Tempo, Tempo! So könnte man effizienter impfen und Corona-Mutanten stoppen – JAMA-Experte gibt wichtige Tipps

Dr. Angela Speth

Interessenkonflikte

15. März 2021

Wie lassen sich COVID-19-Impfstoffe optimieren? Wie verhindert man Resistenzen bei Virusmutanten? Diese Fragen diskutiert der Mikrobiologe und Immunologe Prof. Dr. John P. Moore von der Cornell University New York in einem „Standpunkt“ der Zeitschrift JAMA  [1]. So schlägt er vor, bei 2-Dosis-Vakzinen die Phase zwischen den Impfungen möglichst kurz zu halten. Oder verschiedene Impfstoffe zu kombinieren. Oder ein Regime mit Einmaldosis hauptsächlich für jüngere Menschen zu verwenden.

 
Das Ausmaß der B.1.351-Resistenz schwankt je nach Studie, aber eine der Publikationen ist recht beunruhigend. Prof. Dr. John P. Moore
 

Die Biden-Administration habe große Anstrengungen unternommen, um die COVID-19-Impfung zu beschleunigen, so Moore. Mit Stand vom 28. Februar 2021 haben in den USA mehr als 48 Millionen Menschen mindestens eine Dosis erhalten. Schon keimt die Hoffnung, noch in diesem Jahr wieder in die Normalität zurückzukehren – wäre da nicht die Befürchtung, die Impfkampagne könnte durch Virusvarianten unterlaufen werden, die gegen die induzierten Antikörper resistent sind.

Antikörper bei Genesenen tragen zur Selektion bei

2 Kategorien solcher Varianten lassen sich unterscheiden:

Die 1. Kategorie entsteht bei der Replikation von SARS-CoV-2 im menschlichen Organismus. Dort stehen die Viren unter dem Selektionsdruck, Zellen immer effizienter zu infizieren und die Replikation zu steigern. Denn je fitter und leichter übertragbar sie sind, umso schneller können sie sich in einer Population verbreiten – so geschehen im Frühjahr 2020, als die D614G-Variante ihren weltweiten Siegeszug antrat.

Das gleiche Phänomen tritt jetzt mit dem stark infektiösen, in Großbritannien entdeckten B.1.1.7-Stamm auf, der voraussichtlich bald die US-Pandemie beherrscht. Zum Glück jedoch sind weder D614G noch B.1.1.7 übermäßig resistent, weshalb die meisten Forscher zuversichtlich sind, dass sie den Erfolg der gegenwärtigen Impfstoff-Generation nicht beeinträchtigen.

Die 2. Kategorie ist problematischer, etwa B.1.351 und P.1, die in Südafrika bzw. Brasilien aufgetaucht sind. Diese Viren sind an Schlüsselpositionen in ihrer Sequenz verändert, was darauf hindeutet, dass sie unter dem Selektionsdruck neutralisierender Antikörper entstanden sind, und zwar bei Menschen, die mit SARS-CoV-2 infiziert waren.

Ungewöhnliche Varianten werden beobachtet, wenn sich das Virus bei immungeschwächten Personen über längere Zeit in hohen Raten vermehrt. Gerade wenn die Attacke der Antikörper weder schwach noch stark, sondern mittelmäßig ausfällt, finden die Erreger vermutlich Hintertüren, sich weiterhin zu replizieren. Daraufhin muss eine Minderzahl von Antikörpern eine Übermacht an Viren niederkämpfen – ein Nährboden, auf dem Resistenzen gedeihen.

Sogar Impfungen haben eine Kehrseite

Resistenzen wurden aber auch nach Impfungen gefunden. Laborstudien zeigten: Antikörper, induziert durch die mRNA-Impfstoffe von Pfizer und Moderna sowie den noch nicht zugelassenen Novavax-Protein-Impfstoff, konnten gegen B.1.351 wenig ausrichten. „Das Ausmaß der B.1.351-Resistenz schwankt je nach Studie, aber eine der Publikationen ist recht beunruhigend“, warnt Moore.

 
Es ist als ernstes Warnsignal zu verstehen, dass der AstraZeneca-Impfstoff kaum vor B.1.351 schützt. Prof. Dr. John P. Moore
 

Zwar seien die meisten Wissenschaftler einigermaßen optimistisch, dass die mRNA-Impfstoffe B.1.351 und P.1 unschädlich machen. Trotzdem fordert der Virologe: „Wir brauchen ein Programm zur Untersuchung dieser Varianten, denn es ist als ernstes Warnsignal zu verstehen, dass der AstraZeneca-Impfstoff kaum vor B.1.351 schützt.“

Teilimmunität nach Erstdosis: Brutstätte für Varianten

Welche Möglichkeiten gibt es, solche Varianten abzublocken? Eine Empfehlung, die die Gesundheitsbehörden in den USA, jedoch noch nicht in Großbritannien, ausgesprochen haben, lauten folgendermaßen:

Sind 2 Impftermine erforderlich, wie bei den Vakzinen von Pfizer, Moderna und Novavax, sollten sie in kurzem Abstand aufeinanderfolgen.

Die Erklärung: Erst nach der 2. Impfung sind die Antikörpertiter hoch, im Intervall nach der 1. Immunisierung ist der Schutz aber noch nicht voll entfaltet. Findet währenddessen eine Infektion statt, kann sich das Virus noch gut vermehren und Resistenzen entwickeln.

Noch aus einem weiteren besorgniserregenden Grund ist eine schnelle Zweitimpfung wichtig, sowohl für den Einzelnen als auch für die Allgemeinheit: wegen der neuen, in Großbritannien entdeckten B.1.1.7-Variante. Das für den Eintritt in die Wirtszelle zuständige Spike-Protein enthält eine Substitution (E484K), die als Marker für Resistenz gilt.

