeitpunkt des Abstillens.
„Die Ergebnisse unterstützen unsere Hypothese, dass der Konsum von Milch und Rindfleisch ursächlich mit der Entstehung von Darmkrebs in Zusammenhang steht. Sie eröffnen gleichzeitig Möglichkeiten zum präventiven Eingreifen“, so der Nobelpreisträger, der den Zusammenhang von HPV und Krebs aufgeklärt hat. Man könnte beispielsweise mit einem frühzeitigen Nachweis der BMMF besonders gefährdete Personen identifizieren, die dann rechtzeitig die Darmkrebs-Vorsorgeuntersuchungen in Anspruch nehmen sollten.
Gallenblasen- und Gallengangskrebs: Weltweite Zunahme der Inzidenz
Die Inzidenz für Gallenblasen- und Gallengangskrebs (GBTC) ist zwischen 1990 und 2017 um 76% und die Mortalität um 65% gestiegen. Der Verlust an DALYs (Disease-adjusted Life Years) nahm um 52% zu. Diese Ergebnisse veröffentlicht eine chinesische Arbeitsgruppe in Cancer .
Die Forscher berechnen, dass es 2017 weltweit 210.878 neue Fälle gab, 173.974 Menschen starben. Dies bedeutete 3.483.046 DALYs, also Lebensjahre, die aufgrund von Krankheit, Behinderung oder frühem Tod verloren gegangen sind.
Die Belastung durch die Erkrankung sei abhängig von Geschlecht, Alter und Region unterschiedlich. Auch ein hoher BMI scheint mit einem vermehrten Auftreten des Gallenkarzinoms assoziiert zu sein.
Angiogenese-Hemmer: Assoziation mit Aortendissektion und Aneurysmen
Eine Pharmakovigilanzstudie mit Hilfe der VigiBase-Datenbank der WHO ergab, dass Aortendissektionen oder Aneurysmen bei Therapie mit anti-angiogenen Wirkstoffen fast dreimal so häufig gemeldet wurden wie mit anderen Krebs-Medikamenten. Dies berichtet eine Arbeitsgruppe aus Bordeaux in einem Research Letter in JAMA Oncology .
Das Team analysierte 1.521.231 unerwünschte Ereignisse mit Krebs-Medikamenten, die von 2005 bis 2019 in VigiBase gemeldet worden waren. Darunter waren 217.664 Berichte zu Angiogenese-Inhibitoren.
Von fast 500 Fällen von Aortendissektionen oder Aneurysmen im Zusammenhang mit diesen Wirkstoffen waren 88,3% schwerwiegend, 24,3% tödlich, 17,8% lebensbedrohlich, und 24,7% führten zu einem Klinikaufenthalt oder verlängerten diesen.
VEGF-Inhibitoren waren am häufigsten mit diesen Nebenwirkungen assoziiert (51,4%), gefolgt von Tyrosinkinase-Inhibitoren (35,8%) und mTOR-Inhibitoren (11,5%). Unter den einzelnen Wirkstoffen waren Bevacizumab (44,9%), Sunitinib (14,4%) und Everolimus (11,1%) besonders häufig mit diesen Ereignissen verbunden.
Die Autoren führen aus, dass die Ereignisse nicht durch andere Medikamente wie Fluorchinolone und Glukokortikoide erklärt werden können. Allerdings könnten andere Risikofaktoren wie Rauchen oder unkontrollierter Blutdruck nicht ausgeschlossen werden. Populationsbasierte Studien seien erforderlich, um das potenzielle Risiko von Aortendissektionen oder Aneurysmen im Zusammenhang mit Angiogenese-Inhibitoren zu bestätigen und zu quantifizieren.
Die Ergebnisse dieser Studie legten jedoch nahe, Angiogenese-Hemmer bei Personen mit erhöhtem Risiko für Aortendissektionen oder Aneurysmen vorsichtig einzusetzen, wie dies bereits von kanadischen und europäischen Behörden empfohlen wird.
Immuncheckpoint-Inhibitoren: Immunbezogene Nebenwirkungen unabhängig vom Geschlecht
Bei der Einschätzung des Risikos für immunbezogene Nebenwirkungen unter Behandlung mit Immuncheckpoint-Inhibitoren (ICI) muss das Geschlecht nicht berücksichtigt werden. So die Schlussfolgerung einer amerikanisch-chinesischen Arbeitsgruppe aus einer Metaanalyse, deren Ergebnisse sie im Journal of the National Cancer Institute publiziert hat.
Weil zu geschlechtsspezifischen immunbezogenen Nebenwirkungen unter ICI-Therapie unterschiedliche Ergebnisse berichtet worden waren, analysierte die Arbeitsgruppe die Daten von 2.982 Patienten (36,8% Frauen, 63,2% Männer) aus 13 Studien. Das Risiko für eine immunbezogene Nebenwirkung unterschied sich jedoch nicht zwischen den Geschlechtern.
Auch eine Analyse basierend auf Pharmakovigilanz-Datenbanken und Omics-Daten des Krebsgenom-Atlas ergab keinen signifikanten Unterschied bei diesen Nebenwirkungen zwischen Männern und Frauen.
Schmerztherapie: Akupunktur gegen chronische muskuloskelettale Schmerzen
Elektro- und Ohr-Akupunktur verringerten chronische muskuloskelettale Schmerzen bei Langzeitüberlebenden nach Krebs signifikant besser als die übliche Schmerztherapie. Dies ergab die randomisierte PEACE-Studie (Personalized Electroacupuncture vs Auricular Acupuncture Comparativess Effectiveness), deren Ergebnisse eine amerikanische Arbeitsgruppe in JAMA Oncology publiziert hat.
In die Studie waren von März 2017 bis Oktober 2019 insgesamt 360 Erwachsene mit früherer Krebsdiagnose aufgenommen worden, die keine aktuellen Krankheitszeichen aufwiesen, aber seit mindestens 3 Monaten an muskuloskelettalen Schmerzen litten. Sie wurden randomisiert mit Elektro-Akupunktur (n = 145), Ohr-Akupunktur (n = 143) oder Standardtherapie (n = 72) behandelt. Die Interventionsgruppen erhielten einmal wöchentlich Elektro- oder Ohr-Akupunktur über 10 Wochen.
Primärer Endpunkt war die Änderung des durchschnittlichen Schmerz-Schweregrads im Brief Pain Inventory (BPI) bis zur 12. Woche. Im Vergleich zur Standardtherapie reduzierte die Elektro-Akupunktur die Schwere der Schmerzen um 1,9 Punkte (p < 0,001) und die Ohr-Akupunktur um 1,6 Punkte (p < 0,001).
Nebenwirkungen in beiden Akupunktur-Gruppen waren leicht oder mäßig. Blutergüsse waren in der Elektro-Akupunktur-Gruppe (10,3%) am häufigsten, Ohrenschmerzen waren es bei der Ohr-Akupunktur (18,9%). Nur ein Patient (0,7%) brach die Elektro-Akupunktur wegen Nebenwirkungen ab; bei Ohr-Akupunktur waren es signifikant mehr, nämlich 15 Patienten (10,5%) (p < 0,001).
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Diesen Artikel so zitieren: Darmkrebs durch neuartige Erreger? Neue Nebenwirkung der Angiogenese-Hemmer und Akupunktur bei muskuloskelettalem Schmerz - Medscape - 23. Mär 2021.
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