Einmal-Impfstoff – Alternative für junge Menschen?

Einen Ausweg verspricht ein Impfstoff, der nur einmal appliziert werden muss: die Adenovirus-Vektorvakzine von Johnson & Johnson, die jetzt die Notfallzulassung der FDA und eine bedingte Marktzulassung von der EMA erhalten hat. Der Impfstoff lässt sich einfacher transportieren und lagern, ist aber weniger wirksam als die 2-Dosis-Vakzinen von Moderna, Pfizer und Novavax. Deshalb testet Johnson & Johnson derzeit, ob sein Produkt mit zweimaliger Applikation ebenfalls stärker und dauerhafter schützt. „Doch wird man auf die Studienergebnisse noch Monate warten müssen“, schätzt Moore.

Zugleich wurden Bedenken laut, ob der 1-Dosis-Impfstoff tatsächlich eine so gute und einfache Alternative darstellt. Denn damit könnten – ähnlich wie im Intervall bei 2-Dosis-Vakzinen – resistente Viren entstehen. Und zwar dann, wenn eine größere Zahl von Geimpften mit SARS-CoV-2 infiziert wird. Zumal die Wirksamkeit der Vakzine ja im Lauf der Zeit schwindet.

Eine Lösung, die allerdings noch geprüft werden müsste: vorzugsweise Menschen unter 40 Jahren zu impfen. Er beruht auf der Annahme, dass COVID-19 bei Jüngeren mit geringerer Replikation und folglich weniger Resistenzen verläuft, weil sie eher milde bis keine Symptome haben.

Wählerisch sein – in Notzeiten wenig angemessen

Sorge bereitet außerdem, dass viele Menschen bestimmte Impfstoffe verweigern mit dem Argument, diese seien weniger effektiv als jene auf mRNA-Basis. So wurde Medienberichten zufolge in Großbritannien und Europa häufig die Vakzine von AstraZeneca abgelehnt. „Dabei empfehlen Gesundheitsbehörden und Ärzte, jeden zugelassenen Impfstoff zu akzeptieren“, mahnt Moore.

Ein weiterer Ansatz gegen Resistenzen wäre, verschiedene Impfstoffe zu kombinieren, nach dem Vorbild des effizienten russischen Sputnik V-Impfstoffs, der 2 unterschiedliche Adenoviren als Vektoren verwendet: Für die 1. Impfung ist das Spike-Protein von SARS-CoV-2, übersetzt in DNA, in Typ 26 eingebaut, für die 2. in Typ 5.

Der weniger wirksame Adenovirus-Impfstoff von AstraZeneca dagegen nutzt für beide Impfungen nur eine einzige Variante, nämlich ChAdeno. Und auch die 3. Adenovirus-Vakzine, jene von Johnson & Johnson, würde im Fall eines 2-Dosis-Regimes stets denselben Vektor verwenden. Doch scheint dieses Vorgehen die Wirksamkeit des Impfstoffs zu beeinträchtigen, was mit der sogenannten Vektorimmunität zusammenhängt.

Umgehen der Vektorimmunität mit 2 Impfstoffsorten

Mit einem mRNA- oder Protein-Impfstoff als 2. Dosis jedoch könnte es gelingen, diese Art der Immunität zu überwinden. „Alle Hersteller modellieren derzeit die Komponenten für das Spike-Protein, um neue SARS-CoV-2-Varianten, besonders B.1.351, in den Griff zu bekommen“, berichtet Moore. Durch die gemeinsame Umgestaltung der E484K-Sequenz ließe sich eventuell verhindern, dass die Viren unter dem Selektionsdruck der Antikörper widerstandsfähige Versionen hervorbringen.

 
Alle Hersteller modellieren derzeit die Komponenten für das Spike-Protein, um neue SARS-CoV-2-Varianten, besonders B.1.351, in den Griff zu bekommen. Prof. Dr. John P. Moore
 

Untersuchen müsste man auch, ob die „ursprüngliche antigene Sünde“ wirklich ausschlaggebend ist. Nach diesem Konzept könnte ein veränderter Zweit-Impfstoff keinen eigenen Effekt entwickeln, sondern lediglich den des ersten verstärken. Vom Ergebnis hängt die Wahl der Auffrischimpfung ab, die bei zunehmenden Resistenzen notwendig wäre.

Brauchen ehemals Infizierte überhaupt eine 2. Dosis?

Eine nächste Frage mit erheblichen Auswirkungen: Was passiert, wenn jemand, der von COVID-19 genesen ist, einen mRNA-Impfstoff erhält? Studien zufolge steigen die Antikörpertiter dann mit einer einzigen Dosis schnell auf hohe Werte, was eine 2. Dosis eventuell überflüssig macht. Da beispielsweise in den USA bereits fast 30 Millionen Menschen erkrankt waren, könnte man große Mengen an Impfstoff einsparen. Trotz der logistischen Herausforderung hat die französische Regierung diese Idee bereits aufgegriffen.

Bei mRNA-Impfstoffen kommt das Problem hinzu, dass sie bei bereits Infizierten offenbar starke (wenn auch kurzzeitige) unerwünschte Wirkungen auslösen, etwa Kopfschmerzen und Fieber. Eine mögliche Abhilfe: Bei Genesenen, zumal wenn sie jünger sind, den Novavax-Protein-Kandidaten zu verwenden. Denn der scheint bei ähnlicher Wirksamkeit verträglicher zu sein als die mRNA-Impfstoffe.
 

Kommentar

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